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Wir saßen lange dort und unterhielten uns über meinen alten Wohnort.

 „Wo hast du gewohnt, bevor du hier her gezogen bist?", fragte Toby mich. „Ich hab vorher in Potty gewohnt, ein kleiner Ort mitten im Land. Unsere einzigen Nachbarn, die wir hatten, waren Mr und Mrs Hills, die einen Bauernhof mit Schafen besaßen. Ihr Hund Pilly bekam von uns immer die Reste und ich ging oft mit ihm spazieren. Dad hat eine Hundeallergie, weißt du? Deshalb machte ich oft was mit Pilly. Ich hatte ja auch keine Nachbarskinder und das Dorf war zwei Kilometer entfernt."

„Aber du hast doch auch gar keine Geschwister, was hast du denn immer gemacht? Ich meine, deine Eltern waren ja sicher auch oft arbeiten, oder?" „Na ja, Dad hatte sein Büro Zuhause, und Mum war oft dann arbeiten, wenn ich in der Schule war, also morgens. Und wenn ich Zuhause war, habe ich mit meinen Barbiepuppen gespielt oder bin rüber zu den Hills. In den Ferien war ich da auch 24/7.", lachte ich.

„Und als du älter wurdest?" „Na ja, als ich zehn war, starb Pilly. Damit hatte ich einen sehr guten Freund verloren. Gott, er war ein Hund, aber ich liebte ihn so sehr! Und dann entdeckte ich mich beim Zeichnen. Ich fing mit Modepuppen an, kennst du doch sicherlich, oder? Diese Malbücher, wo man Models anmalt. Ich habe quasi den ganzen Tag damit verbracht. Und dann musste ich aus der Grundschule raus. Da hatte ich zwar nicht viele Freunde, aber genug, um sie zu vermissen. Danach gingen sehr viele auf die großen Schulen. Aber ich musste ins Internat. War dann nur noch am Wochenende und in den Ferien Zuhause." Während meiner Erzählung pflückte ich sämtliche Grashalme aus dem Rasen. Das einsame Kind mit dem Hund als Freund und dem Grashalm-Pflück-Syndrom.

„Ein Internat? Wie war es da? Ich war immer nur auf normalen Schulen. Na ja, wie man normal definiert.", meinte er und pflückte auch einige Grashalme. Bald können wir uns dahinter verstecken.

Ich erzählte ihm noch lange von dem Internat und den Momenten, die ich dort erlebt hatte. Zum Beispiel von Danny, der sich für den Obermacho hielt und alle Mädchen angemacht hatte. Irgendwann hatte sich meine beste Freundin Mary einfach in sein Bett gelegt und ihn erschreckt. Er schrie wie am Spieß und rannte, nur in Rennwagenunterhose, durch das halbe Internat. Mary, Janet und ich verschwanden in der Zeit kichernd in unser Zimmer, das wir uns teilten. Und Danny bekam gehörig Ärger. Seitdem war er ein guter Freund von uns, denn wir hatten Frieden geschlossen und er fand seine Begeisterung für das Bogenschießen. Mittlerweile ist er vielleicht wieder so ein Macho., dachte ich und kicherte.

„Hattet ihr denn auch so eine fiese Betreuerin? Oder einen fiesen Direktor?", fragte Toby. „Ähm, nein, der Direktor war unglaublich nett und für alle Schüler da. Der Hausmeister war nur ziemlich schnell angenervt und verdonnerte mindestens jeden von uns einmal in seinem Internatsleben zu irgendeiner Strafe. Wir hatten schon das Gefühl, er hätte eine geheime Liste, mit Kindern, die bereits bestraft wurden, und mit denen, die bisher davongekommen waren."

„Und du? Wurdest du auch bestraft?", fragte er dann. Die Erinnerung daran brachte mich zum Lachen. „Jaa! Das war ganz am Anfang, als ich etwa einen Monat da war. Mary und ich hatten uns sofort angefreundet und wollten natürlich Janet- unsere Mitbewohnerin- einen Streich spielen, die wir auf den Tod nicht ausstehen konnten. Also besorgten wir einen Eimer mit heißem Wasser, als sie gerade schlief und hielten ihre Hand hinein. Was dann passierte, kannst du dir sicherlich denken...", grinste ich.

„Der Pipi-Streich? Den habt ihr gebracht?" Toby war offenbar sehr fassungslos, doch er lachte. „Ja, aber das schlimmste kam noch! Natürlich ist sie davon aufgewacht und wir mussten sosehr kichern, dass sie merkte, dass wir nicht schliefen. Was wir nicht wussten: Der Hausmeister war ihr Onkel!" „Nein!", rief Toby. „Doch! Und sie rannte zu ihm und verpetzte uns. Tja, eine Woche Hofdienst für die Schlangen, die seine Nichte verarscht hatten." Ich lachte nun so sehr, dass ich kaum reden konnte.

 Toby stieg mit ein. „Und wie lange war sie noch sauer?", fragte er schließlich. Ich überlegte. „Sie etwa drei Monate, er nur ungefähr eine Woche. Aber irgendwann vertrugen wir uns und ich konnte mir keine besseren Mitbewohner vorstellen, als Mary und Janet. Wieder lachte ich.

Dann hörte ich, wie Dad mich rief. Ich schaute auf die Uhr und sah, dass es kurz vor ein Uhr war. Waaas? So lange haben wir geredet? Und irgendwie wieder nur ich... Nächstes Mal ist er ja wohl dran! „Oh, ich muss dann. Danke für den tollen Abend.", sagte ich und klopfte mir den Rasen von den Beinen. „Gleichfalls.", sagte Toby und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Gute Nacht." Mit diesen Worten verschwand er im Haus und ich ging mit Dad wieder herüber. Was ein Tag!...

||Der Pipi-Streich! Ouh man. Die hat es ja faustdick hinter den Ohren!  Aber dass der Hausmeister auch einfach ihr Onkel war, ist ganz schön fies, findest du nicht? Na ja, bei der Erinnerung daran musste Sam ja ordentlich lachen, kann also nicht so schlimm gewesen sein ;-)

Bis bald, deine Helen ; )

Mein Blog: http://storysbyhelen.blogspot.de/

Das JahrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt