Life is a rollercoaster

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Part 9

Ich ertrug es nicht länger, hier zu stehen und in Justins glückliches Gesicht zu sehen. Mit zusammengebissenen Zähnen stürmte ich zum Ausgang, rannte den Flur entlang zu Justins Garderobe. Meine Schritte hallten im leeren Gang. In der Garderobe angekommen ließ ich mich auf einen der Sessel fallen und versuchte, gleichmäßig zu atmen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und meine Hände waren schweißnass. Erst als ich mir eine Zigarette angesteckt hatte, beruhigte ich mich wieder halbwegs.

Das Konzert dauerte noch ungefähr zehn Minuten, dann kam Justin verschwitzt und glücklich in die Garderobe. „Hey Love. Wie fandest du es?“, begrüßte er mich atemlos und zog sich wieder seine normalen Klamotten an. Ich antwortete nicht, da ich immer noch ziemlich erschlagen war. „Alles okay? Du siehst total fertig aus. Oh mein Gott, Love, was ist passiert?“, fragte Justin besorgt und ging vor mir in die Hocke.

In diesem Moment wollte ich ihm so sehr die Wahrheit sagen. Ich wollte ihm all die Fragen die mich jahrelang beschäftigt hatten an den Kopf werfen. Ich wollte weinen und mein Gesicht an seiner Schulter vergraben. Meinen Gefühlen freien Lauf lassen. Aber ich wäre nicht Lovelyn Manderos, wenn ich meinem Herzen nachgeben würde. Wie immer igelte ich mich ein und setzte ein gut einstudiertes Lächeln auf. „Nichts. Draußen zwischen den ganzen Menschen ist es total heiß, da bin ich fast umgekippt.“, strahlte ich ihn an und drückte meine vierte Zigarette im Aschenbecher auf dem Tisch aus. Justin warf mir einen prüfenden Blick zu. Mit aller Kraft hielt ich mein Lächeln und schaute zu, wie Justin seine Schuhe zuband. „Mom und Ryan sind essen gegangen und Scooter musste nach Hause.“, erklärte er während er sein Kostüm zurück in den Schrank hing. „Wir haben also bis 22:00 Uhr Zeit, Disneyland auf den Kopf zu stellen.“ „Jippie.“, sagte ich ironisch und hakte mich bei Justin unter, einerseits, weil mir immer noch schwindelig war, andererseits, weil Justin sowas liebte. Er ist total versessen in sein „Gentleman“-Image. Nebeneinander gingen wir durch den Hintereingang nach draußen. Justin erzählte mir begeistert über die tolle Stimmung eben (Hmm, für ihn war es vielleicht toll. Für mich war das gerade wieder ein traumatisches Erlebnis!) und ich hörte ihm stumm zu während wir auf die großen Achterbahnen zugingen.

Wir fuhren so oft Achterbahn, dass ich vor lauter Loopings nicht mehr wusste wo oben und unten war. Justin ging es nicht halb so schlimm. Er macht sowas ständig, und ist abgehärtet. Lachend stützte er mich und führte mich in Richtung Riesenrad. „Oh Gott, so schwindelig war mir schon,  lange nicht mehr.“, stöhnte ich und stolperte. Justins Griff um meinen Arm verstärkte sich. „Los, ich weiß, wie du wieder zu dir kommen kannst.“, grinste er und schubste mich einfach mir nichts dir nichts in einen Wagon des Riesenrades. „Oh mein Gott, nein, Justin.“, beschwerte ich mich und hielt meine Stirn als das Rad begann, sich zu drehen. Justin setzte sich neben mich und schaute gelassen nach unten in die Tiefe. „Wie hoch ist das?! Zwanzig Meter?!“, keuchte ich als ich nach unten schaute. „Jetzt ist mir noch schwindeliger, du Idiot.“ Justin legte seinen Arm um mich, lachte leise und genoss die Aussicht. Nach mir endlos scheinenden zehn Minuten hielt das Rad an und ich wankte aus dem Wagon. „Lass uns irgendwo hinsetzten und chillen.“, schlug ich vor, aber Justin schleifte mich zu einer Wildwasserbahn. Es war eine dieser Sorte, wo man in gelben Schlauchboten durch Wasserstrudel geschleudert wird und künstliche Wasserfälle hinunter rast. Ich konnte mich nicht mehr zusammenreißen – egal wie kitschig Disneyland war, solche Achterbahnen LIEBE ich über alles!

Voller Vorfreude rannte ich zu den Schlauchboten. Justin kam langsam nach und stieg gemütlich ins Boot. Ich hatte schon meine Schwimmweste an, den Sicherheitsgurt befestigt und mein Ruder in der Hand. „Looos, schneller!“, rief ich Justin zu und  machte eine ungeduldige Handbewegung. Justin lachte und schnallte seinen Sicherheitsgurt fest. „Hey, hast du jetzt doch Spaß, du Langweilerin?“ Ich spritzte ihm frech eine Ladung Wasser ins Gesicht. Justin löste die Kette welche das Boot am Steg hielt, winkte dem Sicherheitsmann zu und wir steuerten das Schlauchboot in die richtige Richtung. Die nächsten Minuten verbrachten wir damit, im Kreis zu rudern. Wir kriegten uns nicht mehr ein vor Lachen, denn anscheinend waren wir beide zu blöd, richtig mit Rudern umzugehen. Irgendwann reichte es Justin und er nahm mir mein Ruder weg. Erst als er alleine begann, das Boot zu steuern, funktionierte es und wir trieben langsam geradeaus. Den ersten Wasserstrudel überstanden wir noch einigermaßen gut, aber dann mussten wir beide rudern und kamen wieder nicht vom Fleck. Das Boot trieb ab, Justin und ich riefen wirre  Anweisungen durcheinander, ich musste so kichern dass ich Schluckauf bekam und Justin verlor einmal fast den Halt und wäre fast ins Wasser gefallen wenn ich ihn nicht noch rechtzeitig am Shirt gepackt hätte. Wir hatten eine Menge Spaß, bis der erste Wasserfall kam. Eigentlich waren diese Dinger so gebaut, dass man ohne Weiteres heil hinunterkam. Aber wie gesagt, Justin und ich hatten es nicht so drauf mit unserem Boot und steuerten schon mal ziemlich schräg auf den Wasserfall zu, der fünf Meter hoch und ziemlich steil war. „Oh mein Gott, warte!“, kreischte ich erschrocken als ich rückwärts auf den brausenden Wasserfall zuraste „Dreh ab nach links! Liiinks!!!!“ Justin drehte den Kopf um an mir vorbei nach vorne zu schauen, riss die Augen auf, gluckste vergnügt vor sich hin und versuchte vergeblich das Schlauchboot zu lenken. „Neiiiin!“, quietschte ich panisch als Justin immer weiter nach rechts steuerte. „Liiiinks!!!!“ Ich verdrehte die Augen und wedelte wild mit den Armen. Im selben Moment rammten wir einen künstlichen Felsen, ich verlor das Gleichgewicht und rutschte aus dem Boot, direkt in den Strudel des Wasserfalls. Mit einem schrillen Schreien wurde ich den kleinen Wasserfall runtergeschleudert und landete mit einem lauten PLATSCH im eiskalten Wasser.

Ich tauchte prustend auf und erhaschte einen Blick auf Justin, der das Boot vorsichtig den Wasserfall hinuntersteuerte und sich dabei nicht mehr einkriegte vor Lachen.  Ich konnte nicht stehen, aber meine Schwimmweste hielt mich an der Wasseroberfläche. Ich bekam am ganzen Körper Gänsehaut und schnatterte vor Kälte. Justin , der immer noch unter einem heftigen Lachflash litt, reichte mir seine Hand als er nah genug bei mir war. Ich ergriff sie und er zog mich immer noch lachend ins Boot. Meine Zähne schlugen vor Kälte aufeinander, schließlich war bereits November und eindeutig zu kalt für ein Bad im Freien. „Du… bist s-so blö-ö-öd.“, presste ich hervor, grinste Justin aber mit blauen Lippen an. „Mir ist a-arschka-lt.“ Justin hatte sich halbwegs abgeregt und zog seine Jacke aus während ich mich meiner klatschnassen Schwimmweste entledigte. Mit einem süßen Lächeln (hab ich gerade süß gesagt? Fuck, irgendwas läuft gerade gewaltig schief mit mir… Hoffentlich werde ich nicht krank oder so.) hängte er mir seine Jacke über die Schultern und zog sie fest zu damit mir auch ja nicht kalt wurde. „Danke.“, murmelte ich (Danke?! Oh Gott, ich werde wirklich krank.) und beobachtete wie Justin mit einem schelmischen Grinsen das Boot zurück zum Bootssteg steuerte. 

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