29. Kapitel

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Als wir ankamen, erwartete meine Mom uns schon. Sie stand gerade in der Küche und kochte irgendetwas, was allerdings leicht angebrannt roch. Damon ging ein Stück hinter mir und blieb im Türrahmen stehen, während ich kurz zu Mom ging und ihr eigentlich einen Guten-Morgen-Kuss geben wollte. Doch sie drehte sich zu mir um, sobald ich ins Zimmer kam. „Wo warst du?“, fragte sie mich, äußerlich ruhig, doch ich kannte sie und wusste dass da ein ziemlicher Sturm auf mich zu kam.

„Ich weiß, ich hätte dir sagen sollen, dass wir weg gehen, aber...“, begann ich, aber sie ließ mich nicht ausreden: „Wo du warst, will ich wissen.“

„Am Strand. Mit Damon.“

Da sah sie Damon genauer an und schien für sich selbst eine Entscheidung zu treffen,

aber vorher wollte ich ihr noch etwas sagen.

„Ich weiß, ich hätte dir Bescheid sagen sollen, und das tut mir auch echt leid.“, sagte ich und schaute sie dabei etwas zerknirscht an. „Aber Dam war ja bei mir und da dachte ich, es wäre bestimmt nicht so schlimm, wenn wir zusammen mal kurz an den Strand gehen.“

„Du kennst die Regeln hier, Marie-Louis.“, sagte sie dennoch kalt und sah mir weiter in die Augen. „Ich habe nichts dagegen, wenn ihr kurz an den Strand geht, aber ich will immer wissen, wo du hin gehst, wenn du das Haus verlässt. Mehr nicht. Du weißt dass ich das nur aus Sorge um dich mache, aber Strafe muss sein. Das habe ich dir auch schon gesagt, als du das das letzte mal gemacht hast.“ Ich wusste was jetzt kam und versuchte noch zu protestieren, doch sie ließ sich nicht beirren und sagte kopfschüttelnd: „Nein, du weißt, dass das die einzige, aber auch oberste Regel ist. Du hast jetzt 2 Tage Hausarrest.“

Aus Damons Richtung hörte ich ein abfälliges Schnauben und in meinem Kopf seine Stimme, die sagte: Siehst du. Wir sollten von hier weg gehen. Sie ist eine Last.

Ich wusste nicht, wem ich als erstes antworten sollte, also sagte ich einfach „Nein, tu mir das nicht an!“ und hoffte das beide mich verstanden. Ich drehte mich um und sah gerade noch, wie Damon einfach nur den Kopf schüttelte, während meine Mom sagte: „Es ist nötig, Marie. Anders dringe ich doch gar nicht mehr zu dir durch...“ Doch ich ging einfach weiter und ließ alle beide in der Küche stehen. Ich machte erst halt, als ich in meinem Zimmer ankam und mich dort mit dem Gesicht voran auf mein Bett fallen ließ. Ich vergrub meinen Kopf unter Kissen und Decken und wollte nichts mehr hören und sehen. Wie konnten sie mir nur alle beide so in den Rücken fallen?! Sicher saßen sie jetzt unten und beglückwünschten sich gegenseitig... Bei meiner Mom verstand ich es ja beinahe noch, sie hatte schließlich recht: Ich sollte ihr immer sagen, wo ich hin ging, das war die Regel und ich kannte sie genau. Aber Damon! Er wusste, wie viel mir meine Freunde und meine Familie bedeutenden und jetzt sollte ich mich einfach von dem einen Teil trennen? Ich dachte ja gar nicht daran.

Plötzlich spürte ich, wie sich meine Matratze auf der einen Seite noch mehr senkte und ich wusste, dass Damon neben mir saß.

„Geh weg.“, sagte ich dumpf durch die Decken hindurch.

„Nein.“, antwortete er mir einfach und begann die Kissen über mir wegzuräumen. Als er mir meine letzte Decke wegnehmen wollte, weigerte ich mich allerdings und hielt sie mit aller Kraft fest. „Sieh mich an, Engel.“, versuchte er mich da unter ihr hervor zu locken.

Ich gab nach und ließ ihn die Decke langsam wegziehen.

„Was willst du, Damon? Ich werde Mom nicht verlassen, egal, was du sagst.“, stellte ich fest, ehe er auch nur ein weiteres Wort sagen konnte.

Damon sah mich genau an und in seinem Gesicht erkannte ich, dass er das wusste.

„Ich hab dir nie etwas von meiner Mutter erzählt, oder?“, fragte er mich und ich wollte gerade fragen, was das jetzt mit meiner Situation zu tun hatte, als er mit einem Blick, der weit in die Vergangenheit hinein zureichen schien, weiter sprach. „Ich war glaube ich gerade einmal fünf Jahre alt, als sie starb. Stefan war drei. Ich kann mich kaum noch an sie erinnern, aber ich weiß noch, wie es nach ihrem Tod war: Vater ließ uns von etlichen Hauslehrern und Dienstmädchen betreuen, doch sie blieben alle höchstens drei Monate oder so. Unser Vater überließ uns, abgesehen davon und ein oder zwei Abenden in der Woche, bei denen wir auch nur steif am Dinner-Tisch saßen, vollkommen uns selbst. Ich habe nie eine stabile Familie gehabt. Allein Stefan war für mich da. Wir hielten immer zusammen, aber jetzt.... Naja, was ich eigentlich sagen wollte: Ich hatte nie so eine Familie, wie du Engel, in der man sich umeinander sorgte und aufeinander achtete. Ich kenne es einfach nicht gut behütet zu werden, wie du.“

Währenddessen er geredet hatte, hatte er meine Hände genommen und sie mit seinen festgehalten. Ich verstand jetzt auch, worauf er hinaus wollte: „Du weißt einfach nicht, wie es ist wenn man zu jemandem gehört, richtig? Wenn man mit jemanden verbunden ist, durch die Familie. Du hattest immer nur Stefan. Und er ist jetzt auch nicht mehr so für dich da.“, sagte ich.

„Ja,“, stimmte er mir zu. „Aber das mit Stefan ist etwas anderes. Das war selbst gewählt. Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben.“

„Deswegen verstehst du nicht, wieso ich sie nicht einfach allein lassen könnte...“

Damon nickte nur.

Da verstand ich mit einem mal, wie schwierig das alles wirklich war. Er wollte das ich frei war und mit ihm überall hin gehen konnte, wann immer wir es wollte. Er wollte nie von jemandem abhängig sein. Seufzend ließ ich mich in Damons Arme fallen, die er mir bereitwillig öffnete.

Er hielt mich fest, während ich sagte: „Ok, ich …verzeihe dir. Du bist wie du bist und da kann ich auch nichts dagegen tun, dass du lieber frei von allen Bindungen wärst. Aber ich werde meine Mom die nächsten zwei Jahre nicht verlassen...“

„Oder überhaupt die nächsten zwei Tage.“, unterbrach Damon mich mit einem finsteren Blick. „Ach, schau nicht so! Es ist nicht so schlimm, mal zwei Tage im Haus zu bleiben.“, versuchte ich ihn aufzuheitern.

„Ist das dein Ernst?! Was willst du hier denn machen in dieser... dieser Sardinen-Büchse?“

„Oh, in diese Geheimnisse würde ich dich nur zu gern einweihen...“

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