Abschied nehmen

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Ich habe "Never let you go" jetzt "Fall" genannt.

Part 55

Als ich endlich fertig gepackt hatte, schleppte ich mich die Treppe hinunter und setzte mich noch ein Weilchen zu Anna und Ryan Good. Ryan würde Justin und mich ab übermorgen auf der Kinotour begleiten und dafür sorgen, dass wir halbwegs anschaubar auf dem roten Teppich erscheinen würden. Ich war ziemlich froh darüber. Ryan war ein cooler Typ und ich würde ohne ihn ziemlich aufgeschmissen sein. Schließlich konnte ich nicht mal einen gleichmäßigen Lidstrich ziehen.

„Carin wird auch mitfahren, die hilft dann Love ein bisschen.“, sagte Ryan.

„Ach so, ich dachte du schminkst mich!“, lachte ich.

„Spinnst du? Ich krieg vielleicht Justins Haare hin aber ich hab noch nie ein Mädchen geschminkt.“

„Oh.“, sagte ich und kicherte. Dann warf ich einen Blick auf Justin. Er saß mit Elyas auf dem Schoß auf dem Sofa und kuschelte mit ihm. Leise stand ich auf und setzte mich neben ihn. Justin mied meinen Blick.

„Alles klar?“, flüsterte ich. Justin nickte und schüttelte dann gleich darauf den Kopf.

„Scheiße, ich will den Knirps nicht weggeben.“, er klang heiser.

„Ich weiß. Mir fällt es auch schwer. Obwohl ich ihn die letzte Zeit etwas vernachlässigt habe, liebe ich ihn.“, gab ich zu und strich Elyas sanft über den Lockenkopf.

„Er ist wie unser eigener Sohn.“, murmelte Justin und grinste mich schief an.

„Nicht sentimental werden, Bro!“, warnte ich und schniefte.

Wir sollten uns besser zusammenreißen und nicht vor Elyas rumheulen.

„Hast ja recht.“, sagte Justin und setzte ein Lächeln auf.

„Mommy, Daddy, ich hab Hunger.“, brabbelte Elyas und zupfte an meiner Haarsträhne und Justins Shirt. Mit großen Augen starrte Justin mich.

„Hat er… hat er gerade…“, stammelte er völlig von der Rolle.

Ich nickte und lachte kurz auf. Dann schnappte ich mir Elyas und hob ihn auf den Arm. „Mommy und Daddy machen dir was zu Essen. Auf was hast du denn Hunger, Schatz?“

„Spagettiiii!“, jubelte Elyas und zerrte wie verrückt an meiner Kette.

„Yeeah!“, jubelte ich mit und tanzte mit ihm in die Küche.

„He, Daddy, komm mal und hilf mir. Du weißt ich kann nicht kochen!“, rief ich über die Schulter und Justin blieb nichts anderes übrig als mitzumachen und mir hinterherzutrotten.

Schon komisch, dass die letzten Momente mit Elyas die intensivsten waren. Wir konnten ihn gar nicht mehr aus dem Arm geben. Obwohl er inzwischen rumlaufen konnte trugen wir ihn die ganze Zeit. Justin und ich erklärten Elyas so gut es ging, dass er jetzt bei Anna wohnen würde, wir ihn aber so oft es ging besuchen würden und ihn auch mal ein paar Tage zu uns holen würden. Anna ging etwas auf Abstand – ich glaube, sie wollte Justin und mir Elyas ganz die letzten Stunden lassen. Aber die Zeit verflog und nicht lange und Anna legte Justin die Hand auf den Rücken und sagte leise: „Justin, ich muss los. Es tut mir leid.“

Sie umarmte mich fest.

„Bitte pass gut auf meinen Jungen auf.“, bat ich sie und vergrub mein Gesicht an ihrer Schulter.

„Ich schwöre auf mein Leben.“, gab sie zurück. Ich wusste, sie meinte es Ernst.

Justin holte tief Luft und setzte ein breites Lächeln auf.

„Soo, kleiner Mann, jetzt ist es soweit.“, sagte er. „Anna nimmt dich mit zu sich.“

Elyas schaute uns ruhig an.

„Daddy wo gehen Anna und ich hin?“, fragte er und zupfte an Justins Hemd.

„In ein wunderschönes großes Haus nicht weit von hier.“, antwortete Justin und musste sich sichtlich zusammenreißen, nicht die Fassung zu verlieren.

Es war an der Zeit, dass ich einschritt. „Elyaaaas!“, ich stürzte mich auf ihn und kitzelte ihn aus so wie vor ein paar Monaten noch.

„Jetzt machen wir dich fertig, okay?“, ich strahlte ihn an und zog ihm Jacke und Mütze an.

Ryan und Anna verstauten die Koffer im Auto.

„Mein Schatz, wir besuchen dich nächste Woche, okay? An deinem 2. Geburtstag!“, ich machte die Klettverschlüsse seiner kleinen Airmax zu. „Dann machen wir eine super Cupcake Party.“

Elyas lachte mich an. „Au jaa, Cupcakes! Cupcakes sind sooo lecker.“

„Oh ja.“, stimmte ich ihm zu und küsste ihn auf die Wange. „Daddy und ich gehen jetzt auf Kinotour und wenn wir wieder da sind, schauen wir mal vorbei, versprochen.“ Ich schloss meinen Neffen ganz fest in die Arme.

Justin hinter mir streichelte Elyas über den Arm. „Kleiner, ich freu mich schon auf deinen Geburtstag. Ich hab schon ein ganz tolles Geschenk für dich. Und dein Weihnachtsgeschenk schicken Mommy und ich dir mit der Post.“

Ich konnte langsam nicht mehr meine Tränen zurückhalten, strengte mich aber an und ließ mir nichts anmerken. Anna saß schon im Auto.

Ich trug Elyas zum Auto und schnallte ihn in seinen Kindersitz. Auf einmal begann er sich zu sträuben. „Mommy! Mommy!“, quengelte er und streckte die Hände nach mir aus.

„Sshh.“, machte ich mit kratziger Stimme und versuchte ihn mit zitternden Händen anzuschnallen.

„Mommy!!“, Elyas begann zu weinen.

Jetzt war es um mich geschehen. Ich begann ebenfalls zu flennen.

Justin trat hinter mich und zog mich fest weg. Dann schnallte er Elyas ab und hob ihn aus dem Auto. Augenblicklich wurde er still.

„Ich glaub, er will was sagen.“, sagte Justin und schaute Elyas kritisch an. Ich zog wie verrückt die Nase hoch.

„Was ist denn los, mein Süßer?“

„Mommy, ich hab dich lieb.“, lächelte Elyas zuckersüß.

Ich zog ihn an mich und küsste ihn auf die Stirn. „Ich hab dich auch lieb, Mäuschen.“

„Daddy!“, rief Elyas nachdem er sich an mich gekuschelt hatte.

Justin lächelte mit feuchten Augen. „Ja?“

„Daddy, ich hab dich lieb.“, Elyas lächelte wieder und streckte die Hände nach Justin aus. Ich überreichte Elyas an Jus und begann wieder zu heulen. Aber dann bremste ich mich. Elyas sollte mich nicht als verheulte hysterische Frau in Erinnerung behalten.

Justin streichelte zärtlich über Elyas Haar und küsste ihn sanft auf die Wange. „Ich hab dich auch lieb. Sooo unglaublich lieb.“

Dann setzte er ihn wieder in seinen Sitz. Diesmal protestierte Elyas nicht mehr. Wir machten die Autotüre zu und Anna fuhr los. Winkend standen wir im Hof, bis das Auto außer Sichtweite war.

Dann nahm Justin mich in den Arm und hielt mich einfach nur fest.

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