Ich wusste gar nicht, dass meine Küche so groß ist.

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Part 4

Nachdem wir noch eine Kleinigkeit gefrühstückt hatten, rief ich bei der Castingagentur an und sagte der Rolle zu. Die Frau am Telefon gab mir noch die genaue Adresse des Filmgeländes und versprach, mir mein Manuskript per Post zu schicken damit ich es bis zum ersten Drehtag in drei Wochen schon durchgehen konnte. Als ich aufgelegt hatte, räumte Justin gerade das dreckige Geschirr vom Tisch in die Küche und stapelte es neben der Spüle zu einem schiefen Turm.

„Wann kaufst du dir endlich eine Spülmaschine?“, fragte er und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf.

„Wieso sollte ich?“, gab ich zurück und steckte mir eine Zigarette an. „Ich kann ja abspülen. Viel Geschirr brauch ich nicht.“

Justin warf mir einen strengen Blick zu. „Wenn das so ist, wieso tust du es dann nie? Hast du überhaupt noch sauberes Geschirr?!“

Beleidigt verschränkte ich die Arme vor der Brust und blies eine Rauchwolke in sein Gesicht. Justin hustete kurz und schob dann einen Stapel CD´s und halbleere Pizzakartons von vergangenem Monat zur Seite um das kleine Fenster zu öffnen. Als der Rauch abgezogen war, schloss er es wieder und schaute mich wortlos mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Also sorry aber du wohnst hier echt asozial. Alles ist dreckig und man stolpert dauernd über deinen ganzen Kram.“, sagte er und fuhr sich durchs Haar, wie immer wenn er gestresst war oder ihm etwas gar nicht passte.

Ich verzog genervt das Gesicht. „Seit wann bist du denn so spießig?! Früher fandest du meine Wohnung noch okay und jetzt ist es dir auf einmal zu dreckig? Du wirst immer verwöhnter seit du berühmt bist.“

Justin zuckte zurück. Das hatte gesessen. „Lovelyn, ich bin nicht verwöhnt, okay?!“, fuhr er mich an und stürmte aus der Küche. Die Türe knallte zu und kurz darauf hörte ich, wie er in meinem Schlafzimmer verschwand und seine Musik anmachte um sich abzureagieren. Ich ließ mich auf den Boden fallen und rauchte meine Zigarette zu Ende. Justins Musik lief weiter, so laut dass der Bass die Fenster zittern ließ.

Nachdenklich starrte ich an die graue Wand der Küche. „Irgendwie hat ja er Recht…“, sagte ich leise zu mir selbst und stand langsam auf. Ich begann damit, den ganzen Müll in große Plastiksäcke zu stopfen. Nach einer gefühlten Ewigkeit war die Küche komplett ausgeräumt und im Flur lagen fünf große, vollgestopfte Müllsäcke. Auf der Arbeitstheke flogen Staubflusen, der Boden war schlammverkrustet und die Wand und Decke fleckig. Jetzt, wo das Chaos weggeräumt war, sah es ziemlich kahl und traurig aus. Mit einem Besen, den ich im Kühlschrank gefunden hatte, machte ich den Boden sauber und wischte mit einem alten T-Shirt von mir die Arbeitstheke und den Tisch ab. Dann ging ich zu Justin. Ich fand es unnötig, an meiner eigenen Zimmertüre zu klopfen, also machte ich sie einfach langsam einen Spalt auf und lugte hinein.

Justin lag auf dem Bett und starrte auf sein Handy. „Hey, ähm, ich bin schnell einkaufen, okay?“, sagte ich laut um die Musik zu übertönen. Ohne mich anzuschauen, nickte Justin und tippte weiterhin auf seinem Handy. Ich zuckte die Schultern, schlüpfte in meine schwarzen Lederstiefel, schnappte mir die Müllsäcke und schlurfte die Treppe hinunter.

Ich konnte nur zwei davon tragen, deshalb schmiss ich die anderen einfach übers Treppengeländer ins Erdgeschoss. Da das ziemlich schepperte, fühlte sich mein Nachbar wohl gestört, denn prompt flog seine Türe auf und er polterte auf den Gang und starrte mich erbost an. Sein fleckiges Unterhemd spannte über seinem dicken Bauch und schwarze Haare zierten sein Gesicht und seine Brust.

„Ey, Manderos, was soll die Scheiße?!“, grollte er und wischte sich mit dem Arm unter die Nase.

„Ach sei doch ruhig du Penner.“, murmelte ich halblaut.

„Jetzt auch noch frech werden, was?! Komm nur her, du fängst dir gleich eine!“, vor Wut lief sein rundes Gesicht dunkelrot an.

„Fick dich, du Penner.“, zischte ich und schleppte die Müllsäcke die Treppe hinunter.

„Was hast du da gesagt? Alter, hast du n Problem?! Mach das du weg kommst, du dreckiges Miststück!!“, brüllte er und knallte seine Türe zu.

Ich ließ meinen ausgestreckten Mittelfinger sinken und bewegte mich weiter die Treppe hinunter. Draußen hievte ich die Müllsäcke in einen der großen Container und machte mich auf den Weg zum Baumarkt um Wandfarbe, eine Deckenlampe und neues Geschirr zu kaufen.

Mein Geld reichte gerade für ein Set billiger weißer Teller, einem Satz Besteck, einem gelben Lampenschirm und weißer Wandfarbe. Trotzdem war ich zufrieden damit und ging vollbepackt wieder nach Hause. Ich schlich mich in die Küche. Dort war alles unverändert, anscheinend war Justin die ganze Zeit im Schlafzimmer geblieben. Erleichtert stellte ich meine Einkäufe ab und begann, das neue Geschirr einzuräumen.

Im nächsten Moment kam Justin. „Hey Love…“, begann er, doch dann verstummte er und schaute sich ungläubig um. „Wooah, ich bin sprachlos. Was ist denn hier passiert?!“, fragte er schließlich und strich fasziniert über die glänzende Oberfläche der Theke.

Ich wurde rot. „Hmm, na ja, irgendwie hattest du Recht und… es war echt ziemlich dreckig und so…“, stammelte ich und pustete mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Justin grinste. „Ich hab immer Recht. Kann ich dir was helfen?“

Jetzt musste auch ich grinsen. „Klar.“

Justin griff nach der Wandfarbe und half mir, die Wände zu streichen. „Es sieht immer noch so leer aus…“, murmelte ich und musterte die fertigen, weißen Wände.

„Hast du keine Fotos oder so?“, wollte Justin wissen.

Ich schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich.“

„Hmm... Moment mal, ich hab eine Idee!“, rief Jus auf einmal aufgeregt und verschwand im Schlafzimmer. Ich ließ mich auf den Fußboden sinken und musterte meine neue Küche. Kurz darauf kam Justin mit einem schwarzen Edding in der Hand zurück. Verwirrt schaute ich ihn an. Er grinste schelmisch und begann nach kurzem Überlegen zwei Strichmännchen auf die Wand zu zeichnen. Es folgten eine eierförmige Sonne und ein Hase mit Sombrero. Ich grinste und kramte in meinen Schubladen ebenfalls nach einem dicken Filzstift. Als ich fündig geworden war, schrieb ich in großen Buchstaben „Dream like you´ll live forever, live like you´ll die tomorrow“ über die Theke. Ich war gerade beim letzten Buchstaben, als Justin sich von hinten anschlich und mir unerwartet in die Seiten piekste. Erschrocken kiekste ich auf und kicherte, da Justin meine einzig kitzelige Stelle erwischt hatte. In so einem Fall war es echt mies, sich schon ewig zu kennen.

„Ist das dein Lebensmotto, Süße?“, lachte er ohne mich loszulassen. Ich nickte und drückte mit aller Kraft seine Hände weg.

„Ja. Hast du noch ein paar andere Ideen für meine Wand?“

„Klar. Ich kenne ziemlich viele gute Songs auswendig.“, grinste Justin frech und stupste mir auf die Nase.

„Na dann mal los, Mr. Superstar.“, grinste ich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Zeig, was du draufhast. Aber in Schönschrift, bitte.“

Justin begann langsam die erste Strophe von „Never let you go“ neben das kleine Fenster zu schreiben. Vor Konzentration hatte er die Zungenspitze zwischen die Lippen geklemmt und eine angespannte Haltung eingenommen. Nach ein paar Zeilen drehte er sich zu mir um.

„Machts dir Spaß, mich zu beobachten?“

Ich lachte „Klar. Sieht witzig aus, wie du das machst.“

„Mach dich lieber selber mal nützlich, anstatt einen Künstler zu beobachten.“, zwinkerte er.

Ich schnappte mir meinen Stift und malte ein Herz und ein Peace-Zeichen an die Wand. Dann stellte ich mich auf die Küchentheke und schrieb mit verschnörkelten Buchstaben „Never say Never and believe in yourself“ ganz oben an die Wand.

„Schau mal, Bieber.“, grinste ich stolz als ich fertig war.

„He, das ist ja meine Botschaft an die Fans!“, freute er sich und strahlte.

„Der Spruch hat mir echt gefallen.“, antwortete ich lächelnd und widmete mich wieder der Wand. 

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