Tag 22

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Ray und Kate waren bei mir, und sogar kurz Elliot, der mich nur grimmig gemustert hat. Ich konnte noch niemanden erzählen, was mir der Arzt mitgeteilt hat. Ich habe eh kein Wort heraus bekommen, die Nachricht über meine Schwangerschaft hat mich total überfordert.

Ich weiß nicht, was ich tun soll. Dr. Andrews hat mir eine Gynäkologin empfohlen, die im Krankenhaus arbeitet und heute die erste Schwangerschaftsvorsorge machen wird, und einen Psychologen, um über meine – wie er es nannte – Möglichkeiten zu sprechen.

Er meinte eine Abtreibung und ich lag die ganze Nacht wach und habe aus dem Fenster in die Dunkelheit gestarrt. Dieses Kind ist ein Teil von mir und ein Teil von dem Mann, den ich trotz allem liebe.

Ich werde dieses Kind nicht töten. Es gehört mir. Mein Teil von Christian, den er mir nicht wegnehmen kann. Mein Teil von Christian, der mich lieben wird. Diese Erkenntnis ist schmerzlich und erschreckt mich. Egal, was er mir antut, ich liebe ihn immer noch. Und ich werde es immer tun. Ihn nicht zu lieben ist mir unmöglich, genauso gut könnte ich versuchen, nicht zu atmen. Er besitzt mich vollkommen.

Elliot und Kate sind gestern Nacht noch zurück nach Seattle gefahren, aber sie will morgen wieder kommen. Ich habe einen Tag, um mir alles zu überlegen, bevor ich mich Kates Inquisition stellen muss. Wenn ich ihr von dem Baby erzähle, erfährt es Elliot und beim momentanen Stand der Dinge, früher oder später, Christian. Das ist keine Option, aber ich kann dieses Kind auch nicht dauerhaft geheim halten. Nicht hier in Portland oder irgendwo, wo man weiß, wer ich bin. Ich werde wegziehen müssen, ziemlich weit weg.

Und ich werde sicher stellen müssen, dass Christian es nicht erfährt. Es würde ihm nicht nur Kontrolle über mein Leben einräumen, sondern ihm Zugang zu mir gewähren, wenn er es will. Und das würde ich nicht ertragen. Ihn und seine neue Sub oder Freundin zu sehen, wenn er sein Kind besucht, oder mein Kind einer fremden Frau zu überlassen, die er mir vorzieht.

Kurz muss ich an Grace und Carrick denken, schiebe aber diesen Gedanken weit von mir. Es ist mein Kind. Mein kleines Wunder. Es mag ihr erstes Enkelkind sein, aber ich kann es ihnen nicht sagen.

Ich muss mich und mein Baby schützen! Wie von selbst wandert meine Hand zu meinem Bauch. Ich liebe es jetzt schon und diese Liebe erfüllt mich und drängt den Schmerz um den Verlust meines Mannes ein klein wenig zurück.

Nach dem Mittagessen kommt eine Krankenschwester mit einem Rollstuhl.

„Ich bringe Sie zu Ihren Untersuchungen, Mrs. Grey", sagt sie und alleine die Anrede reicht, um alles wieder an die Oberfläche zu spülen.

Trotzdem nicke ich müde und sie hilft mir in den Rollstuhl. Zum Glück hat Kate mir gestern noch einen Schlafanzug und meine notwendigen Dinge aus Rays Haus besorgt, sonst wäre ich hier im Flügelhemdchen unterwegs.

Die nächste Stunde verbringe ich bei der Gynäkologin, die effizient und sachlich meine Schwangerschaft bestätigt und mit Anfang neunter Woche berechnet. Dann bekomme ich alle möglichen Broschüren und ein grobkörniges Ultraschallbild. Die ganze Zeit brennen mir Tränen in den Augen, und ich weiß nicht, ob ich mich freuen soll oder nicht. Ich sollte das nicht alleine erleben müssen, mein Mann sollte bei mir sein. Aber er will mich nicht mehr. Und dieses Kind wird ihn nie kennen lernen – wenn es nach mir geht.

Es ist eine richtige Entscheidung, die eigentlich grundverkehrt ist. Was tue ich hier nur? Ich sollte ihn anrufen, aber was dann? Würde er mich zurück holen, weil er es als Verpflichtung ansieht? Und würde ich unter diesen Umständen überhaupt zurück wollen? Nein, es ist so gut, wie es ist. Er hat seine Entscheidung getroffen, jetzt treffe ich meine.

50 Shades of RegretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt