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  Ich würde ja gerne sagen, dass Toby und ich im Sommer, während ich über den Sandstrand von Waterly lief, und meine Zehen im goldenen Sand einsanken, wieder zusammen waren. Es war nicht so.
Wenn ich als Kind von einer Geschichte, die meine Grandma mir vorgelesen hatte, enttäuscht war, streichelte sie mir immer über den Kopf und lächelte. Dabei sagte sie: „Was zählt, ist nicht das Happy End, sondern die Geschichte dahinter."
„Aber es gibt hier doch gar kein Happy End!", hatte ich bei dem Märchen der kleinen Meerjungfrau protestiert. Die starb schließlich am Ende.
„Wenn es kein Happy End gibt, ist die Geschichte doch umso wichtiger, Sam", hatte Grandma dann gemeint.
Und so war es auch bei Toby und mir. Rückblickend ist unsere Geschichte viel wichtiger als ein Happy End. Wir hatten vieles erlebt und genau diese Erlebnisse machten unsere Beziehung aus. Wie wir uns im Restaurant seiner Eltern kennengelernt hatten, als er mich vor dem ekelhaften Säufer gerettet hat, wie wir meine Möbel zusammengebaut hatten, das lange Reden am Abend unseres Einzugs, als wir beide sämtliche Grashalme rausrissen, das Picknick im Wald, zu dem ich Toby gefolgt war, weil er beleidgt getan hatte, und auch unser Date auf seinem Dachboden, bei dem er mir gestand, dass er sich in mich verliebt hatte.
Ich sah auf das Meer und dachte daran, wie wir hier schwimmen waren, im letzten Sommer. Es war nun knapp ein Jahr her, dass ich mit Mum, Dad und Matthew hierher gezogen war – und soviel hatte sich verändert.

Wieder zuhause erwartete mich ein Plüschauto direkt neben der Eingangstür. Ich warf meine Flip Flops in die Ecke und ging ins Wohnzimmer, wo Matthew gerade auf seiner Spieldecke saß und ein wenig in einem Heft herumkritzelte. Das machte er schon seit einigen Tagen, und mein altes Matheheft war mittlerweile vollkommen bunt.
„Sam!", schrie er, als er mich entdeckte. Mühevoll stand er auf und lief auf seinen kleinen Beinchen zu mir. Seit einigen Wochen konnte er alleine gehen und tat das immer wieder. Dass das ganze sehr wackelig ausfiel, machte es nur noch niedlicher. Ich hob meinen Bruder hoch und strich ihm ein paar seiner dunklen Haare aus dem Gesicht. Die hatte er definitv von Dad geerbt.
„Wo sind denn Mummy und Daddy?", fragte ich und Matthew streckte seine kleine Hand in die Richtung der Treppe.
„Okay, dann geh ich kurz hoch. Willst du mit?" Matthew schaute mich mit großen Augen an und nickte, weshalb ich mit ihm die Treppe hochging.
„Mum, Dad? Wo seit ihr?"
„Hier, Maus!", kam eine Stimme aus dem Schlafzimmer meiner Eltern. Dort stand mein Dad und band seine Krawatte. Er trug einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd darunter. Die Krawatte war hellblau.
„Wo geht's hin?", fragte ich und setzte Matthew ab. Er stand sofort auf und ging zum Bett, auf das er kletterte und sich hinsetzte. Dann beobachtete er Dad und mich.
„Dein Dad und ich müssen zum Geburtstag von Mr. Books. Du passt ja bestimmt auf Matthew auf" sagte Mum und kam ins Zimmer. Sie trug ein langes, hellblaues Kleid, farblich abgestimmt mit Dads Krawatte.
„Klaro", stimmte ich zu und setzte mich kurzerhand neben Matthew.
„Super Maus. Ich hab heute wieder ein paar Tiefkühlpizzen mitgebracht, du kannst du dir ja nachher eine davon machen"
„Keine Sorge Dad, ich komm schon klar.", lachte ich.

Nachdem ich Matthew abends ins Bett gebracht hatte, schob ich mir eine der besagten Tiefkühlpizzen in den Ofen und fing an, die Küche ein wenig aufzuräumen. Immer wieder sah sie aus wie ich Schlachtfeld, weil Matthew es nicht lassen konnte, seine vollgeklehten Hände auf die Schränke zu legen.

Während ich so putzte, dachte ich wieder einmal über Toby nach. Ich fragte mich, ob er mich wohl vermissen würde, und ob er so oft an mich dachte, wie ich.
Ich hatte keinen Liebeskummer, den hatte ich nicht einmal am Tag nach unserer Trennung gehabt. Ich hatte sogar das Gefühl, dass meine Eltern trauriger darüber waren, als ich. Ich war am Punkt angekommen, an dem es mir wichtiger war, mit Toby im Kontakt zu bleiben, als unsere Beziehung zu retten.

Trotzdem hab ich seitdem nichts von ihm gehört, und mich selbst auch nicht getraut, ihn anzuschreiben, oder anzurufen - oder einfach auf die andere Straßenseite zu gehen.

Das Piepen des Ofens holte mich aus meinen Gedanken und ich nahm die Pizza aus dem Ofen und setzte mich an den Tisch. Dabei starrte ich mein iPhone an, auf dem der Chat von mir und Toby geöffnet war. Das letzte Mal, dass wir geschrieben hatten, war am Tag des Balls, als ich ihn gefragt hatte, ob er eine graue Krawatte hätte. Er hatte geantwortet, dass er nur eine schwarze hatte, und hatte geschrieben, dass er mit egal welcher Krawatte gut aussehen würde. Ich grinste und wie in Trance bewegten sich meine Finger von ganz alleine über die Tastatur, schrieben ein „Hey :)" und schickten es ab. Inmitten der Bewegung erstarrte ich, und sah, wie er die Nachricht geöffnet hatte.
Ich schloss Whatsapp und löschte meinen Verlauf. Dann öffnete ich es erneut, um zu sehen, ob er es wirklich geöffnet hatte, oder ob ich es mir eingebildet hatte. Am Ende hab ich noch Hallos... Diesmal schrieb er. Ohgottohgottohgott! Ich blieb online und starrte auf den Display, bis Tobys Name aufleuchtete.
„Hey :(", hatte er geschrieben. Wieder erstarrte ich und merkte, wie die Panik in mir hochkroch. Wofür der traurige Smiley? Dafür, dass ich mich so lange nicht gemeldet hatte? Ich überlegte, was ich schreiben sollte, als erneut eine Nachricht kam.
„ :)*, sorry falsche Taste" Erleichtert atmete ich auf.
„Was machst du?", fragte er dann. Okay, er ist einigermaßen gesprächig, und wartet nicht darauf, dass ich wieder was schreibe.
„Pizza futtern, meine Eltern sind weg. Und du? Wie geht's dir?"
„Ganz okay, denke ich. Und dir?" Ganz okay beschreibt so ziemlich mein Gefühl.
„Ich glaube, ganz okay trifft es ganz gut..."
„Kann ich rüberkommen?"
„Klar", textete ich zurück und sah mich um. Alles aufgeräumt.
Ich freute mich, dass er herkommen wollte. Getrennt hatten wir uns vor etwa fünf Wochen- und seitdem nicht gesehen.

Es klopfte und während ich zur Tür ging, lächelte ich. Er wusste, dass Matthew um diese Zeit schlafen würde und klingelte deshalb nicht.
„Hey", sagte ich und zog die Tür auf.
„Hey.", antwortete er und trat ein, stellte seine Schuhe ab und ging ins Wohnzimmer. Ich folgte ihm und wir setzten uns auf das Sofa.
Die Situation war seltsam. Ich musste an den Tag zurück denken, an dem wir in meinem Zimmer die Möbel aufgebaut hatten, und wie er mich geküsst hatte. Dann waren wir von meinem Dad unterbrochen worden und schwiegen uns daraufhin an. Bei dem Gedanken an diese seltsame Stimmung musste ich kichern. Toby sah mich verwundert und erschrocken zugleich von der Seite an.
„Was ist?", fragte er. Also erzählte ich ihm, was mir durch den Kopf gegangen war und er lachte mit.
„Ich hab dich vermisst", sagte er. Ich nickte.
„Ich dich auch."
„Denkst du, es wird so wie am Anfang?"
„Nein. Ich weiß nicht, ob wir wieder zusammenkommen. Ich weiß aber auch nicht, ob ich es will. Oder ob ich einfach will dass wir gute Freunde bleiben.", murmelte ich.
„Ja, da hast du Recht. Ich glaube, wir müssen einfach sehen, was die Zukunft bringt. So genau kann es keiner von uns sagen, also, was passiert, meine ich."
„Ja.", stimmte ich zu.
Damit hatte er Recht.
Wer wusste schon, was die Zukunft für uns bereithielt? Wir würden es selbst herausfinden müssen...


|| Tadaaa, da ist das letzte Kapitel! (Sogar extra lang hihi)

Ich muss gestehen, jetzt wo es gepostet ist, weiß ich nicht, was ich schreiben soll. 

Nächste Woche kommt noch der Epilog und dann ist diese Geschichte zuende. Das ist echt Wahnsinn.

Hättest du gedacht, dass es so ausgeht? Wie fandest du das letzte Kapitel?

Bis bald, 
deine Helen ;-)
 

Mein Blog: https://storysbyhelen.blogspot.de/

Das JahrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt