Kapitel 11

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„Emily ist alles okay"', fragte James mich am nächsten morgen und betrachtete sorgfältig mein Gesicht. „Ja alles bestens", sagte ich und quälte mir ein Lächeln ab. Dunkle Augenringe schmückten mein Gesicht und auch meine Hautfarbe war viel zu blass.

Das Ereignis von gestern, hatte mich so durcheinander gemacht, sodass ich völlig aufgewühlt war. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen und in meinem Kopf sah es ungefähr so aus, als wenn jemand, die bereits sortierten Unterlagen in den Schubladen, wie wild umher geschmissen hätte.

Daher hatte ich auch kein Auge zugemacht. Es war so schrecklich laut in meinem Kopf und diese unzähligen Fragen wurden immer mehr und mehr. Man könnte mir einen Begriff nennen und ich hätte wahrscheinlich zu jedem mindestens drei Fragen und keine einzige Antwort.

„Kommst du?", fragte James mich, als er bereits am Auto stand und ich noch die Türklinke in der Hand hielt. Ich nickte und lief zu ihm. „Möchtest du nicht doch lieber zuhause bleiben? Ich würde auch bei dir bleiben", bot er mir an und schien sich echt sorgen zumachen. „Nein James, alles gut. Außerdem würdest du nur Unterrichtsstoff verpassen", sagte ich und stieg in das Auto. „Das macht nichts. Ich würde es gerne machen und auf dich aufpassen." „Ich bin nur ein wenig müde, mehr nicht."

Er nickte und stieg ein. James redete über die Fahrt, doch ich schaffte es einfach nicht, ihm richtig zuzuhören. Als wir endlich da waren, liefen James und ich zum Schultor, wo bereits die anderen standen. „Emy ich hab Neuigkeiten", trällerte Jessica los und meine Kopfschmerzen meldeten sich, bei dieser viel zu hohen Tonlage.

„Oh Gott wie siehst du denn aus?", fragte Cheryl schon kurz danach, als sie in mein Gesicht schaute. „Ich hab nicht wirklich viel geschlafen", sagte ich nur kurz ab, da es sie wahrscheinlich eh nicht interessiert.

„Naja wie dem auch sei, am Freitag ist bei Brandon eine riesige Party und wir beide werden dort hingehen", sagte nun wieder Jessica und richtete mir meine durcheinander geratenen Haare. Anscheinend sah ich wirklich gruselig aus und sie versuchte es noch gerade zu retten.

„Danke."
„Keine Ursache. Dafür sind beste Freundinnen doch da", grinste sie und betrachtet den Zopf, den sie gemacht hatte. „Also kommst du?", fragte sie und lief nach dem klingeln gemeinsam mit mir rein. „Ich weiß nicht."
„Das wird bestimmt ganz lustig. Wir können uns vorher treffen und uns zusammen fertig machen, damit du nicht so rumläufst", sagte sie und deutete auf meinen grauen Pullover.

„Wenn du es möchtest", gab ich mich geschlagen und verdrehte leicht meine Augen, wegen dem Kommentar zu meinem grauen Pullover. Ich wusste gar nicht was sie hatte. Ich lief lauf ja nicht wie ein Penner rum und auch meine Hose, war eine ganz normal Röhrenjeans. Aber ich denke, dass sie es nicht böse meinte. Jessica war nunmal so aufgewachsen, da konnte sie nicht wirklich was für. Wenn sie schon als kleines Kind gelernt hatte auf andere herab zuschauen oder zu manipulieren, dann kann man ihre Handlungen und ihre Worte nachvollziehen.
Es ist genauso wie bei Kampfhunden. Viele haben Angst vor ihnen, weil sie angeblich so böse und aggressiv sind. Doch auch sie werden nicht so geboren, sondern sie werden so gezüchtet. Wenn es Ihnen beigebracht worden ist, aggressiv gegenüber anderen zu sein, dann kann man nicht erwarten ein Schoßhündchen vor sich sitzen zu haben.

„Supi. Dann komme ich um acht", freute sie sich und lief in die Menschenmenge zu den anderen. Am Spind sah ich Lisa, die auf mich zulief als wäre ich Jesus. „Was ist los?", fragte ich sie und nahm ihr ein paar Bücher ab. Sie hatte so viele im Arm, dass sie beinahe dahinter unterging. „Was mit mir los ist? Was ist mit dir los? Du siehst so aus, als wenn du an Ort und Stelle umkippst", sagte sie und nahm mir sofort wieder die Bücher aus der Hand. „Ich hab nicht gut geschlafen", sagte ich wieder und nahm mir auch Bücher aus dem Spind.

„Kommst du auch auf diese Party?", fragte ich sie und hoffte, dass sie ja sagte. „Irgendjemand muss ja auf dich aufpassen", sagte sie grinsend und gab mir einen leichten Hüftschwung. „Sicher, dass du nicht nur wegen Brandon kommst?", fragte ich sie und hob provozierend meinen Augenbrauen, weswegen ihre Wangen anfingen zu glühen. „Nicht nur", sagte sie leise nuschelnd, weshalb ich sie fast nicht verstanden hätte. Sie mochte Brandon tatsächlich noch immer.

Wir saßen im Unterricht und ich hatte das Gefühl jeden Moment einzuschlafen. Was ich auch sicherlich wäre, wenn Niall mich nicht die ganze Zeit mit Papierkügelchen abwerfen würde.

„Niall", zischte ich so leise wie ich konnte, da er nun anfing mein Gesicht damit abzuwerfen. „Ich muss dir noch was sagen", flüsterte er zurück und wurde mit warnenden blicken des Lehrers ermahnt. „Mach das in der Pause", sagte ich genervt und schrieb diesen blöden Aufsatz weiter. Schlafmangel war nichts für mich. Ich konnte mich jetzt schon kaum konzentrieren, da brauchte ich nicht noch einen kleinen Niall, der mich zusätzlich ablenkte.

Am Ende der Stunde hatte ich kaum etwas auf das Blatt geschrieben und war froh als es endlich geklingelt hatte.
„Hast du James jetzt gefragt?", fragte Niall ungeduldig und lief mit mir den Gang entlang. Lisa musste zu einem anderen Raum und hatte sich schon verabschiedet.
„Ja er sagte, wir hätten uns nur kurz gestritten und wären dann aber kurz vor dem Unfall wieder zusammen gekommen."
Er sagte nichts darauf und schien nachzudenken. „Ich war mir eigentlich sicher", nuschelte er mehr für sich, aber dennoch hörbar. „Ich weiß nicht was ich denken soll, aber es gibt keinen Grund weshalb er mich anlügen sollte", sagte ich und setzte mich neben Niall, als wir in einem anderen Raum sind.

Er fuhr sich durch sein Gesicht und öffnete zwar immer wieder seinen Mund um etwas zu sagen. Aber es kam kein Satz über seine Lippen.
„Ich finde die Aussagen stinkt drei Kilometer gegen den Wind, aber ich mag James auch nicht besonders. Egal ob es die Wahrheit ist oder nicht, sei bitte vorsichtig", sagte Niall, meiner Meinung nach viel zu ernst und für einen Moment hatte ich das Gefühl, er würde am liebsten seinen Stuhl umschmeißen und rausrennen. Ich legte ihm meine Hand auf seine geballte Faust und lächelte ihn leicht zu. „Keine Sorge Niall. Das werde ich."

Es klingelte endlich und erleichtert atmete ich aus. Es war nichts mehr passiert, weder im Unterricht, noch in der Mittagspause. Während ich mit dem Kopf auf dem Tisch lag, hatte ich heimlich immer mal wieder zu dem Jungen neben Lisa geschaut. Und immer wenn er ebenfalls geguckt hatte, hatte ich schnell meine Augen geschlossen.

Es mag zwar ein wenig gruselig sein, aber er ist ja nichts besser, auch wenn er es wahrscheinlich machte, weil er sich beobachtet fühlte. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, da ich ein anderen jungen anguckte. Aber ich zwinkerte ihm ja nicht zu, oder flirtete mit ihm. Ich wusste nicht mal wieso ich ihn anschaute. Ich machte es einfach, ohne jeglichen Grund.

Vielleicht sollte ich mir jemand anderes suchen, den ich anstarren konnte, aber bei jeden anderem war es seltsam. Es gab keinen der mich so sehr interessierte wie er, da ich einfach nicht aus ihm schlau wurde. Mal hatte er kurze Momente, an denen ich dachte, dass wir Freunde werden könnten. Und dann gab es wiederum Momente, an denen er mich nicht mal anschauen konnte, ohne dass er wütend auf mich wurde, obwohl ich nichtmal etwas bewusst gemacht hatte. Er war so distanziert, als wenn ich das Monster in seinem Kleiderschrank wäre.

Ich hatte einfach keine Ahnung, was ich denken sollte. Und ich hatte keine Ahnung, wieso ich mir darüber sorgen machte. Aber ich machte es. Vielleicht war es die Neugierde und Unwissenheit, die mich plagte. Ich mochte ihn irgendwie und irgendwie wünschte ich mir, dass er mich auch mochte.

Vielleicht sollte ich mit ihm reden. Vielleicht sollte ich ihn einfach mal fragen, was er gegen mich hatte, auch wenn mir die Antwort vielleicht nicht gefiel. Ich musste es wissen. So gab es wenigstens eine Frage, die gelöst werden konnte.

Und was denkt ihr, wie der Junge reagieren wird, wenn Emily mit ihm spricht? :)

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