Kapitel ~ 48

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Mit verängstigtem Blick sah eine zierliche Gestalt sie durch die Autoscheibe an. Es war Ariana Grande, die in purer Panik zu sein schien. Sofort schob die Latina das Autofenster runter, um zu erfahren, was mit der zerbrechlichen Frau los war. "Ariana, was ist mit Ihnen los?"

"Sie müssen sofort fahren. Sie haben den Geist verärgert... er wird Sie holen kommen. Sie müssen sofort verschwinden... Schnell!", schrie sie in blanker Verzweiflung, doch Selena musste professionell bleiben. Sie dufte nicht zulassen, dass ihre eigene Unruhe und Angst dafür sorgte, dass sich eine labile Patientin unwohl fühlte. "Frau Doktor... bitte hauen sie schnell ab...."

"Es ist alles in Ordnung, Ariana. Gehen Sie wieder zurück in das Wohnheim. Es gibt nichts wovor Sie Angst haben müssen", während sie das sagte, merkte sie, wie sehr sie sich selbst und ihr Umfeld belog. Es gab in diesem Wohnheim genug, vor dem man Angst haben musste. Allem voran die unheimliche Leitung, der man nicht über dem Weg trauen durfte. Innerlich hoffte die Dunkelhaarige, das Justin Recht behielt und es wirklich wieder aus dem Einzelzimmer schaffen würde. Langsam schien sie Vertrauen zu ihm zu fassen und er scheinbar auch zu ihr. Vielleicht hatten sie beide etwas gemeinsam. Vielleicht hatte auch er Probleme damit anderen Menschen zu vertrauen. Vielleicht war seine Art einfach nur ein Schutz vor den Menschen, die ihn nicht verstanden.... den Menschen, von denen er sein ganzes Leben immer nur Enttäuschungen und Schmerzen erfahren hatte. Selena wartete, bis die Dunkelhaarige Patientin zurück durch die große gläserne Tür der Einrichtung gegangen war, dann fuhr sie los. So schnell sie konnte... zurück zu ihrer Wohnung. Auch wenn sie sich immer weiter von dem Wohnheim entfernte, blieben ihr Kopf und ihr Herz trotzdem bei dem eingesperrten, jungen Mann. Es zerriss sie innerlich, wenn sie daran dachte, dass man ihn wie ein wildes Tier weggesperrt hatte. Wilde Tiere werden nur aggressiv und gefährlich, wenn sie sich bedroht fühlen.... Fühlte Justin sich auch bedroht oder wusste er einfach nur nicht, wie er seine Gefühle zu Ausdruck bringen sollte? Hatte dieser Mensch überhaupt die Fähigkeit zu fühlen?War er mit anderen Menschen zu vergleichen? Fühlte er sich selbst überhaupt wie ein Mensch? Es gingen ihr unzählige Fragen durch den Kopf, auf die sie wahrscheinlich niemals eine Antwort finden würde... zumindest nicht sofort. Zuhause angekommen, schloss sie mit zitternden Händen ihre Wohnungstür auf. In ihrem Kopf drehte sich alles. Zu viel passierte im Moment in ihrem Leben. Die Latina wusste nicht mehr, wie sie mit alle dem Umgehen sollte und beschloss sich erst einmal zu beruhigen, sich in Wohnzimmer zu setzen und ihre gute Freundin Taylor anzurufen. Sie musste ihr einfach von den Vorkommnissen berichten und ihre Meinung zu allem hören. War sie derselben Meinung? Glaubte sie auch, dass der vermeintlich gefährliche Justin in Wahrheit doch ein so schlechter Mensch war?

Kaum hatte die junge Ärztin ihrer besten Freundin alles erzählt, passierte genau das, wovor sie immer Nagst hatte. Taylor hielt sie für völlig verrückt. "Selena, ich bitte dich... du machst genau den gleichen Fehler wie immer... du denkst, dass du allen Menschen helfen kannst... du kannst aber nicht allen helfen... manchen Menschen kann man einfach nicht mehr helfen. Bilde dir nicht immer ein, du könntest jeden zum Guten verändern. Er ist gefährlich", sagte die Blonde und hoffte, dass sie ihrer Freundin, ihre komischen Ansichten über den jungen Kriminellen noch aus dem Kopf schlagen konnte. Es war bereits später Abend, bis die beiden jungen Frauen ihr Gespräch beendet hatten. Taylor hatte es aufgegeben, der Latina das alles ausreden zu wollen. Sie wusste ganz genau, dass sich Selena nicht beeinflussen lassen würde. Wenn sie einmal von einer Sache überzeugt war, dann würde sie davon nicht mehr ablassen. Nie wieder. Am Ende des Gesprächs legte sie auf, ging ins Badezimmer und machte sich fertig fürs Bett. Sie ahnte nicht, dass sie nicht alleine war...

PsychopathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt