Kapitel ~ 6

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Mit rasendem Herzen, folgte die junge Ärztin dem Pfleger. Noch wusste sie nicht genau, was der Alarm zu bedeuten hatte. Während sie sich den Weg zum Patientenzimmer bahnten, aus dem der Alarm kam, erkundigte sich Selena nach der Bedeutung des Alarmsignals. "Was bedeutet dieser Alarm eigentlich, Stirling?", wollte sie wissen, während sie hinter ihm her hechtete.

"Einer der Pfleger hat wohl einen Notfall mitbekommen und Alarm ausgelöst. Auf dem Monitor stand Sicherheitsstufe eins. Das ist nie gut". Endlich waren sie angekommen. Der Alarm wurde für das Zimmer des Neuen ausgelöst. Zuckend lag er auf dem Boden. In einer Lache aus Blut. Im seinem Hals steckte ein Messer. Um ihn herum saßen bereits zwei Ärzte der Einrichtung, die bereits auf den Notarzt warteten.

"Ich habe schon das Krankenhaus informiert", sagte Frau Dr. Foster, während sie neben dem Patienten hockte. "Miss Gomez, bitte sorgen Sie mit Herrn Stirling dafür, dass alle Patienten in ihre Zimmer gehen. Ich möchte niemanden hier auf dem Flur sehen"

Schockiert blickte Selena sie an. "Wie ist das passiert?"

"Das hat er sich scheinbar selbst angetan", erklärte sie kurz und wandte sich dann wieder dem am Boden liegenden Patienten zu.

Sofort verließ die junge Ärztin das Zimmer und ordnete dem Pfleger einen bestimmten Wohnfügel zu, in dem er dafür sorgen sollte, dass alle in ihren Zimmern waren. Sie selbst begab sich zum anderen Flügel. Sorgsam kontrollierte sie jedes einzelne Zimmer. Niemals hätte sie direkt am ersten Tag mit so einem schrecklichen Vorfall gerechnet. So viel Blut auf einmal, hatte sie nie zuvor gesehen. Am Ende des Flügels lag das Zimmer des tätowierten Justins. Vorsichtig klopfte sie an seine Tür und trat ein. Der Patient saß auf seinem Bett und schaute aus dem Fenster. Immernoch wütete draußen ein Unwetter. Zaghaft sprach sie ihn an.

"Justin, sind Sie okay?", wollte sie wissen, als er sich zu ihr umdrehen und sie ansah.

"Ja, Ma'am "

"Sie haben sicher mitbekommen, dass Alarm ausgelöst wurde. Wir haben einen schlimmen Vorfall, um den wir uns gerade kümmern müssen und da sollen alle Patienten auf ihren Zimmern bleiben", erklärte sie.

"In Ordnung. Ich werde dann einfach hier sitzen bleiben und warten, bis alles vorbei ist"

"Kann ich noch irgendwas für Sie tun, Justin"

"Nein, Ma'am. Vielen Dank". Er lächelte sie an und sie verließ das Zimmer. Noch eine Weile blieb sie vor seiner Tür stehen. Sie hatte unglaubliches Mitleid mit dem, was dem jungen Mann passiert war. Trotz aller Grausamkeiten, die er schon erleben musste, war er kooperativ und höflich. "Ja Ma'am... Nein Ma'am". Sie mochte die Art, wie er sich ihr gegenüber verhielt. Er schien keiner dieser irren Rüpel zu sein, die wie wild durch die Gegend rannten und ihren Frust und ihre Kränkung an anderen ausließen.

Schnell machte sie sich auf den Weg zurück in das Zimmer des Verletzten. Tom war bereits von einem Krankenwagen abtransportiert worden und es war nur noch der riesige Fleck von Blut auf dem Boden zu sehen. Nachdenklich schaute Frau Dr. Foster die junge Selena an. "Wieso hat keiner von dem Personal oben erwähnt, dass er Selbstmord gefährdet war? Ich verstehe das einfach nicht"

"Warum ist er denn in dieser Einrichtung?", wollte die Dunkelhaarige wissen.

"Wegen Depressionen", erklärte sie. "Aber es war nur eine leichte Form. Normalerweise gab es für ihn keinen Anlass so etwas zu tun".

"Wie konnte er an das Messer kommen?"

"Unsere Patienten kommen hier jederzeit an alles. Wir sind ja keine geschlossene Psychiatrie, sondern ein psychiatrisches Wohnheim. Wir betreuen die Patienten und isolieren sie nicht von ihrer normalen Umwelt"

"Wird er durchkommen? Die Verletzung sah wirklich schlimm aus", erklärte Selena.

"Ich weiß es nicht. Die Ärzte konnten noch nicht wirklich Auskunft darüber geben, wie schwer sie das ganze einschätzen. Haben die anderen Patienten etwas davon mitbekommen?", wollte die Leiterin der Einrichtung wissen.

Frau Dr. Gomez schüttelte den Kopf. "Nein, scheinbar nicht. Niemand wirkte irgendwie anders oder gar verstört. Zumindest nicht in dem Flügel, den ich kontrolliert habe. Stirling war in dem anderen"

"Wir versammeln sofort das ganze Personal zu einer Besprechung", begann die blonde Frau."Ich werde direkt oben anrufen und nachfragen, wieso uns niemand davon erzählt hat, dass er so gefährdet war". Sofort lief sie los und ließ die Latina in dem Blut verschmierten Zimmer zurück. Bald darauf betrat Stirling den Raum.

"Vielleicht war dieser Tom es ja auch nicht selbst", bemerkte er, woraufhin Selena ihn fragend ansah.

"Was meinen Sie damit?"

"Kommen Sie, Miss. Wir sind hier in einem Wohnheim mit lauter Verrückten. Es wäre nur normal, wenn jemand durch dreht"

"Haben Sie schon jemanden unter Verdacht?", fragte sie.

"Nein, noch nicht. Konkret denke ich da an niemanden... Vielleicht sind es immer die unscheinbarsten, wie dieser Nick Jonas oder die irre Ariana Grande, die öfter von oben hier runter kommt, zu Besuch. Keiner weiß, wieso sie ständig hier ist. Sie ist einfach verwirrt", erklärte er und ging dann.

Nachdenklich blieb Selena noch einen Moment lang im Zimmer stehen, bis sie auch endlich ging.

PsychopathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt