Natürlich entging ihr nicht, dass er sich nach wie vor nicht zum Ziel ihrer Fahrt geäußert hatte. Doch nun würde sie es ohnehin bald erfahren. Und wenn er tatsächlich die Dreistigkeit besaß, sie ohne guten Frund ihrer Freizeit zu berauben, würde sie ihm das sicher nicht so einfach durchgehen lassen.
Nicht, dass sie mit ihrer freien Freizeit viel anfing. Seit ihrer Aukunft in Monaco hatte sie eigentlich mehr oder weniger immerzu gearbeitet. Zunächst um sich in die Finanzunterlagen von CCD einzuarbeiten, und nun für Lucien. Und dann standen auch täglich die Besuche bei ihrer Mutter auf dem Programm.
Grundsätzlich fühlte Adrienne sich in Krankenhäusern schon nicht besonders wohl. Madeleine Diderots unpersönliche, fast schon kühle Art und Weise machte es ihr nicht unbedingt leichter. Während die Beziehung zwischen ihrem Vater und ihr langsam aufzutauen schien, gab Madeleine ihr das Gefühl, eine immerwährende Enttäuschung zu sein. Und genau so verhielt es sich vermutlich auch. Es war ihr nie gelungen, den Ansprüche ihrer Mutter wirklich zu vernügen, denn diese erwartete vor allem eines von ihrer Tochter: dass sie den guten Ruf der Familie hochhielt. In ihren Augen bedeutete das, im Golf - oder Yachtclub mit den Töchtern andere angesehender Monogassen den neusten Klatsch und Tratsch auszutauschen, stundenlang durch die teuersten Boutiquen auf dem Boulevard des Moulins zu ziehen und auf solche Menschen herabzublicken, die für ihr Geld hart arbeiten mussten.
In dieses Weltbild passte Adrienne einfach nicht hinein. Sie hatte es viele Jahre lang versucht, dabei aber festgestellt, dass ein Leben wie das ihrer Mutter sie einfach nicht glücklich macht. Sie wollte mehr als eine unendlich Aneinanderreihung von Cocktailpartys und Bällen. Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie erst merkte, dass sie ihr Ziel erreicht hatten, als ihr von einem Mann in grauer Livree die Beifahrertüre geöffnet wurde. Sie stieg aus und blickte sich neugierig um. Als sie erkannte, wo sie sich befanden, atmete sie schwer ein.
Das Grand Casino war eine der größten und luxuriösesten Spielbanken von ganz Monaco. Die zartgelbe Fassade war mit üppigen weißen Struckornamenten verziert.
Lucien übergab seinen Autoschlüssel an den livierten Mann. Dann bot er Adrienne seinen Arm und führte sie die Stufen der seitlichen Treppe zum Eingangsportal des Casinos hinauf. Links und rechts des roten Teppichs drängten sich Menschen bis dicht an den niedrigen Absperrzaun heran. Bei einigen handelte es sich eindeutig um Paparazzi, das Klicken der Kameras war allgegenwärtig. Andere waren einfach nur Schaulustige, die hofften, einen Blick auf den einen oder anderen Promi zu erhaschen.
Mit einiger Mühe gelang es Adrienne, eine gelassene, freundliche Fassade zu wahren, während sie sich innerlich krümmte. Sie hasste solche großen öffentlichen Auftritte - sie hatte sie schon immer gehasst! Und dass sie nun Arm in Arm mit Lucien Dupont auf Duzenden von Fotos verewigt war, verbesserte ihre Stimmung nicht gerade. Was, wenn irgendein Zeitungsverleger beschied, dieses Bild zu bringen? Ihre Mutter würde der Schlag treffen, wenn sie es zu Gesicht bekam. Nur zu gut erinnerte sie sich daran, wie es bei Gerald gewesen war. Weder reich noch aus einer wohlhabenden Familie stammend hatte er einfach nicht den Ansprüchen genügt, die sie an einen potenziellen Schwiegersohn stellte. Sie war außer sich gewesen vor Entrüstung, doch zum ersten Mal hatte Adrienne sich gegen sie aufgelegt. Weil sie Gerald geliebt hatte.
,,Was machen wir hier?'', zischte sie so leise, dass nur Lucien sie hören konnte. ,,Du hättest mich wenigstens vorwaren können!'' Er lächelte noch ein letztes Mal für die Kameras, ehe sie endlich das rettende Foyer erreichten. ,,Tut mir leid'', sagte er. ,,Mir war nicht bewusst, dass mit einer solchen Medienpräsenz zu rechnen ist. Normalerweise interessiert sich die Journaille nur dann für Events wie dieses, wenn sich ein Mitglied der Fürstenfamilie angekündigt hat, aber....Oh!''
Adrienne folgte seinem Blick und unterdrückte ein Aufstöhnen. Sie war zwar in Sache Adelsklatsch nicht sonderlich bewandert, aber das bedeutete nicht, dass sie die Nichte des Fürsten von Monaco nicht kannte. ,,Nun, das erklärt wohl den Andrang draußen vor der Tür'', erklärte Lucien leichhin. ,,Aber im Grunde sollte es dich freuen. Schließlich erhöht die Anwesenheit eines so hochkarätigen Gastes das Interesse der Öffentlichkeit an einer solchen Veranstaltung.''
,,Wenn du mir endlich erklären würdest, um was für eine Veranstaltung es sich hier eigentlich handelt, würde ich mich vielleicht auch freuen'', entgegnete Adrienne ärgerlich. ,,Du hast recht'', sagte er. ,,Es geht hier um Spenden für den Ausbau eines Kinderkrankenhauses.''
,,Eine Benefizgala also'', schlussfolgerte Adrienne erleichtert. ,,Warum hast du das nicht gleich gesagt?'' Er lächelte. ,,Siehst du, ich wusste doch, dass das hier etwas für dich ist. Jetzt müssen wir nur noch den Wettbewerb gewinnen und...''
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Schicksalstage in Monaco *Abgeschlossen*
RomanceAdrienne fühlt sich unwiederstehlich zu ihrem attraktiven Boss Lucien Dupont hingezogen. Aber sie darf sich keine tieferen Gefühle für ihn erlauben! Denn der skrupellose Geschäftsmann aus Monaco hat scheinbar nichts Geringeres im Sinn, als ihre Fami...