36. Kapitel

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Als wir endlich wieder zu Hause ankamen, war es etwa neun Uhr und ich war echt fertig, doch Damon ließ mich nicht ausruhen: Zuerst sollte ich meine Mom wieder manipulieren, damit sie dem neuen Haus zustimmte und wir so schnell wie möglich anfangen konnten alles in Kisten zu packen und ein Umzugsunternehmen zu engagieren.

Sie machte gerade unten in der Küche Frühstück. Ach stimmt ja, dachte ich, heute ist doch Sonntag, da frühstückten wir doch eigentlich zusammen! Ich schickte Damon schon mal hoch in mein Zimmer, ich wollte mit Mom ein wenig alleine sein... Ich sagte ihr mit einem kleinen Küsschen Guten Morgen, und ließ mich dann auf einen der Stühle fallen, die um den Tisch standen, den Mom schon gedeckt hatte. Es gab verschiedene Belege für die Brötchen, die sie gestern mit aus ihrer Bäckerei gebracht hatte, bei der sie in der Innenstadt als Verkäuferin arbeite. Daneben standen verschiedene Marmeladen, gekochte Eier und sie hatte sogar extra für mich Waffeln gemacht. Die waren mit extra viel Schokolade, genau wie ich sie eigentlich mochte, nur schade, dass ich nichts davon essen würde. Ich hatte ein leichtes Brennen im Hals, was mich daran erinnerte, dass wir schon seit fast drei Tagen nichts mehr getrunken hatten und wir unbedingt noch heute Jagen gehen mussten...

Ich nahm mir trotzdem eine von den Waffeln und ließ es wenigstens so aussehen, als würde ich etwas essen: Ich nahm einen Bissen, schob die Waffel ein wenig auf meinem Teller herum, nahm einen kleinen Schluck von meinem Orangensaft, nahm wieder einen kleinen Bissen.... und so weiter. Mom fragte mich während des Essens sowieso mehr über die Schule und meine Freunde aus, so dass sie es gar nicht merkte, dass ich kaum etwas aß und ihr so sowieso viel besser erzählen konnte. Sie wollte alles wissen, schließlich hatten wir abgesehen von Hallo! und Tschüss! in der ganzen Woche nicht viel geredet.

Schließlich fiel mir nichts mehr ein, dass ich ihr hätte erzählen können, also beendete ich in Gedanken mit einem Seufzen unser gemütliches Frühstück und manipulierte sie wieder: „Damon und ich haben eine Menge Geld bekommen. Davon hat er mir auch den Audi gekauft. Er und ich möchten, dass wir in ein anderes Haus umziehen. Wir haben schon alles vorbereitet, du musst nur noch Ja sagen und dann kann es losgehen. Du musst dir ab jetzt keine Sorgen mehr über irgendwelche Geldfragen machen...“, sobald ich geendet hatte, zog ich meinen Geist zurück und überließ sie sich selbst. Sie kam langsam wieder zu sich und sah mich dann strahlend an: „Ein neues, schönes Haus? Aber natürlich! Das wünsche ich mir schon so lange!“ Und ich wusste, dass das wirklich ihre eigene, ehrliche Meinung war, schließlich hatte ich ihr nicht eingegeben, dass sie sich auch darüber freuen musste oder so. Ich war froh, auch wenn des schlechte Gewissen auf mir lastete. Ich wollte sie nicht zu einer willenlosen Marionette in meinen Händen machen. Aber ich sah auch keine andere Möglichkeit, wie ich ihr das sonst alles geben konnte: Das neue Haus, ein Leben im Wohlstand, keine Geldsorgen mehr.

Wenigsten daran wollte ich sie teilhaben lassen. Mich würde sie schließlich noch früh genug verlieren. Nämlich dann, wenn alle merkten, dass ich keinen Tag älter geworden war, seit meiner Verwandlung und ich für immer aus ihrer Umgebung verschwinden müsste. Es würde noch ein paar Jahre dauern, aber trotzdem wurde ich jetzt schon traurig bei dem Gedanken daran. Doch ich schob den Gedanken beiseite, denn Mom fragte mich schon über das Haus aus, wo es war, wann wir hin ziehen konnten und so weiter. Ich beantwortete ihr alles bereitwillig, während wir den Esstisch abräumten. Als wir damit fertig waren, sah Mom mich noch immer lächelnd an. „Das habe ich mir immer gewünscht.“, sagte sie. „Aber wie soll das funktionieren, ich kann mir nicht so einfach frei nehmen...“ Bevor sie sich zu viele Gedanken machen konnte, ging ich dazwischen: „Das ist kein Problem. Du könntest mir doch eine Schulbefreiung schreiben und dann könnten Damon und ich schon alles einpacken. Und heute kannst du ja auch noch mit helfen. Oder wir fahren heute erst mal ins Möbelhaus und suchen ein paar neue Möbel aus, dafür ist auch noch mehr als genug Geld da...“, ich hätte noch ewig so weiter reden können, doch da unterbrach sie mich: „Nein, das mit der Entschuldigung wird nicht, du darfst schließlich nicht deinen Schulstoff verpassen! Und was ist eigentlich mit deinem Freund? Hat er keine Eltern, bei denen er normaler Weise leben sollte? Er kann doch nicht so einfach mit zu uns ziehen.“ Ich weiß, dass ist egoistisch, doch ich musste sie einfach wieder manipulieren, so war es einfach am einfachsten und sie machte sich keine unnötigen Sorgen... Ich drang in ihren Geist ein und sagte: „Oh doch, du wirst mir eine Befreiung schreiben. Den Schulstoff hole ich ganz leicht wieder auf, damit hatte ich doch noch nie Probleme, oder hast du schon mal eine schlechte Zensur bei mir gesehen?“ Wie in Trance antwortete sie mir mit „Nein.“, also überließ ich sie sich wieder selbst und zog meinen Geist zurück. Es fiel mir trotz allem immer leichter, auch weil ich mich in letzter Zeit nur noch von frischen Blut ernährte. Mom schüttelte derweil kurz und verwirrt ihren Kopf und kam dann aber wieder auf ihr ursprüngliches Thema zurück: „Na schön ich gebe dir die paar Tage frei, aber was ist den nun mit deinem Freund?“ Ach ja, das hatte ich ganz vergessen! Ich sagte ihr einfach die Wahrheit: „Seine Eltern sind schon seit langem tot. Außerdem ist er achtzehn und kann selbst für sich entscheiden. Ich möchte, dass er bei mir ist und er mag es auch nicht, wenn ich nicht bei ihm bin. Des weiteren ist das Geld schließlich irgendwie von ihm und das Haus ist groß genug: Wir haben eine eigene Etage für uns und du wirst kaum merken, dass einer mehr mit im Haus lebt...“ „Seine Eltern sind tot?“, hakte sie noch einmal mit gerunzelter Stirn nach und ich nickte nur schweigend. „Oh,... der arme Junge...“ Das schien ihr sehr nahe zu gehen, schließlich waren auch ihre Eltern, meine Großeltern, die ich über alles geliebt hatte, nun schon seit ein paar Jahren nicht mehr unter uns. Deswegen waren wir damals nach Amerika gegangen: Alles um uns hatte uns viel zu sehr an sie erinnert und mir kamen jetzt noch die Tränen, wenn ich an unser ursprüngliches zu Hause dachte und an meine Großeltern... Mir traten wieder Tränen in die Augen und Mom nahm mich einfach wortlos in die Arme. Das tat gut. Nach ein paar Minuten wand ich mich aber ab. „Ich... ich denke ich geh jetzt lieber hoch. Damon wartet sicher schon auf mich.“ „Ja, natürlich, geh nur.“, sagte Mom darauf und ließ mich los. Ich spürte ihren Blick noch im Rücken, als ich die Treppe in mein Zimmer hoch ging.

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