Kapitel 22

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    "Jetzt tu doch was!" regte meine Schwester sich auf. "Ich weiß nicht was!" erwiderte ich gereizt. Ich war verzweifelt. Wir waren von dem Club aus zurück in die Villa gefahren. Nun saßen wir vor einem riesigen Himmelbett auf dem Lil lag. Sie was blass und kalt. Hätte sie nicht noch einen Puls würde man denken, sie wäre tot. "Ich bin ein Teufel und kein Hexenmeister, ich habe keine Ahnung, was eine Hexe zur Stärkung braucht!" Meine Wange brannte. Ungläubig fasste ich sie hin und blickte Jelena an. "SIE IST DEINE BESTE FREUNDIN!! DU HAST ZU WISSEN, WAS IHR GUT TUT!!!" schrie sie mir ins Gesicht. "Wo ist Scarok, wenn man ihn braucht?" fragte ich leise. Jelena saß die Hände gestützt neben Lil auf dem Bett und fing leise an zu schluchzen. Ich drehte den Kopf leicht. Aus dem Garten ertönte ein leichtes Surren, ich stand auf und ging ans Fenster. "Was ist denn?" fragte meine Schwester mit verweinter Stimme und sah mit tränenverschmiertem Gesicht zu mir auf. "Hörst du das nicht?" ich sah aus dem Fenster. "Nein, was denn?" Ich hörte sie nur dumpf im Hintergrund, so gefesselt was ich von den Geschehnissen, die ich dort draußen beobachtete. Das Labyrinth, das man von Lils Fenster aus perfekt im Blick hatte, leuchtete. Jeder weg strahlte unheimlich hinaus in die Nacht. In der Mitte des Labyrinths ragt eine dunkle, wirbelnde Säule in die Luft, ähnlich einem schwarzen Tornado, der sich langsam legte. Dann war alles weg und ich starrte stirnrunzelnd hinaus in die Nacht.
"Diavar?" fragte Jelena. "Schließ alle Türen und Fenster ab." befehle ich ihr, meine Stimme war ungewohnt tief, rau, gefährlich. Jelena erstarrte, als ich sie ansah und sah mich mit großen Augen an. Ihr Gesicht leuchtete in einem dunklen Rotton. Und nein, sie ist nicht rot geworden, sondern wurde angestrahlt, wie von einem Auto. "Jelena!" rief ich. Sie schüttelte sich kurz und stürmte aus dem Zimmer. Als ich selbst Anstalten machte, das Zimmer zu verlassen erhaschte ich einen Blick in den großen Wandspiegel und blieb stehen. Ich sah furchterregend aus. Das Leuchten in Jelenas Gesicht stammte von meinen Augen, die in einem dunklen Rot strahlten. Nicht so ekelhaft blutig wie bei Twilight, mehr ein richtig dunkles schwarzrot. Lange Reiszähne waren ausgefahren, selbst die Nicht-eckzähne waren spitz. Meine Hörner waren aufgestellt, sie und mein Teufelsschwanz schimmerten schwarz-rot. Eine mir unbekannte Dunkelheit umgab mich. Keine gefährliche, mehr eine schützende. Als ich die Hand hob, um mein Spiegelbild zu berühren, fielen mir die Klauen auf, zu denen sich meine Nägel entwickelt haben. Alles in allem sah es zwar echt cool aus, angsteinflößend und so weiter, aber ich hatte fast alles Menschliche in meinem Erscheinungsbild verloren und ich war mir nicht sicher ob mir das gefiel. "Diavar?!" schrie Jelena von irgendwo unten. Ich riss mich von meinem Spiegelbild los, mein Name war schließlich nicht Narcissus, und hastete in die Eingangshalle. Obwohl, das trifft es nicht ganz. Im einen Moment war ich im Schlafzimmer - und im nächsten an der Treppe. Ich sprang übers Geländer und landete gewohnt leichtfüßig auf dem Boden, direkt neben Jelena, die mich wieder mit großen Augen ansah. "Frag nicht." sagte ich mit der immer noch tiefen Stimme, die meine Schwester zusammenzucken lies. Ich wollte sie gerade beruhigen, als ich Schritte vor der Eingangstür hörte. Ich schob Jelena hinter mich und nahm knurrend eine Angriffs-Verteidigungshaltung ein.
    Die Tür flog auf und ich knurrte lauter. Im Eingang stand ein Junge, vielleicht so alt wie ich, mit seltsamer Kleidung und einem arroganten Gesichtsausdruck auf dem Gesicht. In seiner Hand hielt er eine lange Peitsche. Als sein Blick auf mich fiel trat er einen Schritt zurück und hob die Hände. Durch die Peitsche wirkte diese Geste nicht gerade besänftigend wodurch ich noch lauter knurrte und meine Muskeln anspannte. Er seufzte und sah hinter sich. Pfotengeräusche ertönten und ich erblickte Scarok, der in seiner Pantergestalt hinter dem Fremden auftauchte. Es schien ihm gut zu gehen und er schien auch keine Bedrohung in dem Jungen zu sehen. Ich hörte auf zu knurren, behielt aber die abwehrende Haltung bei. Ich würde Jelena und Lil beschützen, koste was es wolle. Auch Scarok machte wieder ein paar Schritte zurück, als er mich sah. Dann legte er den Kopf leicht schräg und fragte: "Dürfen wir reinkommen?" Mein Blick huschte zu dem Fremden, "Schon ok, er ist ein Freund" ertönte Scaroks Stimme. "Wart ihr das im Labyrinth?" fragte ich, meine Stimme war noch immer misstrauisch. Scarok nickte. Ich gab die Abwehrhaltung auf "Habt ihr Hunger?" Ich hatte einen Mordshunger bekommen. Scarok raunte zustimmend und das Gesicht des Fremden erhellte sich merklich. Mit seinen wechselnden Gefühlen benahm er sich wie ein Kleinkind. Genauso arrogant, genauso ängstlich, genauso verfressen. Ich bat die beiden in die Küche und Jelena, die das ganze stumm verfolgt hat, noch einmal nach Lil zu sehen.
    "Hab ich das grad richtig verstanden?" fragte der mir immer noch Fremde und sieht mir neugierig ins Gesicht, "eben knurrst du uns an und jetzt bietet zu uns was zu essen??" "Ja," erwiderte ich knapp und wandte mich an Scarok, "aber zunächst: was brauchen Hexen zur Stärkung?" "Hexen? Hättest du nicht was Leichteres nehmen können?" "Ne, war gerade nicht im Angebot" Er seufzte. "Hexen benötigen ein Kraut namens Wiganius. Dieses muss in das Wasser des Lebens gelegt werden, welches wiederum von der Hexe getrunken wird. Das Problem dabei ist, dass niemand zur Quelle des Lebens und somit auch nicht zum Wasser gelangt." "Niemand?" harke ich nach, wieso brauchen die Hexen dann gerade das?" "Niemand." bestätigte Scarok. Der Fremde räuspert sich, Scarok verdrehte die Augen "...mit Ausnahme der göttlichen" fügte er hinzu. "Göttliche?" frage ich, langsam fühlte ich mich echt verarscht. Der Fremde grinst mich an und verbeugt sich übertrieben altmodisch "Nighma mein Name, Sohn des Gottes Deam, zu euren Diensten" er lacht. Scarok fügt hinzu: "Ich habe vergessen dir zu sagen, dass man zum Traumwandeln eine Erlaubnis des Traumgottes benötigt, das konntest du ja nicht wissen... Ich wollte mich bei Deam entschuldigen, damit er dir das nicht übel nimmt, aber Nighma hatte es schon auf seine Kappe genommen. Und nun wollte er dich unbedingt kennenlernen." "Warum?" wende ich mich an Nighma. "Ich mag dich" grinst er, mein Gott, besitzt der auch noch andere Emotionen, oder ist sein Gesicht mit Botox vollgepumpt, sodass er seine Mimikmuskeln nicht kontrollieren kann? Okeeee...
    Ich sehe mir Nighma genauer an. Er hat einen schmalen, aber durchaus muskulösen Körper, ein jungenhaftes Gesicht mit spitzen Ohren. Das Alter ist schwer zu schätzen. Auf seinen schwarzen verwuschelten Haaren sitzt eine lange Schlafmütze in blau-schwarz mit einem kleinen silbernen Glöckchen an Ende. Seine Kleidung, wie schon erwähnt, merkwürdig. Eine Mischung aus Pyjama und Lederkluft im Rockerstyle. Alles in blau-schwarz gehalten, teilweise mit glitzernden Steinchen, aber auch Nieten und kleine Kettchen. Seine Schuhe erinnern an einen Flaschengeist aus tausendundeine Nacht, auch an ihren Enden, kleine silberne Glöckchen, die bei jedem Schritt fröhlich klimpern. In seiner Hand lag immer noch die Peitsche, sein ganzer Körper wurde mit schwarzem Nebel umwabert, ähnlich wie bei mir vorhin, nur dieser schien sich nicht seinem Körper anzupassen, wie meiner, sondern seinen Befehlen zu gehorchen. Außerdem flog überall seltsamer dunkelblauer Staub umher, welcher bei jeder Bewegung aus ihm selbst zu kommen schien.
    "Was ist denn mit eurer Hexe?" fragte er neugierig und unterbrach damit meine Musterung. "Hat Blut getrunken." murmelte ich und sah auf den Boden. Er nickte und löste sich auf einmal in blau-schwarzen Nebel auf. Scarok nieste und schüttelte sich sein Fell zurecht. "Was ist jetzt mit essen?" fragte er und sah mich erwartungsvoll an. "Lil.." wollte ich beginnen, doch er unterbrach mich "Er besorgt alles, und danach wird er Hunger haben..." ließ er den Satz in der Luft hängen. Ich drehte mich zum Kühlschrank und sah nach, was wir da hatten.

Teufel über NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt