Tag 399

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Als ich wach werde, bin ich kurz desorientiert. Ich liege in einem großen Bett und habe Christians Duft in der Nase. Schon wieder ein Traum? Wie so viele der Träume, die ich im letzten Jahr hatte?

Dann fällt mir alles wieder ein und die Tatsache, dass Sonnenlicht den Raum durchflutet, macht mir schlagartig zwei Dinge klar: Ich habe durchgeschlafen und ich habe meinen Sohn bei meiner Schwiegermutter gelassen und noch nicht gestillt!

Christians Bettseite ist leer und ich sprinte förmlich aus dem Bett. Meine Handtasche liegt im Wohnzimmer und alles, an das ich denken kann, ist Grace anzurufen. Was bin ich nur für eine Mutter?

Als ich ins Wohnzimmer stürme, splitterfasernackt, wie mir bewusst wird, bleibe ich verdattert stehen. Christian sitzt mit Ted auf dem Arm auf der Couchgarnitur und gibt meinem Sohn – unserem Sohn – ein Fläschchen. Er ist hochkonzentriert und scheint die Aufgabe mit der üblichen Gründlichkeit auszuüben, die er allen wichtigen Dingen zu Teil werden lässt.

„Was?", bricht es auch mir heraus, und ich habe nicht mal eine Ahnung, auf was sich meine Frage bezieht.

Christian sieht hoch und grinst mich auf einmal an.
„Ich hatte ja mit einem dramatischen morgendlichen Auftritt von dir gerechnet, aber diese Aussicht ist durchaus ... überraschend und angenehm. Guck mal, Kurzer, ist deine Mutter nicht eine schöne Frau?"

Mist, ich stehe im Wohnzimmer meines Mannes, nachdem wir eine heiße Nacht hatten, bin unbekleidet und sprachlos. Verwirrt mache ich das Einzige, mit dem ich ein Minimum an Würde zurückbekomme und fliehe ins Schlafzimmer zurück, wobei ich meine, Christian lachen zu hören. Ein Laut, der mir ein wohliges Gefühl gibt, obwohl noch vieles nicht geklärt ist.

Der Anblick von ihm und Ted war so intim und vertraut, dass mir das Herz nur deswegen aus der Brust springen könnte, so hektisch schlägt es. Und auch das, was gestern Nacht passiert ist, war vertraut und intim – und etwas, was ich nicht bereuen kann.

Im Schlafzimmer überlege ich kurz, wie ich jetzt vorgehen soll, aber da mein Sohn offensichtlich gut versorgt ist, entschließe ich mich zu einer ausgiebigen Dusche. Ich nehme mir Zeit, auch um mich ein wenig zu beruhigen, ich hatte nicht vor gehabt, meinem Mann heute Morgen einen Nacktauftritt zu liefern und irgendwie ist es mir peinlich.

Irgendwann kann ich jedoch nicht länger Zeit schinden und trete aus dem warmen Wasserstrahl hervor. Nach dem Zähneputzen – ich benutze Christians Zahnbürste, warum ist mir unklar, wenn doch eine neue, unverpackte für mich da steht – gehe ich mit einem Handtuch bekleidet ins Schlafzimmer, wo ich von meinen beiden Männer erwartet werde. Christian sitzt auf dem Bett, Ted auf dem Arm und sieht mich an, mit einer Mischung aus Vorsicht und Begehren.

„Du kannst dir ruhig aus dem Schrank Kleidung nehmen, Gail hat sie immer wieder gewaschen, also ist alles frisch", seine ruhigen Worte stehen im krassen Gegensatz zu seinem doch sehr vorsichtigen Blick.

Ich weiß irgendwie nicht, wie ich auf diese Szene der morgendlichen Normalität reagieren soll. Ted ist damit beschäftigt, Christian das T-Shirt vollzusabbern und brabbelt vor sich hin, während er wie der Sexgott persönlich mit unserem Sohn auf dem Bett sitzt.

So war das nicht geplant und langsam regt sich ein wenig Trotz in mir. Ich fühle mich im Nachteil.

„Wieso ist Ted hier?", gehe ich somit zum Angriff über und es hilft, Christian sieht mich besorgt an.

„Du hattest den Schlaf gebraucht, also habe ich Grace gebeten, ihn vorbeizubringen. Sie hatte nichts dagegen und er ist seit heute früh hier. Außerdem hatte ich Sehnsucht nach dem kleinen Mann."

Der letzte Satz lässt meine Wut über sein eigenmächtiges Handeln verpuffen und ich seufze, während ich mir eine Jeans und ein Sweatshirt aus dem Schrank hole und mich rasch anziehe, wobei mir Christians Blick, der begehrlich auf meinem Körper liegt, nicht entgeht.

50 Shades of RegretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt