Tag 335

2.8K 64 18
                                    

Ich sehe dem Flieger hinterher, bis ich ihn nicht mehr erkennen kann. Ted schläft in seinem Kinderwagen, die Huskies liegen daneben und seufzend beschließe ich, zu Yukka zu gehen, um mich endlich der Inquisition zu stellen.

Rays Anwesenheit hat den letzten Monat zwar keine Frauengespräche behindert, er war oft mit Bill zum Angeln unterwegs, aber ich wollte einfach noch nicht reden. Weder mit Ahnah, noch mit Ray und schon gar nicht mit Yukka, die mich zu gut kennt. Ich war noch nicht soweit.

Ich habe ein paar Mal mit Kate, Grace und Carrick geskyped, meist mit Ted auf dem Schoß, aber wir haben alle meinen Mann aus den Gesprächen ausgeklammert. Ray hat ein oder zwei Versuche gemacht, mit mir zu reden, aber solange ich nicht weiß, was ich tun will, kann ich auch nicht mit ihnen darüber reden. Sie kennen Christian und ich habe den Eindruck, sie können gar nicht verstehen, warum ich jetzt Abstand brauche.

Die ersten zwei Tage habe ich gar nicht versucht, an alles zu denken. Phil und Yukka haben Ted und mich besucht und die Gespräche drehten sich hauptsächlich um Teds Krankheit und auch darum, fürs Krankenhaus neuere Geräte zu organisieren und das Labor aufzustocken. Phil fühlt sich, auch wegen seines Anfangsverdachts auf Meningitis, einfach unzulänglich ausgerüstet, und die Klinik kann wirklich ein paar Modernisierungen vertragen. Trotzdem war er erleichtert, dass Ted mit dem Drei-Tage-Fieber relativ glimpflich davon gekommen ist.

Ein wenig bedrückt es mich, dass ich Christians Beziehung zu Ted gerade verhindere, aber er hat auch keinen Versuch unternommen, mich in irgendeiner Form zu kontaktieren. Er gibt mir – zum ersten Mal seit ich ihn kenne – die Zeit, die ich brauche. Und ich brauche eine Menge Zeit, um alles zu sortieren.

Trotzdem muss ich eine Lösung für Ted finden, ich bin mir sicher, dass Christian Kontakt zu seinem Sohn haben möchte. Während ich grüble, schiebe ich den Kinderwagen vor mir her und stehe schon kurz danach bei Yukka vor dem Haus.

Als ich klopfe, öffnet sie mir und ein Blick in mein Gesicht reicht ihr.

„Rein mir dir", sagt sie aufmunternd und kurze Zeit später sitze ich am Küchentisch, habe einen Tee vor mir und Yukka sitzt mir gegenüber, während Ted auf seiner Decke am Boden liegt und vergnügt mit einem Mobilé spielt.

„Also, dann raus mit allem. Es scheint Zeit zu werden", sagt sie und ich beginne zögerlich zu erzählen.

Es tut gut, es einmal loszuwerden und dabei einfach nicht nachdenken zu müssen, wie man es formuliert oder wie es ankommt. Yukka hört mir lange zu, und als ich zu Christians Geständnis komme, fließen endlich Tränen. Erst jetzt wird mir wirklich bewusst, dass er wirklich hätte sterben können. Und ich hätte es erst erfahren, wenn es schon zu spät gewesen wäre.
Yukka bemüht sich, mich ausreden zu lassen, aber ich merke, dass sie auch mit Emotionen kämpft und ihre Augen verdächtig glitzern.

Als ich geendet habe, geht es mir ein wenig besser. Als ob ich einen Teil einer Last losgeworden wäre. Ich habe viel geweint und sogar den ein oder anderen Kraftausdruck untergebracht, für die ich mich bei Yukka nicht entschuldigen muss. Sie seufzt, als ich geendet habe und sieht mich aufmerksam an.

„Und jetzt bist du hier und denkst nach?"

Ich nicke. Ich denke nach und komme zu keinem Ergebnis.

„Würdest du Adam so etwas einfach vergeben können?"

Yukka sieht mich an und dann schüttelt sie den Kopf.

„Ich kann mir nicht mal vorstellen, dass er auf so eine bescheuerte Idee kommen könnte, und ob ich ihm je wieder vertrauen könnte? Eine schwierige Situation. Und bei dir kam ja durch Ted noch einiges hinzu. Will er Kontakt zu ihm?"

50 Shades of RegretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt