Kapitel 3

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Plötzlich verstummten die Bewerber schlagartig, und die aufgekommene Stille riss Adrienne aus ihren Gedanken. Sie spürte, dass sich etwas verändert hatte. Langsam drehte sie sich wieder zum Empfangstresen um - und erstarrte. Ein Mann war aus dem Büro getreten, aus dem die Frau eben gerannt war. Er war groß und imposant, mit dunklem, kurzem Haar und durchdringenden blauen Augen. Sein Gesicht wies markante Züge auf, und er hatte eine sportlich durchtrainierte Statur.

Adrienne wusste sofort, wen sie vor sich hatte. Sie hatte sein Foto in den letzten Tagen oft genug in den Zeitungen gesehen.

Lucien Dupont

Der Teufel in Menschengestalt

Und er war Gerald so auffallend aus dem Gesicht geschnitten, dass sich Adriennes Magen scmerzhaft zusammenzog. Gerald....... Die Sache zwischen ihnen lag nun schon so lange zurück, und eigentlich war sie bisher auch davon überzeugt gewesen, über ihn hinweg zu sein. Umso mehr überraschte es sie, dass Lucien Dupont Anblick sie wie ein Stich ins Herz traf.

Sie beobachtete, wie er der Empfangsdame etwas ins Ohr flüssterte, woraufhin die Blondine hastig nickte. ,,Ich werde der Dame ein Entschuldigungsschreiben zukommen lassen, Monsieur Dupont'', erwiderte sie pflichtbesessen.

,,Wenn sie Ihre Bewerberinnen mit Respekt behandeln und nicht zum Weinen bringen würden, kämen Sie nicht in die Verlegenheit, sich hinterher entschuldigen zu müssen.'' Erst als die Worte vollständig verklungen waren, wurde Adrienne klar, dass sie selbst es gewesen war, die sie ausgesprochen hatte. Erschrocken biss sie sich auf die Unterlippe. Was war bloß in sie gefahren? So unbeherrscht war sie doch sonst nicht. Sofort spürte sie, wie sich alle Blicke auf sie richteten. Gleichzeitig hätte man eine Stecknadel fallen hören können, so still war es mit einem Mal.

,,Wie war das?'' Obwohl er eigentlich leise sprach, war Lucien Duponts Stimme doch so kraftvoll, dass sie durch den Raum hallte. Adrienne hatte das Gefühl, förmlich in sich zusammenzuschrumpfen, als er sie innerhalb weniger Sekunden von oben bis unten musterte. Aus seinem Blick sprach Verärgerung und Unglauben, aber auch so etwas wie Respekt. Oder war das bloß Wunschdenken ihrerseits? SIe räuperte sich. ,,Ich.....also.....ich wollte lediglich sagen, dass ich es nicht tolerieren kann, wenn Frauen....'' ,,Sie sagt, sie wolle sich für die ausgeschriebene Stelle bewerben'', erklärte die Empfangsdame hastig, wohl um zu verhindern, das Adrienne weitersprach.

,,Sind sie Juristin?'', hakte Lucien Dupont nach und fixierte Adrienne jetzt noch schärfer. Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und ging zügigen Schrittes zurück in sein Büro. ,,Kommen Sie!'', rief er im Gehen. ,,Herein mit Ihnen!''

Adrienne riss die Augen auf und starrte erst ihm hinterher, dann die Empfangsdame fragend an . ,,Ich soll....?'' Die blonde Frau hob die Schulter und nickte anschließend. Adrienne wusste nicht, wie ihr geschah. Sollte sie wirklich dort hineingehen und.....

Natürlich sollst du das, dafür bist du schließlich hergekommen, oder nicht? Seit Tagen versuchst du, mit Lucien Dupont einen Termin auszumachen, um mit ihm über die Reederei seines Vaters zu sprechen. Und jetzt, wo du so knapp davorstehst, ihm alles sagen zu können, was du dir zurechtgelegt hast, willst du kneifen?

Nein, das wollte sie natürlich nicht. Allerdings hatte sie mit ihrer unbedachten Äußerung eben und der Tatsache, dass sie vorgab, auf Stellensuche zu sein, einen mehr als unglücklichen Start für eine sachliche Unterhaltung hingelegt. Trotzdem - jetzt, wo sie einmal so weit gekommen war, durfte sie sich diese Chance auf keinen Fall entgehen lassen. Sie würde auf der Stelle in dieses Büro gehen und ganz sie selbst sein. Ohne dabei allerdings auch nur eine Sekunde lang zu vergessen, mit wem sie es zu tun hatte: mit LUCIEN DUPONT, einem Mann, für den nur der Gewinn zählte. Der bereit war, alles und jeden zu verkaufen, wenn er sich nur genug davon versprach.

Den Kopf hocherhoben und in auffrechter Haltung setzte sie sich unter den teils neugierigen, teils neidischen Blicken der echten Bewerber in Bewegung. Auf der Schwelle zu Lucien Duponts Büro fühlte sich ihre Knie plötzlich weich wie Butter an und drohten, nachzugeben. Adrienne musste sich ein paar Sekunden lang am Türrahmen festhalten. Dann schloss sie kurz die Augen, holte tief Luft und ging wieder.

Schicksalstage in Monaco *Abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt