Tag 21

2.6K 68 18
                                    

Es ist nun drei Wochen her und ich habe nichts mehr von Christian gehört. Auch konnte ich bisher keine Überwachung feststellen, was mich insgeheim doch trifft. Ich bin ihm wirklich egal. Mir ist klar, dass einige meiner Aktionen bei „meinem" Christian extreme Reaktionen hervorgerufen hätten. Aber nichts, keine Kontaktaufnahme, kein wütender Auftritt, weil ich das Geld zurück überwiesen habe, und keine Nachricht.

Ray geht es besser und er wird in einigen Tagen entlassen, allerdings wird er noch mindestens vier Wochen einen Gips haben und auf meine Hilfe angewiesen sein. Irgendwie erleichtert mich das, denn noch immer versuche ich, den Schmerz nicht zuzulassen. Aber mit jedem Tag, der verstreicht, wird Christians Abwesenheit schmerzlicher und quälender. Wie bei einem Taucher, der kaum noch Sauerstoff hat, hoffe ich einfach, rechtzeitig an die Wasseroberfläche zu zurück zu kommen, obwohl ich weiß, dass die Dekompression mich dann umbringt. Also versuche ich, nicht darüber nachzudenken und mich abzulenken. Die täglichen Besuche im Krankenhaus helfen dabei, aber auch die Manuskripte, die mir Kate geschickt hat. Ich weiß nicht einmal, für welchen Verlag ich arbeite, Kavanagh Media ist ein Konzern mit vielen Unternehmen, aber es ist mir auch egal.

Jede Minute, die ich nicht bei Ray verbringe, arbeite ich und tippe Berichte. Ich habe mir ein MacBook gekauft und einen Internetstick. Ich will nicht, dass Christian mich überwacht und benehme mich leicht paranoid, aber auf keinen Fall werde ich über Rays Modem ins Internet gehen. José kommt ab und an vorbei, meist mit kleinen Leckereien, aber ich habe keinen Appetit und esse nur wenig. Mittlerweile behalte ich kaum noch etwas im Magen und fühle mich deshalb ständig müde. Der Vorteil daran ist, das ich mehr schlafe. Sogar recht gut, was mich selbst ein wenig wundert.

Kate ruft ständig an und ist besorgt, aber auch sie hat keine guten Nachrichten für mich. Christian hat sich mit Elliot überworfen, der zwischen ihm und seinen Eltern vermitteln wollte. Kate hat es nicht näher geschildert, aber als sie es erzählte, klang ihre Stimme belegt. Trotz meiner Neugierde auf alles, was Christian betrifft, habe ich Kate gebeten, mir keine Informationen mehr zu geben. Es verletzt mich nur noch mehr.

Als ich bei Ray ankomme, nach meinem täglichen Spaziergang und heute im strömenden Regen, sieht dieser mich böse an.

„Annie, kauf ein Auto. Ich hab es dir schon so oft gesagt! Die Versicherung hat das Geld überwiesen, und ich brauche ein Auto. José wird dir helfen, er hat mir versprochen, mit dir nach einem Wagen für mich zu schauen. Ich will nicht, dass du bei Wind und Wetter draußen rum rennst."

Diese Diskussion führen wir schon seit Tagen, aber ich habe nicht die Energie, ein Auto für Ray auszusuchen. Trotzdem nicke ich, er scheint wirklich böse zu sein.

„Du sollst dich doch nicht aufregen", murmle ich und hänge meine Jacke auf, damit sie wenigstens ein wenig abtrocknet.
Ray wirft mir einen finsteren Blick zu, bevor sich seine Stirn glättet und er tief durchatmet.

„Du siehst scheiße aus", brummt er.

„Du auch, Dad. Hör auf dir um mich Sorgen zu machen."

Meine Stimme klingt defensiv, er macht sich Sorgen und ich kann nichts tun, um ihn zu beruhigen.

„Wie geht es dir?", lenke ich ab und er erzählt von seinem Vormittag in der Reha und von Mrs. Cooper, einer älteren Dame, die dort zeitgleich mit ihm trainiert.

Offensichtlich hat Ray eine Freundin gefunden. Das freut mich, denn ich werde nicht auf Dauer bei ihm bleiben können.

Er würde zu schnell merken, wie es mir in Wirklichkeit geht und wahrscheinlich Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um Christian zur Rechenschaft zu ziehen.

„Anastasia?", holt mich Ray aus meinen Gedanken und erstaunt wegen der vollen Anrede, hebe ich müde den Kopf und blicke ihm in die Augen.

„Vergiss ihn. Er ist es nicht wert. Du bist jung und hast dein Leben noch vor dir", sagt Ray ernsthaft und langsam merke ich, dass hier etwas gewaltig faul ist.
„Dad, seit Tagen bittest du mich, nochmal mit Christian zu reden. Woher der Stimmungswandel?"

50 Shades of RegretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt