Tag 43

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Nach Taylors Besuch war ich wie gelähmt. Ray hat mit Bill telefoniert und ich habe mich nicht mal dafür interessiert. Bill kommt heute und wird ein paar Tage hier bleiben, um mich dann mitzunehmen. Wo wohnt er eigentlich? Im Prinzip ist es mir egal. Ray hat irgendwas von einer gottverlassenen Gegend gesagt, und das kommt mir entgegen.

Immer noch klingeln Reporter an der Tür, aber jeden Tag wird es weniger. Dafür häufen sich die Zeitungsberichte über Christian mit seiner Neuen. Wohltätigkeitsveranstaltungen, ein Pferderennen, eine Firmenfeier von Melrose Incorporated, immer sind beide ein hoch begehrtes Bild der Fotografen. Christian lächelt viel und Amber strahlt in die Kamera, ein Anblick perfekter Harmonie. Oftmals ist Elena dabei und ich frage mich, ob Amber seine Sub oder seine Freundin ist. Ray versucht, die Berichte zu verstecken, aber im Internet kann ich mich ausgiebig damit quälen.

Es wird gemunkelt, dass die beiden eine ausgedehnte Reise planen. Wird er mit ihr auch nach Europa fahren? Es fällt mir von Tag zu Tag schwerer, die Bilder zu verdrängen, die mir bei diesen Gedanken im Kopf herum spuken. Ich weiß nicht, warum ich immer wieder nach Informationen suche und selbst weh tue. Es ist wie bei einem Verkehrsunfall, ich kann einfach nicht wegsehen.

Von Christian oder Taylor kam zum Glück keine weitere Kontaktaufnahme.

Ich bin in der vierzehnten Woche und langsam fangen meine Hosen an, eng zu werden. Ich esse regelmäßig, mehr wegen des Babys und weniger aus Hunger, aber ich habe etwas zugenommen, was die Ärzte freut. Trotzdem bin ich noch immer leicht untergewichtig und fühle mich oft müde, aber die Gynäkologin meint, dass wäre normal. Auch die Schwangerschaft verläuft vollkommen normal und mein Baby wird mit jedem Tag realer für mich. Meine Brüste spannen unangenehm, aber dafür hat die Übelkeit deutlich nachgelassen.

Carla habe ich von der Schwangerschaft erzählt und sie hat es relativ gelassen aufgenommen, dass ich es Christian nicht sagen werde. Nachdem sie alle Fakten kannte, hat sie mir angeboten, zu ihr und Bob zu ziehen, was ich abgelehnt habe. Ich will unabhängig bleiben. Sogar zu Carla ist die Nachricht, dass Christian eine neue Frau an seiner Seite hat, schon vorgedrungen und sie ruft mich alle zwei Tage an, um zu hören, wie es mir geht.

Gegen Abend, ich habe heute einen Bericht für ein sehr umfangreiches Manuskript beendet und eine Mail von Kates Vater beantwortet, der mir mitteilte, dass man mit meiner Arbeit mehr als zufrieden wäre und fragte, ob ich mehr Manuskripte bewältigen könnte, gehe ich in die Küche.

Ich habe zugesagt, die Arbeit tut mir gut und die Tatsache, dass ich sie ohne Einmischung ausüben kann, ist perfekt im Moment. Ich habe kein Bedürfnis nach menschlicher Gesellschaft. Mechanisch fange ich an, das Abendessen, zu dem Bill hier sein wird, zu kochen und überprüfe nochmal das Gästezimmer und das Wohnzimmer, während Ray auf der Couch liegt und Zeitung liest. Er kommt gut zurecht, trotz Gips und ich gehe ihm aus dem Weg, da er mir immer besorgte Blicke zuwirft. Ich bin froh, wenn er und ich nicht mehr in einem Haus wohnen. Noch immer ist es anstrengend, auch nur leicht zu Lächeln oder einem Gespräch zu folgen. Ich igele mich ein und Ray macht sich deshalb noch mehr Sorgen.

Als es klingelt, springt Ray, trotz seines Beines, hoch und humpelt auf seinen Krücken zur Tür. Er ist aufgeregt, da Bill ist einer seiner ältesten Freunde ist. Ich erinnere mich selbst nur schwach an seinen Armeekumpel, hauptsächlich an die eisblauen Augen und an ein dunkles Lachen.

Ich stehe in der Küche und bin auf einmal nervös. Ich hätte Ray um mehr Informationen bitten müssen.

„Annie, Bill ist da", verkündet Ray und kommt mit seinem Gast herein.

Bill ist groß, aber daran erinnerte ich mich noch. Größer als Christian und ein muskulöser, durchaus attraktiver Mann. Er ist im gleichen Alter wie Ray, hat aber schon schlohweiße Haare. Er trägt einen dunklen Rollkragenpullover, ausgewaschene Jeans und wirkt irgendwie einschüchternd. Lachfältchen mildern den klugen Blick aus den blauen Augen, die wirklich eine sehr helle und klare Farbe haben.

50 Shades of RegretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt