Kapitel 10

1.7K 156 32
                                    

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst", sagte James ahnungslos und schloss sein Auto auf. Ich konnte platzen vor Wut. „Wieso hast du mir nicht gesagt, dass wir getrennt waren?" 
Er hob abwehrend die Hände. „Beruhig dich ein wenig", sagte er und öffnet meine Beifahrertür. Doch an einsteigen konnte ich gerade so gar nicht denken. Im Gegenteil ich musste mich beherrschen sie nicht wieder zu zumachen. Ich blieb standhaft und schaute James herausfordernd an. Doch anstatt einzuknicken, ließ er die Tür zu und richtete sich richtig auf, sodass er schon beinahe auf mich runterschauen konnte.
„Jetzt Steig erstmal ein, sonst werde ich wirklich gleich wütend."

„Nein!", sagte ich dennoch bockig und verschränkte meine zitternden Arme. Streiten war anstrengend und machte hungrig. Ich wollte erst wissen, wieso wir uns getrennt hatten, da durfte ich meine Unterlegenheit nicht so deutlich zeigen. „Emily", knurrte James und mein ganzer Mut verschwand immer mehr, bis nur noch ein kleines Fünkchen da war. Kurz blieb ich noch in meiner Position stehen, stieg dann aber doch widerwillig ein. Ich fühlte mich wie ein Kampfhund der in einer Sekunde auf die andere zu einem Schlosshund mutiert war. James knallte die Tür zu und lief um das Auto herum. Ich hatte das Recht die Tür zu knallen, nicht er.

Er setzte sich und fuhr sich genervt über das Gesicht. „Ich hatte heute wirklich einen harten Tag. Dann komm ich zum Auto, freu mich dich zu sehen und das erste was du machst, ist mir eine Lüge zu unterstellen."
„Ich hab dir nicht direkt eine Lüge unterstellt. Ich habe lediglich gefragt, wieso du es mir nicht erzählt hast", verteidigte ich mich, eingeschüchtert durch seinen Tonfall. „Ich hab es dir nicht erzählt, weil es nicht nötig war. Wir hatten einen winzigen Streit und sind dann kurz darauf wieder zusammen gekommen. Wir waren quasi gar nicht auseinander", sagte er nun etwas ruhiger und startete den Motor.
Vielleicht hatte er recht und ich hatte voreilig gehandelt. Vielleicht hätte ich ihm vertrauen sollen, immerhin machte er ziemlich viel für mich. Er hätte mich auch nach dem Unfall links liegen lassen können und sich eine neue suchen können. Doch er ist bei mir geblieben, obwohl ich keinerlei Erinnerung mehr hatte, oder eher gesagt habe.

Aber dennoch ist vertrauen ein so großes Wort. Man kann nicht mal eben so jemanden vertrauen, und vor allem keinen, an den man sich nichtmal mehr richtig erinnern konnte.

„Es Tut mir leid", sagte ich noch und schaute aus dem Fenster. Er war im Moment so leicht aufbrausend, da würde nur ein falscher Blick oder Ton genügen, um ihn ausrasten zu lasse.
Die Fahrt verlief schweigend. Erst als er unsere Auffahrt hochfuhr und er schon den Motor ausschaltete, fing er an zu sprechen.

„Es Tut mir auch leid", sagte er und sein Gesichtsdruck hat sich komplett geändert, als wenn er seine Persönlichkeit gewechselt hätte. Seine Augen waren heller geworden. „Ich hätte dich nicht so anpampen sollen. Bekomme ich denn noch eine Umarmung?", schmollte er leicht und schaute wie ein kleines Kind auf seine verknoteten Hände. „Ach deswegen", lachte ich auf und auch er schmunzelte ein wenig. „Es tut mir wirklich leid", beteuert er nochmal und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Schon okay", lächelte ich leicht und versuchte das Thema einfach abzuharken.

Vielleicht war es besser die ganze Sache einfach zu vergessen. Immerhin war es für ihn nicht der Redewert, dann wird es auch nicht wichtig gewesen sein.

Ich stieg aus, winkte ihm nochmal zu und sah ihn von der Auffahrt fahren. Ich lief ins Haus und machte mir erstmal etwas zu essen. Ich hatte Hilde gebeten noch länger zuhause zubleiben, da sie wirklich krank war und ich nicht wollte, dass sie arbeitete.
Im Schrank fand ich eine Packung Nudeln und machte mir dazu Bolognese.

~„Also, was möchtest du essen?", fragte er und holte ein paar Töpfe aus dem Schrank. „Du möchtest jetzt noch etwas zu essen machen?", fragte ich ihn leicht lachend. „Wir habend mitten in der Nacht!"
„Na und?", lachte auch er ein wenig. „Wahrscheinlich hast du heute noch nicht vernünftiges gegessen und ich werde es nun ändern", sagte er und holte Spaghetti aus dem Schrank. „Du brauchst das wirklich nicht machen. Ich seh doch, dass du müde bist. Bitte leg dich wieder hin", sagte ich und schaute ihn besorgt an. „Beth. Ich möchte es so. Ich liebe es für dich zu kochen und ich liebe es, wenn du so süß lächelst, wenn du es isst. Außerdem habe ich auch Hunger", sagte er schmunzelnd und streckte seinen Arm einladend aus. Ich lief auf ihn zu und er legte ihn um mich. Alles in mir kribbelte und ich wünschte mir, dass wir für immer so hier stehen könnten. Für immer zusammen sein könnten. Für immer wir sein könnten.

„Du musst mehr essen", sagte er ernst und fasste fester um meine Hüfte. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter und hörte seinen Atem leise neben mir.
„Ich danke dir", sagte ich und gab ihm einen Kuss auf die Schulter. Er schmunzelt und rührte die Soße an. „Und ich danke dir."~

Die Nudeln waren mittlerweile fertig. Ein bedrückendes Gefühl machte sich in mir breit, doch ich wusste nicht wieso. Ich wusste im Moment sowieso nichts und das machte mich fertig.

Da ich heute wieder einen freien Tag hatte, beschloss ich in die Stadt zu gehen. Es war unglaublich voll und ich fand mich erst nicht zurecht.
Die Menschenmenge zog an mir vorbei, während ich am Rande stand. Es war wie ein Einblick auf mein momentanes Leben. Alles war durcheinander und lief in verschiedene Richtungen. Der einzige Unterschied war, dass ich nicht wusste welcher Weg meiner ist. Ich beschloss dem Rest hinterher zu laufen und schaute mir die Stadt einfach an.

~„Wieso magst du es nicht in die Stadt zu gehen?", fragte ich ihn und ergriff seine Hand, während wir durch den beinahe leeren Park liefen.
„Im Grunde genommen mag ich die Stadt. Ich mag nur nicht die Menschenmenge, den Lärm und diese Leute die nichts besseres zutun haben, als zu gaffen und zu unrecht beurteilen", sagte er und sein Gesichtsausdruck wurde  dunkler. „Aber am meisten mag ich es nicht, wenn andere Männer dich anschauen", sagte er und drückte meine Hand leicht Besitzergreifend. Ich musste ein wenig auflachen. „Ich hab dich auch lieber für mich allein", sagte ich und lächelte ihn an. Er schenkte ebenso sein schönstes Lächeln.
Er war kein eifersüchtiger Mensch und vor allem nicht Besitzergreifend. Doch wenn er es mal war, dann fand ich es nicht schlimm oder nervig. Im Gegenteil, ich fand es süß und er zeigte mir so seine Zuneigung. ~

„Beth Vorsicht!", rief jemand und wurde somit aus meinen Gedanken gerissen. Ruckartig blieb ich stehen und ein fahrendes Auto fuhr haarknapp an mir vorbei. Mein Atem ging viel zu schnell und Adrenalin pumpte durch meinen Körper. Beinahe hätte es mich erwischt.

„Ist alles Okay mit ihnen?", fragte mich eine Frau mit einem besorgten Gesichtsausdruck. „Wer hat gerade gerufen?", fragte ich wie benebelt und ohne auf ihre Frage zu antworten. Erst schaute sie mich fragend an, doch dann verstand sie die Frage und schaute in die Menschenmenge. „Der Junge dort", sagte sie und zeigte auf jemanden mit einer schwarzen Kapuze überm Kopf. „Danke", rief ich noch, ehe ich losrannte. Ich sah noch wie die Frau mich verdutzt anschaute und noch kurz dort stehen blieb. Es tat mir leid, dass ich sie einfach stehen gelassen habe, obwohl sie mir helfen wollte, doch ich musste ihm einfach hinterher. Ich musste wissen wer er war.

Wie eine verrückte quetschte ich mich durch die Menge und versuchte ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Ich musste ihn sehen. Nur er wusste, wer ich war. Nur er konnte mir die Wahrheit sagen. Er war meine einzige Chance. Ich stolperte beinahe, rempelte Leute aus versehen an und entschuldigte mich zig mal.

Ich kam ihm immer näher, bis er in eine Seitengasse abbog. Auch ich bog dort ab. Doch anstatt hier endlich die Person zu sehen, die mein ganzes Leben ausmachte, stand ich alleine in einer leeren, dunklen Gasse. Ich suchten den Gang ab, doch ich musste enttäuscht feststellen, dass Ich ihn aus den Augen verloren hatte.

Frustrierend lehnte ich mich mit dem Rücken an die Wand und ließ mich an ihr runterrutschen. Wieso war er weggerannt? Wieso ließ er mich alleine?
Verdammt, er war es doch!

Es sagte mir, er würde mich beschützen und mich nie alleine lassen und jetzt läuft er von mir weg? Ich verstand gar nichts. Und vor allem verstand ich nicht, was hier los war!
War die Liebe doch nicht stark genug? Oder war es überhaupt keine Liebe zwischen uns?
Und wenn doch, wann wäre es gewesen? Und was war mit James?
Mir war schlecht und ich hatte das Gefühl, ich wüsste noch weniger, als am ersten Tag. Ich fühlte mich leer, lustlos und erschöpft. Am liebsten würde ich hier für immer, mit dem Kopf auf meinen Knie, sitzen. So musste ich zumindestens nicht mehr diese seltsame Welt sehen, mit der ich nicht zurecht kam.

Doch ich sollte mich nicht so hängen lassen. Ich wollte, nein ich musste wissen, wer er war und welche Rolle er spielte. Ich rappelte mich auf und wischte mir die Tränen aus den Augen. Die Lustlosigkeit und die leere in mir verschwand und Entschlossenheit machte sich in mir breit.

~„Ich würde alles geben, nur um dich zu beschützen."~

„Und ich würde alles geben, nur um dich zu finden!"

Remember meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt