Kapitel 40

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Lucien war ungewohnt nervös, als er kurz darauf mit Adrienne auf der Tanzfläche stand. Es war nicht das erste Mal, dass er an einem solchen Event teilnahm. Außerdem konnte er tanzen - zumindest hatte sich bisher noch keine seiner Begleiterinnen beschwert. Warum fing sein Herz dann an, so heftig zu hämmern, als er seinen linken Arm um Adrienne Taille legte und mit der rechten Hand ihre linke hielt?

Sie war ihm so nah, dass er nichts anderes mehr wahrnahm als sie. Ihre Wärme, die ihn einhüllte, ihr verlockender Duft, süß und schwer wie Jasmin...Lange dunkle Wimpern beschatteten die herrlichen graublauen Augen, geheimnisvoll wie der Ozean, und ihre Lippen schimmerten so einladend, dass er nur mit Mühe dem Drang widerstehen konnte, sie zu küssen.

Ihre Brust hob und senkte sich regelmäßig. Die Bewegung übte eine beinahe schon hypnotische Wirkung auf ihn aus. Er konnte nicht aufhören, sie anzustarren - und er hätte fast seinen Einsatz verpasst, als die Musik zu spielen begann.

Gerade noch rechtzeitig setzte er sich in Bewegung, doch es war anders als sonst, wenn er mit einer schönen Frau tanzte. Auf eine nur schwer zu erklärende Art und Weise aufregender. Und das, obwohl Adrienne keineswegs willig in seinen Armen lag. Ganz im Gegenteil sogar.

Sie wirkte angespannt und ein wenig steif. Es fiel ihr ganz offensichtlich schwer, sich fallen zu lassen. Am Tanzen allein konnte es nicht liegen. Sie bewegte sich sicher und geschmeidig auf dem Parkett, so als habe sie ihr ganzes Leben lang nichts anderes getan. Und im Gegensatz zu den meisten Frauen, mit denen er es in den vergangenen Jahren zu tun gehabt hatte, schien sie kein Problem damit zu haben, sich von ihm führen zu lassen.

Ohne es wirklich zu merken, begann er, die Welt um sich herum zu vergessen. Die anderen Tanzpaare, die Galagäste, die sich am Rande der Tanzfläche aufhielten, die Preisrichter - das alles wurde in den Hintergrund gedrängt. Alles, was noch zählte, waren Adrienne, er und die Musik.

Viel zu schnell verklangen die letzten Töne. Lucien hätte ewig so weitermachen können. Doch dies war erst die erste Runde, tröstete er sich selbst. Mit ein bisschen Glück würde er noch genug Gelegenheit bekommen, mit Adrienne zu tanzen. Er nahm sie bei der Hand und ging mit ihr an den Rand an der Tanzfläche, um das Urteil der Juroren entgegenzunehmen.

Zu Luciens vollkommender Überraschung schnitten sie als Zweitbeste ab. Als er sich Adrienne zuwandte, glühte diese förmlich vor Begeisterung. Ihre Wangen waren gerötet, ihre AUgen glänzten, und ihre Lippen waren leicht geöffnet.

Sie war so wunderschön, dass er sie abermals am allerliebsten sofort küssen wollte. Doch er rief sich innerlich zur Ordnung. Es war ein Fehler, sie einmal geküsst zu haben. Jede weitere Annäherung wäre nicht nur äußerst dumm, sondern unter Umständen auch fatal. Wenn Olivier davon erfuhr, wenn er auch nur vermutete, dass Adrienne ihm etwas bedeutete....

Unwillkürlich musste Lucien wieder an Christine Valbois denken. Sie war die Tochter eines Restaurantsbesitzer gewesen. Das Lokal, klein, aber fein, der ganze Stolz der Familie. Olivier hatte alles daran gesetzt, Christines Vater das Leben schwer zu machen, und es so dargestellt, als wäre Lucien dafür verantwortlich.

Im Grunde hatte es sich ganz ähnlich abgespielt wie im Falle von Adriennes Familie - wenn auch in deutlich kleinerem Rahmen. Olivier hatte seine Beziehungen bei den Behörden spielen lassen, um Roger Valbois in die Knie zu zwingen. Zuerst war es angeblich zu Beanstandungen bezüglich der Lebensmittelhygiene gekommen. Diese Information hatte Olivier dann an die Lokalpresse weitergeleitet, die diese Aufhänger nur allzu bereitwillig ausgeschlachtet hatte. Am Ende war Valbois gezwungen gewesen, das Lokal zu schließen. Kurz darauf hatte Olivier ihm im Namen von Groupe d'entreprises Dupont ein Kaufangebot für sein Restaurant zukommen lassen.

Es war Lucien nicht gelungen, Christine davon zu überzeugen, dass er nichts mit der Angelegenheit zu tun hatte. Und so war ihre Beziehung recht unschön zu Ende gegangen. Eine Erfahrung, die er nicht wiederholen wollte.

,,Zweite!'', stieß Adrienne begeistert hervor, schlang strahlend die Arme um seinen Nacken und riss Lucien damit aus seinen Gedanken. ,,Ist das nicht wunderbar?''

Er schaute zu ihr hinab. Sein Puls raste, seine Kehle war wie zugeschnürt. Und dann - ganz wie von selbst - beugte er sich hinunter und küsste sie.


Schicksalstage in Monaco *Abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt