Narben auf der Seele ....

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Finn: 

Ich hatte Frühstück gemacht und Juli kam mit verstrubbelte Haaren und im Schlafanzug in die Küche getapst. Sie sah so goldig aus. 

Sie kam auf mich zu, drückte mir einen Kuss auf die Wange und murmelte ein verschlafenes 

" Guten morgen! " 

" Guten morgen! Kaffee?? " sie nickte und ich brachte ihr eine Tasse der dampfenden Flüssigkeit.

Wir setzten uns an den Tisch und aßen schweigend das Frühstück. 

" Was machst du heute? " fragte sie plötzlich in die Stille. Ich zuckte bei ihrer weichen, warmen Stimme etwas zusammen 

" Ich weiß nicht. Dir ein bisschen die Stadt zeigen?! " schlug ich vor und sie nickte begeistert

" Das wäre wirklich toll " sie lächelte mich schüchtern an und ich lächelte zurück 

" NA Dann hop, hop, geh dich anziehen " sie kicherte ein wenig und verschwand dann mit schnellen schritten in ihr Zimmer. 

Sie war einfach nur goldig. Sagt mal: Glaubt ihr an Liebe auf den ersten Blick??

Also ich eigentlich nicht und Gefühlsduseleien waren eh nichts für mich. Aber SIE hatte mir in weniger als 24 Stunden völlig den Kopf verdreht. Ich wollte zeit mit ihr verbringen, mehr zeit ... und ich fühlte mich so komisch wenn sie bei mir war. 

Juli kam mit ihrem Handy in der Hand in die Küche gelaufen. Sie trug eine schwarze skinny Jeans und darauf  einen weiten grauen Pullover. Ihre Füße zierten schwarze Boots mit Nieten und um ihr Handgelenk schlang sich ein kleines silbernes Armband. 

" Gut siehst du aus " meinte ich lächelnt. 

" danke " antwortete sie als wären solche Komplimente das normalste der Welt. 

" können wir " fragte ich. Sie nickte und und wir gingen die Treppe noch unten. Ich holte meinen Wagen aus der Garage und wir fuhren in die City von London.

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Wir liefen seit bestimmt 3 Stunden durch London. Sie schoss unzählge Fotos, wir alberten rum und hatten einfach fun.

" Finn ich hab keine Lust mehr " jammerte sie " meine Füße tun weh und ich will nach hause " sie sah mich mit großen Hundeaugen an und ich stimmte zu da ich ebenfalls keine Lust mehr hatte. 

Wir stiegen in meinen Wagen und fuhren nach Hause. 

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Wir waren seit 15 Minuten wieder zu hause ... Juli war sofort ins Bad verschwunden um sich duschen zu gehen. Ich hatte mir der Weile bequeme Sachen angezogen. Gerade holte ich uns zwei Gläser Limo aus der Küche als Juli ins Wohnzimmer tapste und sich erschöpft auf die Couch plumpsen lies. Ich setzte mich neben sie und reichte ihr das Glas mit der Limo. Sie bedankte sich und nahm einen kleinen Schluck. 

Wir schwiegen eine Weile bis ich die Stille unterbrach:

" Erzähl mir was von dir " forderte ich sie auf. 

Sie sah mich mit großen Augen an und meinte nur:

" da gibt´s nicht so viel zu erzählen " 

" Jeder hat eine Geschichte ... erzähl mir deine " ich sah wie sie mit sich rang ob sie es mir erzählen sollte oder nicht ... ich meine es war verständlich wir kannten uns gerade mal 36 Stunden und ich wollte schon so ziemlich alles über sie wissen .. 

" Okay .. aber nur wenn du mir dann auch deine Geschichte erzählst " in ihren Augen spiegelte sich die pure Unsicherheit .. ich sah ihr in die Augen und nickte ... 

 Sie rutschte etwas näher zu mir und lehnte sich an mich dann begann sie zu sprechen:

" Meine Kindheit war okay ... So wie mal halt ohne Vater aufwächst ... Aber sonst war ich schon ganz glücklich ... Als ich dann auf die High Scholl gegangen bin rutschte ich völlig ab .. Alkohol, Party, Jungs und so weiter ... Alles was in mein Beuteschema passte wurde durchgefikt ... Irgendwann hab ich Amy kennen gelernt ... Die kam neu auf die Schule und wir wurden schnell beste Freunde ... Sie brachte mich von der schiefen Bahn runter .. mit ihr konnte ich ach ohne Alk, Party und Jungs spaß haben ... Wir waren lange befreundet und auch sehr eng ... Und naja ... "

sie machte eine kurze Pause und tränen bildeten sich in ihren Augen. Vorsichtig legte ich meine Hand auf ihre und verschränkte unsere Finger ... Sie zog weder ihre Hand weg noch sonst was, sie lies mich einfach machen ... eine angenehme Wärme durchströmte meinen Körper als sie weiter sprach:

" naja vor ca. einem Jahr hat sich sich umgebracht ... und ... und jetzt ist einfach ... nichts mehr wie es mal war " die letzten Wörter brachte sie nur schluchzend her raus. Ich lies ihre Hand los und legte meine Hände beschützend um ihr Hüfte und zog sie etwas näher an mich. Ihr Kopf ruhte auf meiner Brust und mein Kopf lag auf ihren Schultern .... Wir saßen ewig so da bis sie sich ein wenig beruhigt hatte. 

Die wichtigste Bezugsperson - seine beste Freundin bzw. seinen besten Freund verlieren - für mich unvorstellbar ... dieser Schmerz musste unerträglich sein ... Ich sagte nichts mehr dazu und wahrscheinlich war dies genau richtig ... ich hätte sagen können: ' wahrscheinlich hat sie es da wo sie jetzt ist besser' aber ich wusste nicht ob es so wahr und ich kannte Amy nicht ... also war es besser das ich schwieg... 

" Jetzt bist du dran " verkündete sie und auch ich begann zu sprechen. 

" Ich hatte keine wirkliche Kindheit ... meine Eltern waren nie zu hause und den größten Teil meiner zeit hab ich bei meinen Großeltern verbracht. Ich hätte gern solche ' Vorzeige Eltern' ghabt, die sich rührend um ihren kleinen Sohn kümmern, die ihn über alles lieben und nicht zu seiner Oma abschieben ... JA ich hätte gerne Eltern gehabt die nicht reich sind und ich würde es immer noch gern haben. In den letzten 2 Jahren haben meine Eltern immer weniger Zeit für mich gehabt .. eigentlich wohne ich hier ganz allein ... Ich fühle mich oft einsam und flüchte mich in Alk, Partys oder Mädchen ... Alles was nicht niet und Nagel fest ist wir flach gelegt ... ich glaube aus unserer Schule hatte ich schon alle Mädchen im Bett ... Es ist eine Art Ablenkung ... und ich finde es schrecklich das ich zu so einem Schwein geworden bin, der die Mädchen nur verarscht ... aber ich kann einfach nicht anders. " 

Langsam legte sie ihre kleine Hand wieder auf meine und verschränkte unsere Finger erneut ... wieder dieses Gefühl ... wieder diese Nähe .. Ihr Kopf lag immer noch auf meiner Brust und so begann kleine kreise auf meinen tätowierten Arm zu zeichnen ... Ihre Nähe tat unheimlich gut ... 

" Warum hast du so viele Tattoos? " fragte sie

" Es ist eine Art, meine Art, gefühle auszudrücken " 

Juli:

" Es ist eine Art, meine Art, gefühle auszudrücken "  antwortete er ...

Da war in verschnökelter Schrift über den ganzen rechten Arm geschrieben: 

' Nicht alle tragen ihre Narben an den Handgelenken. Nicht alle verletzen sich da wo man es vermutet. Nicht immer ist alles offensichtlich. '

Und wie wahr dieser Spruch doch war ... Ich griff nach dem dünnen Stoff meines Pullovers und schob ihn nach oben .... Ich wusste nicht woher ich das vertrauen, zu dieser mir fast völlig unbekannten Person, nahm ... es war einfach da ... Er schaute geschockt auf meinen Körper als unzählige Narben zum Vorschein kamen ... Ich war immer noch an ihn gelehnt ... seine Nähe tat gut ... 

Langsam fuhr er mit der rechten Hand über einige Narben und weckte damit unschöne Erinnerungen ... Jede Narbe erzählt eine Geschichte, Menschen verletzten sich nicht ohne Grund!! 

Nobody is Perfect - I'm NobodyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt