30. Kapitel

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Am nächsten Tag wachte ich sehr früh auf, aber ich wachte allein auf. Gerade, als ich aufstehen wollte, um zu sehen, wo Damon war, da kam er ins Zimmer.Er trug bis auf seine Schlafanzug-Hose nichts und so sah man seinen Körper in seiner ganzen Schönheit. Ich sah ihn verträumt an, während er mir ein Glas voller Blut reichte. Ich stürzte es in einem Zug hinunter und sah gerade noch, wie Damon angewidert das Gesicht verzog, während er auch einen Schluck aus seinem Glas nahm. „Was ist los?", fragte ich ihn.

„Ich kann dieses Zeug nicht mehr sehen, Engel... Es ist so widerlich kalt. Wir sollten raus gehen und uns ein paar willige Opfer suchen..."

„Damon, ich habe dir gesagt, dass ich niemandem weh tun will! Und das hat sich nicht geändert.", sagte ich und sah ihn, meine Stirn runzelnd, an.

„Ich rede doch gar nicht von töten oder ähnlichem! Erinnere dich an damals, als ich dich gebissen habe. Hat das etwa weh getan?", fragte Damon mich und ich dachte darüber nach und musste widerstrebend zugeben, dass es wirklich nicht unangenehm gewesen war, sondern sogar im Gegenteil wirklich toll gewesen war... „Aber ich würde sicher die Kontrolle verlieren und dann doch zu viel nehmen und sie umbringen!"

„Nein, Marie. Ich kann dafür sorgen, dass es Spaß macht! Ich kann es dich lehren! Sei nicht so, wie mein idiotischer Bruder, der beim kleinsten Tropfen menschlichen Blutes auf seiner Zunge zum Ripper wird...", versuchte er mich zu überzeugen.

„Na schön, ich überlege es mir, ok? Aber wo du gerade von lehren sprichst... Zuerst bin ich damit dran, dir etwas beizubringen!", sagte ich und stand endlich auf, um zu kontrollieren, dass Mom weg war und wir viel Zeit hatten, bis sie wieder kam.

Ich sah auf meine Uhr: Acht Stunden... Sehr gut.

Nachdem wir und umgezogen hatten (ich hatte schon mal meinen Bikini darunter gezogen, falls wir wieder schwimmen gehen wollten) gingen wir zuerst ins Wohnzimmer und dort ließ ich Damon schon mal ein paar DVD's erscheinen lassen. Er hatte die freie Wahl, was immer er wollte, würden wir uns Ansehen.

Ich ging derweil ein paar Flaschen aus dem Keller holen...

Als ich wieder ins Zimmer kam, sah Damon mich im ersten Moment erstaunt an. „Du trinkst?", fragte er mich ungläubig und ich antwortete ihm mit einem Zwinkern: „Ja, aber nur manchmal, wenn ich den Rausch richtig spüren will und mich vollkommen fallen lassen kann." „So langsam wirst du immer mehr wie ich... Komm her! Ist Legion in Ordnung?" Ich sah mir das Cover der DVD an, die er schon in den Player eingelegt hatte, auf dem ein junger Mann mit freiem Oberkörper abgebildet war, der Flügel hatte, die schwarz wie die Nacht waren.

„Ja, klar. Klingt gut.", sagte ich und ließ mich neben Damon fallen, der schon die Fernbedienung in der Hand hielt und auf Play drückte, sobald ich uns beiden Whisky eingeschenkt hatte und gemütlich neben ihm saß.

Nach zehn Minuten war mir klar, dass der Film letztendlich doch nur Mittelklasse und dazu noch ziemlich brutal war, doch ich ließ Damon die Freunde, denn ihm schien er wirklich gut zu gefallen. Derweil schenkte ich mir immer mehr von dem Whisky nach. Früher hatte er mir nie geschmeckt, er war viel zu bitter gewesen, doch jetzt mochte ich es, wie mir die Flüssigkeit brennend meine Kehle hinunter lief... Ich war schon ziemlich angetrunken, als im Film plötzlich eine Szene war, in der einer der Engel seine Flügel vollkommen ausbreitete. Man sah die ganze Zeit über nur seinen Rücken und wie sich die Schwingen einfach, wie Muskeln, aus seinem Rücken heraus lösten. Das musste doch weh tun, dachte ich. Auch wenn die Flügel einem die ganze Zeit so im Rücken steckten. Es musste sich anfühlen wie... mein Rücken.

Seit ich mich in einen Vampir verwandelt hatte, hatte ich diese Schmerzen im Rücken, doch ich hatte sie einfach nicht groß beachtet, da sie nicht so schlimm gewesen waren... Doch sie waren seit gestern, als wir zum ersten Mal im Meer mit unseren Flossen geschwommen waren, noch stärker geworden und ich konnte sie plötzlich nicht mehr ignorieren.Was war das in meinem Rücken?

Ich rückte von Damon ab, an dem ich gelehnt hatte. „Kannst du dir bitte mal meinen Rücken ansehen? Ist da irgendwas?", fragte ich ihn, während ich mir hinten schon mein T-Shirt hochzog. Seine Hände fühlten über meinen gesamte Rücken und ich spürte dadurch auch, was er meinte, als er sagte: „Ja, da sind zwei Beulen etwa in der Mitte... Was hast du gemacht, bist du hingefallen, oder so?" „Nein, nichts dergleichen."

Damon betastete noch immer meinen Rücken, als ich es plötzlich fühlte: Ich konnte diese Beilen leicht bewegen! Ich schloss die Augen, um mich vollkommen darauf zu konzentrieren. Es tat immer mehr weh...

Plötzlich wusste ich, dass ich hier raus musste und ich rannte in Vampir-Geschwindigkeit zur Tür. Ich stieß sie auf und fiel regelrecht in den kleinen Garten hinter unserem Haus. Da ließ ich den Schmerz, der mich so hatte zusammenbrechen lassen, dass ich auf meinen Knien lag, einfach los. Ich schrie ihn heraus.

Und plötzlich... war er weg. Der Schmerz hatte so schnell wieder aufgehört, wie er gekommen war und ich konnte endlich wieder frei atmen. Und ich fühlte etwas auf meinem Rücken. Etwas schweres. Aber es zog mich nicht nach hinten runter, sondern lag nur schwer auf meiner Haut, wie ich dann begriff.

Hinter mir stand jetzt Damon. Ich konnte ihn spüren.

„Ich habe dich immer Engel genannt. Aber ich wusste nicht, wie wahr das war.", flüsterte er fast nicht hörbar. Ich wand mich zu ihm, um zusehen,wie er das meinte, aber noch während ich mich umdrehte, sah ich es.

Für mich war es nur ein großer, dunkler Streifen, aber Damon konnte mich im gesamten sehen. „Schnell, ein Spiegel!", flüsterte ich atemlos.

Während Damon auf mich zu kam, sah ich das grelle Leuchten in seinen Händen und eine Sekunde später, hielt er einen riesigen Wandspiegel fest. Er drehte ihn mit der spiegelnden Oberfläche zu mir, doch ich begriff nicht, was ich darin sah: Im Hintergrund war unser Garten, den ich auch erkannte, aber in ihm saß ein junges Mädchen. Mit endlos langen blonden Haaren. Und riesigen schwarzen Flügeln.

Ich begriff es einfach nicht: Das konnte ich nicht sein, auch wenn ich in Wirklichkeit vor dem Spiegel saß! Ich konnte keine Flügel haben!

Doch ich spürte sie auf meinem Rücken, ich spürte die Flügel selbst bis in die Spitzen und ich bewegte sie mit mir bewussten Muskeln, von denen ich aber vor zehn Minuten noch nicht einmal gewusst habe, dass es sie überhaupt gab! Sie bewegten sich nur leicht vor und zurück, doch allein dadurch entstand ein heftiger Windzug. Aber dennoch hob ich nicht ab, aber die Schwerkraft ließ etwas nach und ich fühlte mich leichter...

„Probiere es aus!", sagte Damon zu mir und ich sah ihn daraufhin an. „Aber ich weiß doch gar nicht so richtig, wie...", setzte ich zu einer Antwort an, aber da spürte ich, das ich log. Ich wusste genau, wie ich meine Flügel bewegen musste, damit ich abhob. Die Wahrheit war, dass ich Angst hatte.

„Ich werde mit dir kommen.", sagte Damon da, als wüsste er, was mich zurück hielt, doch gerade als ich ihn fragen wollte, wie er das machen wollte, sah ich schon, wie er sich in eine prächtige schwarze Krähe verwandelte. Vor Verwunderung klappte mir der Mund auf und ich fragte ihn telepathisch Ich dachte du könntest dich nicht verwandeln! Das ging doch immer nur in den Büchern, und die sind doch angeblich falsch!

Der Vogel krähte mich fast spöttisch an, stieß sich vom Boden in die Luft ab und ich hörte Damons Antwort in meinem Kopf: Ein paar Geheimnisse, damit ich dich überraschen kann, musst du mir schon lassen. Und jetzt komm! Folge mir!

Also stand ich auf und ließ den leichten Wind, der wehte, meine Flügel durchstreifen.

Ich holte nochmal tief Luft und ließ dann meine Schwingen immer stärker schlagen, bis ich spürte, dass mich die Schwerkraft nicht mehr unter ihrer Kontrolle hatte und dann stieß ich mich mit einem kräftigen Sprung ab.

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