Christian - Tag 303

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Der gestrige Tag war eine durchweg nervliche Belastungsprobe.

Mich stört ihr stures Festhalten an ihrer Unabhängigkeit, sie hat sogar Bill gefragt, ob er sie mit nach Point Hope nimmt.

Mein Kuss war ein absoluter Reinfall. Sie glaubt mir nicht, dass ich sie nie betrogen habe, und zum ersten Mal verfluche ich, wie gründlich ich alles geplant und der Öffentlichkeit präsentiert habe. Ich habe Anas Vertrauen missbraucht, aber nie hätte ich sie betrogen. Irgendwie hatte ich wohl die Hoffnung, sie würde mir einfach glauben. Und auf meinen Kuss begeisterter reagieren. Sie hat mir immer alles vergeben können, egal wie abgefuckt es gewesen war, aber ich fürchte langsam, diesmal bin ich doch zu weit gegangen. Ich habe sie im Badezimmer weinen gehört und kein Recht zu haben, sie zu trösten, war das Schlimmste. Sie weint, wegen mir, und ich kann nichts tun. Ich kann sie aber auch nicht in Ruhe lassen. Sie muss mir einfach zuhören.

Als ich Bill gesagt habe, was ich vorhabe, hat er mich nur gefragt, ob ich gut versichert bin. Sie hat Temperament und wird vor Wut kochen, aber sie wird die Notwendigkeit schon noch einsehen. Ich weiß nicht, wie ich sonst vorgehen soll. Immerhin weiß er Bescheid und hat mich nicht davon abgehalten. Das werte ich einfach mal als positives Zeichen.

Als Ana aus dem Bad gekommen war, blass aber gefasst, haben wir ohne darüber zu reden, den Rest des Tages mehr oder weniger auf neutrale Kommunikation zurückgegriffen. Nur das Notwendigste und das auch nur kurz und knapp. Sie hat mir gezeigt, wie man Ted wickelt und obwohl mir das Konzept klar ist, habe ich noch immer Angst, dem kleinen Mann weh zu tun. Ana traut mir hier aber offensichtlich mehr zu, als in der Bewältigung unserer Eheprobleme.

Gegen Abend kam Dr. Michaels und hat uns unter Auflagen entlassen. Zum einen sollte Ted unbedingt morgen nochmal in die Sprechstunde kommen, obwohl er mittlerweile kein Fieber mehr hat und ich nicht fassen kann, dass dieses kleine Energiebündel noch vor ein paar Stunden so krank war. Zum anderen muss er noch ein paar Tage Antibiotikum bekommen, aber das ist kein Problem.

Ana hat zugestimmt, mit mir in die Suite zu kommen, obwohl ich sehen konnte, dass sie es nur widerwillig tat. So kam es, dass wir einen verkrampften Abend verbracht haben, Ana hat wieder nur ein paar Bissen gegessen und jeden Gesprächsversuch von mir abgeblockt, indem sie zu Ted gerannt ist. Der war ein wenig quengelig und langsam verstehe ich nicht, wie sie das durchhält. Er hat einen präzisen vier Stunden Rhythmus und scheint längere Schlafphasen abzulehnen. Als ich sie gefragt hatte, ob das bei Babys normal ist, hat sie mich nur böse angesehen und gemeint, es müsste an den Genen liegen. Vor drei Stunden, gegen Mitternacht, hat sie sich in ihr Schlafzimmer zurückgezogen und seitdem tigere ich auf und ab und frage mich, ob mein Vorgehen richtig ist. Ich will sie nicht noch weiter von mir wegtreiben, aber ich muss etwas tun.

Müde gehe ich in mein eigenes Schlafzimmer und verfluche den Umstand, dass sie nur ein paar Meter entfernt von mir liegt und ich kein Recht habe, bei ihr zu sein.

Gegen fünf Uhr werde ich wach und höre Ted schreien. Ich stehe auf und frage mich unwillkürlich, wie viel Schlaf Ana überhaupt bekommt. Sie braucht Hilfe und mit Sicherheit mehr Ruhe. Aber dafür kann ich sorgen, ob sie will oder nicht.

Nach einer Dusche gehe ich ins Wohnzimmer und bestelle ein Frühstück, bevor ich vorsichtig an Anas Tür klopfe. Ted schreit immer noch und ich höre, wie sie versucht, ihn zu beruhigen.

„Ana, alles ok?", frage ich und sie bittet mich hinein.

Sie sieht müde aus, trägt immer noch einen dicken Flanellschlafanzug und geht mit Ted auf und ab.

„Er ist unruhig, vielleicht liegt es an der Krankheit oder an der ungewohnten Umgebung", erklärt sie fast entschuldigend. „Tut mir leid, wenn er dich geweckt hat."

50 Shades of RegretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt