Kapitel ~ 3

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Justin, der nie Besuch bekam, setzte sich in die große Lobby in der Eingangshalle. Von dort aus konnte er wenigstens sehen, wer alles das Gebäude betrat. Jeden Tag nach dem Abendessen durften die Patienten Besucher empfangen und ihre Zeit mit ihnen verbringen. Bis um 21 Uhr. Dann war die Besuchszeit vorbei und alle Patienten sollten sich auf die Zimmer begeben. Als der junge Mann konzentriert zum Eingang blickte, merkte er, dass sich Nick neben ihn setzte.

"Hey Justin", begrüßte er ihn. "Guckst du dir wieder an, wer sich alles den Wahnsinn hier freiwillig antun will?". Nick kam ganz gut mit dem seltsamen jungen Mann zurecht. Er wusste, dass dieser seine Phasen hatte, in denen man ihn nicht ansprechen sollte. Auch wenn Justin seine innere Unruhe und Aggression nie nach außen hin zeigte, kannte der dunkelhaarige Nick ihn mittlerweile so gut, dass er nicht einmal mehr sichtbare Anzeichen bei dem Blonden wahrnehmen musste. Er spürte es, wenn er wütend war. Zumindest glaubte er das, denn wenn Nick ehrlich zu sich selbst war, musste er zugeben, dass der Mann neben ihm, unberechenbar war. Jeder in der Einrichtung wusste, dass etwas mit ihm nicht stimmte, doch niemand konnte in Worte fassen, was es war. Kein Begriff einer psychischen Krankheit konnte die Persönlichkeit des jungen tätowierten Mannes bis jetzt definieren. Die Ärzte waren ratlos. Keiner konnte bis jetzt eine wirklich eindeutige Diagnose stellen.

"Kommt heute nicht deine Freundin?", fragte Justin mit gleichgültiger Stimme.

"Was? Meine Freundin?", fragte der Dunkelhaarige. "Mit der ist doch Schluss. Das habe ich dir doch erzählt"

Desinteressiert zuckte Justin mit den Schultern. "Achso. Mir egal"

Nick wusste, dass er die desinteressierten Kommentare des Mannes besser nicht kritisierte, denn er wollte nicht der nächste sein, der sich mit einem Bettlaken aufhängte. Er war noch nicht wirklich lange in der Klinik, doch er hatte bereits bemerkt, dass Patienten, die dem Blonden zuvor missfallen waren, sich oft auf mysteriöse Art verletzten oder das Leben nahmen. Plötzlich klebte der Blick des Tätowierten an einer zierlichen Person, die gerade mit einem Ordner durch die Eingangshalle lief. Eine junge, hübsche Frau. Diese war dem zurückgezogenen Mann noch nie zuvor aufgefallen. Wer war sie?
Als er darüber nachdachte, tippte ihm jemand auf die Schulter.

"Justin, ich wollte mit Ihnen noch einmal ein Einzelgespräch führen", sagte die Frau, die ihn zuvor schon aus seinem Zimmer geholt hatte, um ihn zum Abendessen zu holen. Frau Dr. Foster. Justin hatte seit Jahren immer wieder Einzelgespräche mit ihr. Sie war die Leiterin der Klinik und hatte auch nach fünf Jahren die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Irgendwie wollte sie es schaffen, zu ihm durch zu dringen. "Haben Sie Lust sich mit mir zu unterhalten? Sie bekommen doch sicher sowieso keinen Besuch"

Sein ganzer Körper spannte sich an, wenn er diese Frau sah. Er hasste sie. Sie wiederte ihn gerade zu an, trotzdem wollte er seine Fassade nicht bröckeln lassen und nickte ihr deshalb zu. Vorsichtig stand er auf und folgte ihr durch die Gänge. Vorbei am Pflegerbüro, wo ihm wieder die unbekannte Dunkelhaarige Frau auffiel. Bald kam er in einem leicht gelb gestrichenen Raum an. Vorsichtig nahm er auf dem Stuhl Platz, in dem er die letzten Jahre schon so oft gesessen hatte.

Wie ich diesen Raum hasste. Helle Farben sollten unsere Stimmung beeinflussen. Lächerlich. Dachten die so ein bisschen Gelb würde dafür sorgen, dass mir die dreckige Fresse der Foster besser gefiel? Was sollte das bringen? Diese billigen Psycho Tricks dieser sogenannten Experten, waren einfach erbärmlich. Sie konnten meine Gedanken nicht bessern. Weder durch Gelb, noch durch eine andere beschissene Farbe. Jetzt sollte ich wieder hier sitzen und ihr Fragen beantworten, die absolut uninteressant waren. Zumindest für mich. Niemals würden sie herausbekommen, was vor fünf Jahren passiert war.

"Also Justin", begann sie. "Wie war Ihr Tag?"

"Gut. Wie immer..."

"Hatten Sie die letzte Nacht Albträume?"

"Nein", sagte er leise und blickte aus dem Fenster. Es war bereits dunkel geworden. "Mir geht es gut"

"Möchten Sie nicht langsam anfangen darüber zu sprechen, was vor fünf Jahren passiert ist?"

Wie offensichtlich. Glaubte sie wirklich, ich würde nicht merken, was sie vor hatte? Wer hatte dieser Schlampe eigentlich ihr Fachwissen ins Hirn gepflanzt? Mit solch offensichtlichen Fragen, konnte sie gar nichts erreichen.

"Nein, ich möchte nicht drüber sprechen. Mir geht es gut"

Plötzlich klopfte es an der Tür. Sie öffnete sich und herein schaute die unbekannte junge Frau.
"Hallo Frau Dr. Foster ", sagte sie."Ich bin Dr. Selena Gomez. Ich wollte Ihnen nur kurz Bescheid geben, dass ich jetzt angekommen bin und Ihnen ab sofort zur Verfügung stehe"

Interessiert lächelte der Tätowierte sie an.

Eine Neue... So jung. So unerfahren und so wunderschön.... Das wurde auf jeden Fall interessant werden...

PsychopathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt