Christian - Tag 281

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Taylor hält vor dem Haus meiner Eltern. Ich sehe mir die gepflegte Rasenfläche an, die Fassade und die hohen, alten Bäume und kann keine Veränderung feststellen. Alles wirkt so, wie ich es in Erinnerung habe. Vertraut und normal. Aber nichts an diesem Tag und der Situation ist normal.

Für mich hat sich innerhalb der letzten 281 Tage mein Leben zweimal komplett verändert.

Ich stehe nun wieder an einem Neubeginn, das dritte Mal in einem Jahr.

Taylor sieht mich durch den Rückspiegel an, sein Blick ist nicht besorgt, aber bestimmt wundert er sich, warum ich nicht aussteige. Feigheit vor dem Feind, so einfach ist das.

Ich habe meine Mutter auf das Schlimmste verletzt, meinen Vater gekränkt und mit meiner Familie gebrochen. Sogar mit Mia, die mir wohl auch nicht so schnell verzeihen wird. Elliot hat mir verkündet, er hätte keinen Bruder mehr. Und ich habe es kaltlächelnd akzeptiert, und meinen 50 abgefuckten Facetten noch die ein oder andere mehr hinzugefügt.

Heute kommt mir das alles so weit weg vor, wie ein böser Albtraum, aber nun muss ich mich den Konsequenzen stellen, die ich durch meine Handlungen heraufbeschworen habe.

Und bei Grace und Carrick fange ich an. Danach Elliot und Mia. Und dann... Ana. Meine Ehefrau.

Der Schmerz, wenn ich nur an sie denke, ist unbarmherzig und die Sehnsucht in mir quälend, aber ich muss mich jetzt auf das hier und jetzt konzentrieren.

Vielleicht habe ich alles verloren, was mir etwas bedeutet, aber kampflos aufgeben werde ich nicht.

Ich steige aus, bevor Taylor sich wirklich Sorgen macht, und gehe zur Haustür, wobei ich den Umschlag, der für Grace bestimmt ist, viel zu fest umklammere.

Nach meinem Klingeln öffnet meine Mutter die Tür und ihr freundliches Lächeln verschwindet, als sie mich sieht. Sie wird kalkweiß und ihre Hand presst fast den Türgriff zusammen.

„Hi, Mom", sage ich und meine Stimme gehorcht mir zum Glück.

Sie fängt an zu zittern und ich bereue, ohne Vorwarnung hier erschienen zu sein. Aber ich hatte Angst, sie würden mich nicht sehen wollen, wenn ich vorher anrufen würde. Angriff war schon immer die beste Verteidigung.

„Hast du einen Moment für mich?", frage ich ruhig, obwohl ich wahrscheinlich mehr Angst vor dem Gespräch habe als sie.

Sie nickt und öffnet die Tür soweit, dass ich eintreten kann.

„Liebling, wer ist es ...", höre ich und dann steht mein Vater im Flur.

Sein Blick erfasst mich und sein Gesicht wird schlagartig ernst.

„Du!", sagt er fassungslos und ich nicke.

„Ich möchte mit euch reden", sage ich und klinge defensiv.

Grace scheint ein wenig ihre Form wieder zu finden und schaltet sich ein, während mein Vater eine ungesunde, rote Gesichtsfarbe bekommt. Sie werden bald noch wütender auf mich sein, so gut kenne ich sie. Aber dann aus den richtigen Gründen.

Meine Mutter geht ins Wohnzimmer und ich folge ihr. Sie deutet auf das Sofa und wirft meinem Vater, der gerade durch die Tür kommt, einen Blick zu, der ihn wohl zur Ruhe mahnen soll. Grace Gesicht ist nun gelassen, sie hat ihren Arztblick aufgesetzt, der eigentlich nur Patienten vorbehalten ist. Höflich-reserviert und sehr kontrolliert. Sie nimmt mir gegenüber Platz, schlägt elegant die Beine übereinander und streicht über ihren Rock. Ihre Hand zittert und das ist das einzige Zeichen, dass sie aufgewühlt ist.

„Ich höre, Christian. Was möchtest du mit uns bereden?", sagt sie ruhig und ohne Emotionen in ihrer Stimme.

Sie ist verdammt sauer auf mich. Und ich kann das noch toppen, da bin ich mir sicher.

50 Shades of RegretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt