Overthinking is killing me.

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Part 60

Die ganze Autofahrt über grübelte ich vor mich hin.

Wieso hatte Justin mich „Schatz“ genannt? Und wieso, herrgott nochmal, starrte er mich die ganze Zeit mit so einem seltsamem Blick an? Merkte er etwa nicht, dass ich ihn aus dem Augenwinkel bemerkte? Ohne es zu wollen schweiften meine Gedanken wieder zur Nacht meines Geburtstages zurück. Ich kniff fest die Lippen zusammen und versuchte mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Aber eine kleine, fiese Stimme in meinem Hinterkopf flüsterte mir die ganzen Detailreichen Erinnerungen dieser Nacht zu. Ich wünschte, ich wäre damals mehr betrunken gewesen und würde mich jetzt nicht mehr daran erinnern können. Apropos betrunken. So betrunken war Justin eigentlich auch nicht gewesen. Ich grub tiefer in meinen Erinnerungen. Hatte er nicht nur zwei Bier getrunken bevor Louis aufkreuzte? Aber wieso sollte er mich anlügen?

„Love?“, Justins Stimme riss mich aus meiner Starre.

„Ähm…“, stammelte ich und wurde knallrot, als hätte ich Angst, er könnte meine Gedanken lesen.

„Alles klar, Süße? Wir sind da.“, Justin legte seine Hand auf mein Knie. Ich lief noch röter an. Was war nur los mit mir?! Wieso veranstaltete ich in meinem Kopf wegen einem verfickten Wort so ein Chaos?

„Lovelyn ist verlie-h-iebt!!“, trällerte Mileys Stimme in meinem Kopf.

„Schnauze.“, knurrte ich zu mir selbst.

„Was?“, Justin runzelte die Stirn.

„Nichts, nichts.“, murmelte ich und strich mein Kleid glatt.

Ich schaute aus dem Fenster und erhaschte einen Blick auf das große Kino in dem die Premiere stattfand. Das Kreischen der Fans drang gedämpft zu uns durch. Ich war froh, dass ich den ganzen Trubel schon ein wenig kannte. Dennoch fühlte ich mich unwohl. Der Chauffeur hielt direkt vor dem roten Teppich, stieg aus und öffnete mir die Türe. Panik breitete sich in mir aus. Ich hatte ganz vergessen, mich auf das aus-dem-Auto-steigen vorzubereiten. Schnell zog ich mein Kleid so hin, dass ich meine Beine seitlich aus dem Auto schwingen konnte. Mit hochrotem Kopf und verrutschter Frisur stieg ich aus dem Wagen und stand völlig verloren auf dem roten Teppich. „Fuck.“, murmelte ich und hätte mir im nächsten Moment am liebsten die Hand vor den Mund geschlagen. Jetzt hatten die Fotografen nicht nur ein sehr unelegantes Foto von mir, wie ich aus dem Auto kletterte, sondern auch noch eins, auf dem ich fluchte. Ich wollte einfach weg. Der Abend war gelaufen. Ich wollte nach Hause, mir meine gammlige Jogginghose anziehen und mich mit einer riesen Tafel Nussschokolade vor den Laptop legen und mir eine komplette Staffel „Super Natural“ reinziehen.

„Hee, alles okay. Ganz ruhig, Babe.“, Justin war unbemerkt neben mich getreten, hatte seine Hand auf meine Taille gelegt und flüsterte mir zu: „Lass es uns einfach hinter uns bringen.“

Ich nickte und stakste wie ferngesteuert neben ihm her. Wie in Trance stand ich mit dem Gesicht zur Menge. Justin hatte mich an sich gezogen und lächelte sein Hundertwattgrinsen in die Kameras. Ich weiß, ich hätte mich zusammenreißen und das alles genießen sollen. Aber ich hatte ein echt seltsames Gefühl im Magen. Meine Gedanken fraßen sich immer tiefer in die Bettgeschichte von meinem Geburtstag. Mittlerweile war ich mir fast sicher, dass Justin nicht betrunken gewesen war. Warum hätte er mich aber am nächsten Morgen angelogen und mir etwas vorgespielt?! Was hätte er damit erreichen wollen?

Justin zog mich zu ein paar Reportern die mit ihren Kameramännern hinter einer Absperrung warteten und uns ungeduldig zuwinkten.

Das letzte was ich wollte, war Fragen zu dem dämlichen Film zu beantworten. Im Moment wusste ich nicht mal mehr den Namen meiner Filmfigur.

„Wie ist es für Sie, diesen ganzen Trubel mit den Fans hier zu erleben?“, eine blonde Nachrichtensprecherin hielt mir ihr Mikrofon unter die Nase und strahlte mich an.

Ich hätte etwas sagen können wie „Es ist der Wahnsinn, ich bin unglaublich stolz und gerührt dass so viele Menschen den Film lieben und unterstützen.“

Oder „Für uns Schauspieler ist es wunderschön, zu erleben wie unser Projekt die Menschen bewegt. Dass so viele treue Fans heute Abend hier sind, beweist uns, dass wir unseren Job gut gemacht haben.“

Aber stattdessen gab ich ein „Nicht schlecht.“, von mir. Justin rammte mir wütend seinen Ellbogen in die Seite und gab dann einen tadellosen, auswendiggelernten und absolut unwiderstehlichen Satz von sich in dem er sich für alles bedankte und etwas davon schwafelte, wie viel ihm der Film und die Fans bedeuteten.

„Sag mal spinnst du?!“, fluchte er, als die Reporterin weg war und wir endlich ins Kino gelangt waren. Wir standen im Vorraum, umgeben von Schauspielkollegen, Regisseuren, anderen Promis und übermotivierten Angestellten die mit Tabletts voller Sushi umherwuselten.

„Was ist los?“, er fuhr sich angeregt durchs Haar.

„Ich weiß nicht.“, nuschelte ich und schaute überall hin, nur nicht in sein Gesicht.

Ich rechnete damit, dass er wie immer nachhakte und mich mit Fragen durchbohrte, aber er schwieg.

Also schaute ich nach einer Zeit doch nach oben in sein Gesicht. Besorgt schaute er mir in die Augen.

Ich wollte wegschauen, aber sein Blick hielt mich fest.

„An was denkst du?“, fragte Justin mit ruhiger Stimme.

„An…“, begann ich und hielt inne. Ratlos schaute ich mich um. „Ich überlege gerade, wo Eric sich aufhält. Wollen wir ihn suchen gehen?“ Ich drehte mich um, aber Justin hielt mich am Ellbogen fest. „Lovelyn, rede mit mir.“

Ich wendete mich ihm zu und schaute ihm einen Augenblick fest in die Augen. Hatte er mich wirklich so angelogen? Oder bildete ich mir das alles nur ein?

„Wir reden später.“, sagte ich mit meiner gewohnten Schroffheit. „Lass uns einfach diesen beschissenen Abend überstehen, klar?“

„Weißt du, Love, so beschissen finde ich den Abend eigentlich nicht.“, gab Justin zurück. „Ich hab mich auf die Premierenwoche mit dir gefreut. Es ist Vorweihnachtszeit, wir reisen durch die Gegend, sind jeden Abend woanders. Wir hatten schon lange nicht mehr so viel Zeit nur für uns.“

Endlich schaffte ich es, mich am Riemen zu reißen. „Sorry, Bro.“, ich versuchte ein Lächeln. „War nicht so gemeint. Hast du Lust, nach der Premiere noch in einen Club zu gehen? Alleine, anstatt auf die Aftershow Party zu gehen?“

„Gerne.“, Justin lächelte mich warm an und zog mich kurz aber innig an sich.

„Das hab ich vermisst.“, rutschte mir raus. Grinsend schaute er auf mich runter.

„Ich auch, Kleines, ich auch.“

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