Elyas

346 6 0
                                    

Part 21

Als wir zu Hause angekommen waren, kochten wir uns eine Kleinigkeit und verkrümelten uns vor den Fernseher. Ich fühlte mich sicher, hatte keine Ahnung was in der Zwischenzeit passierte.

 „Love, Telefon.“, Justins Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Müde setzte ich mich auf und hielt mir den Hörer ans Ohr. „Ja?“

„Spreche ich mit Lovelyn Manderos? Hier Kriminalpolizei New York, Frank Hampton.“

Erschrocken riss ich die Augen auf. „Äh, ja, was ist los?!“

Verwirrt beobachtete Justin, wie alle Farbe aus meinem Gesicht wich und ich langsam zusammensank. Erschrocken griff er nach meiner Hand.

„Es tut mir Leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihre große Schwester Jennifer Manderos heute bei einem Autounfall verstorben ist…“, die Worte des Polizisten drangen wie gedämpft zu mir durch.

„Aber.. wie…?“, stammelte ich und grub Justin meine Fingernägel in den Arm.

„Ihre Schwester war mit ihrem Ehemann Marc Chillon und ihrem acht Monate altem Sohn Elyas auf dem Heimweg von ihrem Familienurlaub. Im Holland Tunnel wurden sie von einem LKW gerammt. Der Fahrer des Fahrzeuges hatte kurz davor einen Herzinfarkt erlitten und der LKW ist ins Schlingern geraten. Mr. Chillon hatte keine Möglichkeit mehr, das Auto zu stoppen, sie wurden frontal von dem LKW gerammt. Er und Jennifer Manderos verstarben noch am Unfallort. Das Baby, Elyas Manderos, konnte gerettet werden. Er befindet sich momentan auf der Intensivstation für Neugeborene zur Beobachtung…“

Ich schnappte zitternd nach Luft. Mr. Hampton sprach noch weiter, aber ich verstand nichts mehr. Die Worte zogen an mir vorbei. Es fühlte sich an, als wäre eine schwere Stahltüre in meinem Herzen zugefallen. Ich hatte mit Jenny schon seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr gehabt. Ihren Mann hatte ich nur flüchtig kennengelernt, von Elyas hatte ich nicht mal etwas gewusst.

„Lovelyn?“, Justins besorgte Stimme klang langsam zu mir durch. Wie in Zeitlupe drehte ich den Kopf und starrte ihn an. Sanft nahm er mir den Telefonhörer aus der Hand und legte auf.

„Was ist passiert?“, fragte er panisch. Ich zwang mich regelmäßig zu atmen.

„Meine Schwester…“, begann ich.

Weiter kam ich nicht. Ich begann hemmungslos zu heulen.

-vier Tage später-

Justin und ich waren in New York auf Jennifers und Marcs Beerdigung. Hilflos klammerte ich mich an Justins Arm fest und versuchte krampfhaft nicht wieder zu weinen während ich meinen Blick nicht von dem schwarzen, steinernen Grabstein losreißen konnte. Vor dem Gottesdienst waren lauter Freunde meiner Schwester und ihrem Mann zu mir gekommen um mir ihr Beleid zu wünschen. Ich hatte keinen einzigen von ihnen gekannt. Von meiner Familie war niemand gekommen.

„Miss Manderos?“, eine gesenkte Männerstimme drang zu mir durch und ich zuckte unmerklich zusammen. Vor mir stand ein kleiner, dicker Mann mit Glatze und Brille. Ich schaute mich um. Der Pfarrer und die anderen Beerdigungsgäste waren bereits verschwunden.

Nur Justin,  ich und der komische kleine Mann standen noch am Grab meiner Schwester und Marc. „Mein Name ist Frank Hampton, wir haben miteinander telefoniert? Es geht um Elyas, das Kind.“, sagte der Mann.

Justin zog mich enger an sich.

„Was ist mit ihm?“, fragte ich mit zusammengebissenen Zähnen.

„Nun, Sie sind die einzige Verbliebene, daher haben Sie das Sorgerecht für Elyas.“

„Und was ist mit meinen Eltern?!“, rief ich geschockt. Was sollte ich denn bitte mit Jennys Baby?! Ich war achtzehn!

„Bekannte von Jennifer haben uns darüber informiert, dass sie zu ihren Eltern schon seit fünf Jahren den Kontakt abgebrochen hat und sich mit ihnen ziemlich zerstritten hat. Da Ihre Eltern selbst zur Beerdigung nicht erschienen sind, finden wir, dass Elyas bei Ihnen nicht gut aufgehoben wäre. Das Jugendamt beschäftigt sich momentan noch mit der Angelegenheit. Aber Sie sind volljährig und kommen neben Ihren Eltern als Erziehungsberechtigte in Frage.“, fuhr Mr. Hampton geschäftig fort.

Justin warf mir einen fragenden Blick zu. Natürlich wusste ich von dem Konflikt zwischen unseren Eltern und meiner Schwester. Schon vor vielen Jahren hatten sie und ich von unseren Erzeugern abgeschottet. Umso verständlicher war es, dass ich Elyas auf keinen Fall in die Hände dieser Menschen geben wollte. 

FallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt