Abrupt richtete Madeleine Dupont sich in ihrem Bett auf. ,,Du tust was?'', steiß sie ensetzt hervor. Ungläubig schaute sie ihre Tochter an. Dann zuckte ihr Blick zu ihrem Mann hinüber. ,,Und du hast das gewusst?'' Sie schüttelte den Kopf. ,,Wie konntest du das zulassen, Jean-Michel?'' Lucien Dupont ist unser Feind. Ihm haben wir es zu verdanken, dass wir in solchen Schwierigkeiten stecken. Und davon abgesehen ist er ein neureicher emporkömmling!''
Die Art und Weise, wie sie die letzten Worte aussprach, führte Adrienne einmal mehr vor Augen, was für ein schrecklicher Snob ihre Mutter war. Und sie erinnerte sich, warum sie es mit achtzehn Jahre nicht mehr zu Hause ausgehalten und die Flucht ergriffen hatte.
,,Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen. Mutter, aber mir ist es vollkommen gleichm wie alt sein Geld ist. Er hat mir einen Job gegeben, und er bezahlt mich gut - das ist alles, was für mich zählt!'' Ihre Mutter bedachte sie mit einem eisigen Blick. ,,Du warst schon immer eine Enttäuschung, Adrienne. Keinen Funken Würde im Leib. Manchmal kann ich gar nicht glauben, dass du wirklich meine Tochter sein sollst.''
Schockiert schaute Adrienne sie an. Die Worte ihrer Mutter trafen sie wie Ohrfeigen. Sie hatte immer gewusst, dass sie die hohen Erwartungen ihrer Mutter nicht erfüllen konnte. Aber bisher hatte Madeleine Diderot ihr noch nie ins Gesicht gesagt, was sie wirklich von ihr dachte. Und die Wahrheit schmerzte.
,,Du weißt ja nicht, was du da sagst, Madeleine!'' Jean-Michel Diderot schüttelte den Kopf. ,,Adrienne ist unsere Tochter und...'' ,,Ja genau, sie ist unsere Tochter - doch das hält sie nicht davon ab, sich mit unserem schärfsten Konkurrenten zu verbünden. Ich verstehe nicht, wie du angesichts dieser Tatsache so ruhig bleiben kannst!''
Adrienne hatte genug gehört. Sie schlug eine Hand vor den Mund, um das Aufschlutzen zu unterdrücken, das ihr die Kehle zuschnürte. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und stürmte aus dem Raum. Tränen strömten ihr über die Wangen, während sie den Korridor hinunterlief. Sie konnte ihre Eltern im Schlafzimmer miteinander streiten hören, bis sie die Tür ihres eigenen Zimmers hinter sich zuschlug. Sie ließ sich aufs Bett fallen und presste die Handballen vor die Augen. Was machte sie eigentlich hier?
Als sie von der Erkrankung ihrer Mutter erfahren hatte, war sie sofort aufgebrochen. Doch ganz offensichtlich wurde ihr Einsatz nicht gewürdigt. Sie wusste selbst nicht, warum sie sich darüber eigentlich wunderte. Es war ein Fehler gewesen, überhaupt herzukommen. Sie hätte es vorher wissen müssen.
Adrienne zuckte zusammen, als jemand leise an der Tür klopfte und sie kurz daruf öffnete. Sie rechnete damit, ihren Vater zu sehen, doch es war Gabrielle, die den Raum betrat und die Tür lautlos wieder hinter sich schloss. Offensichtlich hatte sie mitbekommen, welche hässliche Szene sich im Schlafzimmer von Madeleine Diderot abgespielt hatte. Ihr Blick drückte aber - wofür Adrienne sehr dankbar war - kein Mitleid aus, sondern vielmehr Besorgnis.
,,Ich wollte nicht lauschen'', begann sie zaghaft, ,,aber die Wände in diesem Haus sind überraschend dünn.'' Als Adrienne sich ein geqüaltes Lächeln abrang, seufzte sie. ,,Deine Mutter ist im Moment nicht sie selbst. Zuerst die Krankheit, dann die Sorgen um das Familienunternehmen...''
,,Und eine Tochter, die nie die Erwartungen erfüllt, die sie in sie setzt'', vollendete Adrienne den Satz für sie. ,,So darfst du das nicht sehen, ma petite'', entgegnete Gabrielle. ,,Deine Mutter liebt dich sehr. Es hat ihr damals sehr das Herz gebrochen, als du entschlossen hast, nach London zu gehen.''
Adrienne stieß ein leises Schnauben aus. Wie eine Mutter, die das Fortgehen ihres einziges Kindes schmerzte, hatte sie sich damals nicht gerade verhalten. Es hatte einen heftigen Streit gegeben - wie eigentlich immer, wenn Adrienne etwas wichtig genug gewesen war, um ihren eigenen Kof durchzusetzen. Weil Adrienne sich nicht von ihre Eltern auch auf sie einredeten.
,,Es ist ein Fehler gewesen, zurückzukommen.'', sagte sie und wischte sich die getrockneten Spuren ihrer Tränen von den Wangen. ,,Ich hätte es besser wissen müssen. Meine Mutter wird sich niemals ändern.'' Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen. ,,Du hast ja gehört, was sie über mich gesagt hat...''
Sie stand vom Bett auf und hob ihren Koffer vom Schrank herunter, wo sie ihn für die Dauer ihres Aufenhalts abgelegt hatte. Dann warf sie ihn aufs Bett und öffnete ihn. ,,Was hast du vor?'' Gabrielle beobachtete sie skeptisch. ,,Ich kann nicht eine Minute länger in diesem Haus bleiben'', erwiderte Adrienne. ,,Keine Sorge, ich bleibe in Monaco - vorerst. Schließlich habe ich einen bindenden Vertrag mit Lucien Dupont getroffen, und wenn ich dazu beitragen kann, den Bankrott der Firma zu verhindern, dann werde ich mein Möglichstes tun.'' Gabrielle seufzte. ,,Ich kann dich verstehen'', sagte sie. ,,Auch wenn es mir lieber wäre, wenn du hierbleiben würdest. Wo willst du denn eigentlich hin?''
,,Ich weiß noch nicht genau'', antwortete sie ehrlich. Darüber hatte sie sich bisher noch keine Gedanken gemacht. Aber es war im Grunde auch nicht wirklich wichtig. Ihr würde schon etwas einfallen. Sie zuckte mit den Schulter. ,,Morgen früh werde ich mich auf die Suche nach einem günstigen Zimmer machen. Was die heutige Nacht angeht, so werde ich sie vermutlich in meinem Büro verbringen.''
Missbilligend schüttelte Gabrielle den Kopf, sagte aber nichts. Stattdessen half sie Adrienne dabei, ihre Sachen aus dem Schrank in den Koffer zu räumen. Damit gab sie ihr zwar nicht ausdrücklich ihr Einverständnis, aber es war auch nicht weit davon entfernt.
,,Ich halte dich über den Zustand deiner Mutter auf dem Laufenden'', versprach Gabrielle, als die jüngere Frau fertig gepackt hatte. Adrienne spürte, wie ihr erneut Tränen in den Augen stiegen. Sie machte einen schnellen Schritt auf Adrienne zu und schloss sie in ihre Arme. Von all den Menschen, die sie in ihrer Kindheit und Jugend geprägt hatte, hatte Gabrielle ihr immer am nächsten gestanden. Im Gegensatz zu Madeleine Diderot, die ihre Tage damit verbracht hatte zwischen dem Golf- und dem Yachtclub hin- und herzupendeln, war sie wie eine echte Mutter für Adrienne gewesen.
,,Danke'', stieß sie atemlos hervor. Gabrielle lächelte. ,,Wofür?''
,,Für alles!''
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Schicksalstage in Monaco *Abgeschlossen*
RomanceAdrienne fühlt sich unwiederstehlich zu ihrem attraktiven Boss Lucien Dupont hingezogen. Aber sie darf sich keine tieferen Gefühle für ihn erlauben! Denn der skrupellose Geschäftsmann aus Monaco hat scheinbar nichts Geringeres im Sinn, als ihre Fami...