Christian - Tag 301

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Heute wird wieder einer der langweiligen Tage. Seit Anfang der Woche haben Taylor und ich Bill geholfen, den Flieger flott zu machen und zu beladen, so dass er nach Anchorage fliegen konnte. Kurz war ich versucht, mitzufliegen, aber ein paar Tage nicht hier zu sein, erscheint mir unklug.

Ich sitze auf der Strafbank und werde da einfach durch müssen. Bill meint, irgendwann würde sogar meine sture Frau ein Gespräch suchen, und ich solle Geduld haben. Ich kann es ihr nicht mal vorwerfen, ich habe sie über Monate im Unklaren gelassen, ihr ein Szenario präsentiert, das ich im umgekehrten Fall nur schwer verkraftet hätte, um dann einfach aufzutauchen und mit ihr reden zu wollen.

Also sitze ich im Café, beantworte Mails von Ros und Andrea, starre ab und an aus dem Fenster, in der irrationalen Hoffnung, Ana würde einfach auftauchen, und noch öfters sehe ich auf die Uhr an der Wand, die viel zu langsam das Verstreichen der Zeit anzeigt. Bill wird mindestens zwei Tage weg sein und mir wird die körperliche Betätigung fehlen. Zum Glück ist Jeff mit dem Jet vor einer halben Stunde gelandet, er hat einiges an Arbeit und Unterlagen für mich geholt.

Es ist noch früh und Taylor joggt zum vierten Mal am Fenster vorbei. Ich sollte ihn nach Hause schicken, aber das würde mir meiner einzigen Gesellschaft berauben. Es ist egoistisch, aber alleine, dass er hier ist, hilft mir. Wenigstens einer, der auf mich hört und mir das Gefühl gibt, noch irgendetwas hier unter Kontrolle zu haben.

Auf einmal fliegt die Tür auf und Phil Moore, der Ehefrauenversteher, kommt herein. Er nickt Ahnah, die hinter der Theke Gläser poliert, zu und kommt zu mir.

„Ist Ihr Flugzeug verfügbar?", fragt er ohne eine Begrüßung.

Ich nicke und mustere ihn. Er ist mir immer noch unsympathisch, alleine, dass er Zugang zu Ana hat und ein alleinstehender Mann ist, macht mich wahnsinnig. Für was braucht er mein Flugzeug?

„Ich habe einen Patienten, der unbedingt nach Anchorage muss, Mr. Grey. Leider ist Bill schon seit gestern weg und ich darf keine Zeit verlieren."

Ein medizinischer Notfall ist nichts, was ich mit persönlichen Animositäten belasten werde. Ich nicke und rufe ohne zu zögern Jeff an, damit er die Maschine für einen sofortigen Start checkt und sich bereit macht.

Als ich auflege, starrt mich der Arzt an, sein Blick ruht auf meiner Narbe, die sich fast über den halben Kopf über dem Ohr erstreckt.

„Ihre Narben sind mir nicht unvertraut. Ich hoffe, dass Sie eine gute Begründung für Ihre Frau haben, warum Sie es ohne sie bewältigt haben. Ein Tipp von mir, fliegen Sie mit nach Anchorage."

Erstaunt sehe ich diesen Provinzadonis an.

„Ich werde mich nicht von hier wegbewegen, bis ich mit meiner Frau gesprochen habe."

Meine Worte sind eiskalt und ich hoffe er versteht, was ich ihm sagen will.

„Ja, das ist mir klar. Aber wenn Sie einen guten Rat annehmen wollen, dann fliegen sie mit. Vielleicht bekommen Sie mehr Antworten, als Ihnen lieb ist."

Mit diesen Worten legt er etwas auf dem Tisch vor mir ab und geht.

Erschrocken, fast versteinert, starre ich auf Anas Ehering. Ist Ana die Patientin? Oder fliegt sie mit, um mir zu entfliehen? Wäre sie so dreist, mein eigenes Flugzeug für die Flucht vor mir zu nutzen? Ja, flüstert eine kleine Stimme in mir, aber irgendwie glaube ich es nicht. Und warum hilft er mir? Oder will er mich nur aus dem Weg haben, für was auch immer? Und wie kommt er zu ihrem Ring? Mir fallen da durchaus ein paar Szenarien ein, aber die sind nicht beruhigend. Zum Glück ist er gegangen, momentan würde ich ihn sonst packen und die Antworten aus ihm heraus prügeln. Zur Sorge um meine Frau kommt weißglühende Eifersucht. Und Angst, da sie ihren Ring abgezogen hat. Meiner hat nie meine Hand verlassen, obwohl es vor der Operation eine heftige Diskussion mit dem Chirurgen deswegen gab.

50 Shades of RegretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt