Wenn Adrienne ehrlich zu sich selbst sein wollte, dann war sie alles andere als erpicht darauf, ihre Mutter zu sehen. Nicht nach dem, was auf der Gala geschehen war. Doch ihr fiel beim besten Willen keine Entschuldigung ein, sich aus der Affäre zu ziehen. Also stieg sie die Treppe hinauf und folgte ihrem Vater zum Schlafzimmer ihrer Eltern.
Ihre Mutter sah immer noch schwach und elend aus. Gegen das Blütenweiß des Kopfkissens wirkte ihr Gesicht kränklich gelb, und man sah ihr an, dass ihr jeder Atemzug schwerfiel. Anderseits musste es ihr besser gehen, sonst hätten die Ärzte wohl kaum entschieden, dass sie nicht länger im Krankenhaus unter Beobachtung bleiben musste, sondern die Zeit bis zur OP zu Hause verbringen konnte.
,,Mama, wie geht es dir?'', fragte Adrienne und trat an ihre Seite. Sie rang sich ein Lächeln ab. ,,Du siehst erschöpft aus. Vielleicht sollte ich lieber morgen früh...'' ,,Wo kommst du denn her?'' Obwohl Madeleine Diderots Stimmer sehr viel leiser klang als früher, hatte sie doch nichts von ihrer Schärfe verloren. Sie musterte ihre Tochter von oben bis unten. ,,Dein Vater sagt, du hättest eine Stelle angenommen?''
Adrienne wand sich innerlich. Sie wusste, jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um ihre Mutter von Lucien zu erzählen. Andererseits - gab es einen solchen Zeitpunkt überhaupt? Sie wusste, wie Madeleine über Menschen wie Lucien dachte. Wie sie über Menschen generell dachte. Und das war - wenn man nicht gerade zu den oberen Zehntausend der Gesellschaft zählte - in der Regel nicht besonders gut.
,,Ja'', sagte sie ausweichend. ,,Ich dachte, wenn ich schon eine Weile hier bin, kann ich ebenso gut auch arbeiten.'' Ihre Mutter hob eine Braue. Das Konzept, arbeiten zu müssen, um Geld zu verdienen, war ihr Zeit ihres Lebens vollkommen fremd geblieben. Männer, ja Männer mussten einer geregelten Tätigkeit nachgehen, im ihren Familien das Leben zu ermöglichen, das sie verdienten. Aber arbeitende Frauen passten einfach nicht in Madeleine Diderots Weltbild.
Doch zu Adriennes Überraschung verzichtete ihre Mutter ausnahmsweise darauf, ihr ihre Meinung unter die Nase zu reiben. Stattdessen fragte sie: ,,Als was? Und für wen?''
Es war einmal typisch für ihre Mutter, dass sie gleich mit ihren ersten Fragen ganau ins Schwarze traf. Und es war typisch für Adrienne, dass sie nicht darauf vorbereitet war. ,,Ich... Also....'' ,,Sie hat ein Stellenangebot von einem hiesigen Unternehmen bekommen'', erwiderte ihr Vater an ihre Stelle. Jean-Michel Diderot schaffte es sogar, ein einigermaßen überzeugendes Lächeln aufzusetzen. ,,Sie arbeitet als persönliche Anwältin der Geschäftsführung. Du siehst also, wir können stolz auf unsere Tochter sein.''
,,Stolz könnte ich wirklich sein, wenn sie wirklich etwas tun würde, um uns zu helfen.'' Madeleine runzelte die Stirn. ,,CCD steht kurz vor dem Ruine. Doch anstatt ihre Energie in die Rettung des Familienunternehmens zu investieren, kümmert sie sich lieber um die Belange anderer.''
Ihre Worte kränkten Adrienne, doch sie war entschlossen, es sich nicht anmerken zu lasssen. Ihre Mutter ahnte ja nicht, wie die Dinge wirklich lagen. Und das sollte besser auch so bleiben. Trotzdem konnte sie eine entsprechende Erwiderung nicht verkneifen. ,,Ich tue mehr für die Rettung der Firma, als du dir vorstellen kannst.''
,,Was soll das schon wieder bedeuten?'' Madeleine blickte fragend zwischen ihrem Mann und ihrer Tochter hin und her. ,,Ihr verheimlicht doch etwas vor mir! Heraus mit der Sprache - was wird hier gespielt? Für wen arbeitest du, Adrienne? Und was hat das alles mit CCD zu tun? ''
,,Also schön, wenn du unbedingt wissen musst: Ich arbeite für Lucien Dupont - als seine persönliche Rechtsberaterin.''
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Schicksalstage in Monaco *Abgeschlossen*
RomanceAdrienne fühlt sich unwiederstehlich zu ihrem attraktiven Boss Lucien Dupont hingezogen. Aber sie darf sich keine tieferen Gefühle für ihn erlauben! Denn der skrupellose Geschäftsmann aus Monaco hat scheinbar nichts Geringeres im Sinn, als ihre Fami...