14

55 4 6
                                    

„Mum! Dad!", rief ich panisch. „Was ist los? Wo ist Matthew?"

 Ich hatte so eine unglaublich große Angst um meinen Bruder, dass mir schwindelig wurde. Dad hob den Kopf und sah mich an. In seinen Augen schimmerten Tränen. Dann, endlich, fing er an zu sprechen.

 „Deinem Bruder geht es gut. Er schläft oben. Aber deine Grandma..."

 Gerade hatte ich erleichtert aufgeatmet, als ich wieder panisch wurde. Was ist mit ihr geschehen? Bitte, bitte, bitte nicht!, flehte ich.

„Wir haben vor einer halben Stunde einen Anruf aus dem Krankenhaus bekommen. Sie ist heute Morgen an einem Herzinfarkt gestorben.", sagte Dad sehr leise.

 Ich realisierte erst später, was er gesagt hatte und sofort begannen meine Tränendrüsen mit ihrer Arbeit. Nein. NEIN! Nicht Grandma. NICHT. MEINE. GRANDMA! WACH AUF SAM WACH AUF!!

Dad, der sah, wie ich in meinen Arm kniff, nahm sanft meine Hand und drückte sie.

„Deine Mum und ich fahren morgen zu der Beerdigung. Möchtest du mitkommen? Den ersten Schultag würdest du mitkriegen und am dritten wärst du wieder da. Du kannst aber auch hierbleiben. Du entscheidest."

 Also war das alles echt? Grandma war wirklich tot? Die Tränen flossen aus meinen Augen und wollten gar nicht mehr aufhören.

„Ich, äh, ich bleibe hier. Wir können ja mal zum Grab..." Meine Stimme brach und ich räusperte mich. „Zum Grab fahren, aber ich möchte im letzten Jahr wirklich nichts versäumen. Ich denke, ich geh dann mal hoch. G... Gute Nacht Mum, Gute Nacht, Dad."

Ich gab beiden einen Kuss auf die Wange und ging langsam die Treppe hinauf. Hunger hatte ich ganz bestimmt keinen. Ich wollte jetzt nur noch in mein Bett und für mich selbst um meine Großmutter trauern.

Ich packte noch meine Strandtasche aus, ging Zähne putzen und zog meinen Pyjama an. Dann legte ich mich in mein Bett und schaute an die Decke, während ich an Grandma dachte.

 Meine Tränen hörten einfach nicht auf. Ich dachte an die viele Zeit, die ich mit ihr verbracht hatte und lachte, als ich an die Späße dachte, die wir gemacht hatten. Das ist jetzt alles vorbei.

„Ich liebe dich, Grandma.", flüsterte ich. „Machs gut da oben. Und pass auf Grandpa auf."

Irgendwann war ich eingeschlafen.

Am nächsten Morgen herrschte am Frühstückstisch eine leere Stimmung. Wir machten das, was wir jeden Morgen machten. Und doch war es anders. Wir hatten einen wichtigen Menschen verloren, mit dem wir sehr viel Zeit verbracht haben.

 In zwei Wochen wollte Grandma vorbeikommen, um unser neues Zuhause zu begutachten. Stattdessen müssten Mum und Dad nun nach Potty fahren, an der Beerdigung teilnehmen und die Wohnung frei machen.

 Ja, Grandma war gesund. Sie konnte noch laufen, arbeitete ab und zu im Garten, kochte, putzte und war eine freundliche, aufgeweckte und fröhliche Person. Und doch war ihr Leben nun zu Ende.

 Als mir wieder einmal klar wurde, dass ich sie niemals wiedersehen würde, wurde mein Herz schwer und ich fing an zu weinen.

Mum bemerkte es und nahm mich in den Arm. Sie musste noch viel mehr leiden. Immerhin war es ihre Mutter.

„Sam, ich weiß, dass es schwer ist. Für uns alle ist es schwer. Doch wir müssen weitermachen wie vorher. Grandma bleibt in unserem Herzen und sie wacht von oben über uns." „Oder von unten", sagte ich. „Oder von unten." Mum kicherte etwas und strich dann meine Tränen weg. Doch es kamen immer wieder neue. „Das wichtigste ist, dass wir jetzt stark bleiben, okay? Du gehst heute in die Schule und bleibst stark als neue Schülerin und dein Dad und ich gehen heute Nachmittag auf Grandmas Beerdigung und bleiben stark als Angehörige, die ein wichtiges Familienmitglied verloren haben. Morgen gegen Mittag werden wir wieder hier sein, denn wir brechen schon morgen nach dem Frühstück auf. Matthew nehmen wir natürlich mit. Ich glaube an dich, Sam. Du schaffst das, da bin ich mir sicher."

Mum gab mir einen dicken Kuss und fing an, den Tisch abzuräumen. Ich glaubte ihr. Ich war mir sicher, dass ich es schaffen würde. Mich würde schon keiner verurteilen. Ich hoffte nur, dass ich in der Schule nicht anfing zu weinen, weil ich wieder an Grandma denken würde.

„Ich gehe mich dann fertig machen.", sagte ich und ging nach oben.

Wieso ist Mum so stark? Es hat sie doch viel schlimmer getroffen. Ich weiß nicht, was ich machen würde, wenn sie plötzlich nicht mehr da wäre. Vermutlich gar nichts mehr. In diesem Moment wurde mir erst richtig bewusst, wie schnell das Leben vorbei sein kann. Urplötzlich tat mir alles Leid, was ich manchmal zu Mum gesagt hatte, wenn ich wütend auf sie war.

Eine halbe Stunde später nahm ich zuversichtlich meine Tasche und machte mich auf den Weg zur Bushaltestelle. Zum Abschied gab ich Mum und Dad noch einmal einen Kuss auf die Wange und umarmte sie herzlich.

„Bis morgen. Ich hab euch lieb.", sagte ich, denn sie würden losfahren, wenn ich gerade aus der Schule kam. „Bis morgen, Maus. Wir dich auch." „Wir sind stolz auf dich!", rief Mum noch, dann ging die Tür zu.

Dann mal los.

||R.I.P. Grandma Whixton. Die arme Sam, jetzt muss sie auch noch als neue Schülerin in die Schule gehen. Wie die anderen wohl auf sie reagieren? Immerhin ist sie eine normale Schule nicht gewohnt, sie ging schließlich immer auf ein Internat, und da läuft einiges anders. Was denkst du, wie es ihr ergehen wird?

Bis bald, deine Helen ; )

Mein Blog: storysbyhelen.blogspot.de

Das JahrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt