Prolog

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„Ana, es tut mir leid. Es ist dir und mir gegenüber nicht fair, diese Farce weiterzuführen."

Entsetzt sehe ich Christian an. Ich habe seine kleine Rede gehört, aber mein Kopf weigert sich, die Worte zu begreifen. Etwa eine halbe Stunde hat er leise und ernst mit mir gesprochen, so offen wie noch nie. Mit jedem Wort, das er gesagt hat, wurde mir kälter.

„Ana?"

Er kommt langsam auf mich zu und ich weiß auf einmal, dass es nicht sein kann. Er lügt. Er muss lügen. Das ist ein Scherz. Ein perfider, grausamer Scherz auf meine Kosten.

„Ana?", fragt besorgt, weil ich immer noch wie versteinert dasitze und versuche, meine rasenden Gedanken einzuholen, die mich irgendwie zurück gelassen haben.

„Hast du mich verstanden? Ich werde mich von dir trennen", sagt er. Keinerlei Emotion sind in seinem Gesicht, nicht mal Besorgnis.

Ich nicke mechanisch, ich habe es gehört, nur verstehen kann ich es nicht. Ray ist gerade erst aus dem Koma erwacht, wir sind wieder hier in Seattle und mein Vater ist in der Reha. Alles war gut, noch gestern!

„Warum?", frage ich, meine Stimme zittert und das Wort kommt leise und rau heraus.

„Ana, wie ich dir eben erklärt habe, ich vermisse bestimmte Dinge, die mich ausmachen. Meinen Lebensstil, meine Subs, meine Freiheit. Es war nett, eine Abwechslung, aber wir hätten nie heiraten dürfen", er spricht zu mir, wie zu einem kleinen Kind.

Ich kann es einfach nicht verstehen... nicht begreifen. Mein Geburtstag, seine liebevollen Gesten, das neue Auto, seine Sorge um Ray, das alles ist erst ein paar Stunden her.

„Wieso das Theater die letzten Tage?", meine Stimme gehorcht mir nicht wirklich.

„Ach Ana, ich wollte dich nicht im Stich lassen, aber Ray ist jetzt außer Gefahr. Natürlich hast du genug Zeit, dir eine neue Wohnung zu suchen. Ich werde gut für dich sorgen und auch für Ray, aber ich denke, es ist besser, wenn ich ins Gästezimmer ziehe, bis du etwas Neues hast." Christians Gesicht ist ohne Emotion, seine Augen wirken zwar besorgt, aber er scheint es wirklich so zu meinen.

„Nein, ich gehe", murmle ich und stehe auf. Ich fühle mich seltsam, aber wenn er mich nicht mehr will, werde ich ihm meine Anwesenheit nicht aufzwingen.

„Ana, es tut mir leid."

Ich hatte es irgendwie geahnt, ich war nicht gut für ihn. Doch ist es jetzt, nach der Hochzeit, wie ein Schlag ins Gesicht.

„Ana, es ist spät, bitte bleib heute Nacht noch hier. Wir suchen dir eine Wohnung und deine Stellung bei SIP bleibt selbstverständlich unberührt von unserer Trennung."

Ohne ein Wort gehe ich ins Schlafzimmer und er folgt mir nicht. Wenn ich noch eine Spur von Hoffnung hatte, ist sie mit seinem reglosen Verharren im Wohnzimmer bei meinem Rückzug verpufft.

Wenn er mich nicht mehr will, wenn er uns nicht mehr will, gehe ich besser sofort. Bevor ich es wirklich begreife. Bevor der Schmerz mein Herz erreicht.

50 Shades of RegretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt