46

16 3 0
                                    

„Ahh, Hallo Sam!" Mrs Socks schenkte mir ein freundliches Lächeln und drehte sich dann um, um über den großen, langen Flur nach hinten in das kleine Wohnzimmer zu gehen. Ich folgte ihr, und auch Balty tippelte auf den Fliesen hinter uns her.

Das Wohnzimmer von Mrs Socks war in einem sanften orangefarbenen Ton gestrichen und an dem großen Fenster, das direkt gegenüber der Tür lag, hingen weiße Gardinen. Auf der rechten Seite stand Mrs Socks' Sessel, sowie ihr geliebter Schrank für ihre Wolle und ein kleiner Tisch. Einen Fernseher hatten meine Augen schon des öfteren vergeblich gesucht. Im linken Teil des Zimmers befand sich ein brauner Tisch aus Eiche- aus dem Jahr 1971, wie Mrs Socks mir freudig erzählt hatte- und weiße Stühle mit orangefarbenen Sitzkissen um den Tisch herum. Neben dem Tisch befand sich auch eine Tür, die in die kleine Küche führte.

Mrs Socks lies sich auf ihrem Sessel nieder und schaute mich erwartungsvoll an.

„Soll ich Ihnen einen Tee machen?"

„Nein Kindchen, pack bloß schnell die Wolle aus. Ich bin schon ganz aufgeregt. Die Tasche steht gleich da vorne neben der Tür, in der zweiten Schublade unter dem Kühlschrank ist eine Schere. Geh und schneide die Verpackungen ab. Der Tee muss bis nach dem Einräumen warten.", antwortete die alte kleine Frau und ihre Augen leuchteten.

Schnell holte ich die Schere und die Tasche und packte alle Wollknäuel aus. Ich legte sie sorgfältig nebeneinander und begann dann, eine nach der anderen von ihrer Verpackung zu befreien. Mrs Socks beobachtete mich die ganze Zeit, und immer, wenn ich sie anschaute, lächelte sie, runzelte dann aber ihre faltige Stirn.

Also sortierte ich weiter.

Da wir nicht sprachen, rutschten meine Gedanken wie automatisch zu Toby. Was macht er gerade? Denkt er an mich? Denkt er so oft an mich, wie ich an ihn? Tut es ihm Leid?

Ich sah sein Gesicht vor mir, wie er versucht hatte, mich aufzuhalten und wie er sich umgedreht hatte und zurück zu seinem Haus gegangen war. Und obwohl ich es nicht wollte, zogen sich meine Mundwinkel wie von Geisterhand gezogen nach unten. Mrs Socks, die dies durch ihre ständige Beobachtung natürlich sofort bemerkte, schaute mich erschrocken an.

„Was hast du Kindchen?"

„Ähm. Nichts. Alles gut, Mrs Socks." Das Bild der Wolle verschwamm vor meinen Augen und ich blinzelte, nur um zu sehen, wie eine Träne auf den roten, zusammengesponnenen Fäden landete.

„Komm mal her.", forderte Mrs Socks mich auf, und während ich aufstand und mit zitternden Händen zu ihr ging, lagen ihre wachen Augen auf mir. Ich setzte mich auf einen Stuhl, den ich vom Esstisch holte und nahm das Taschentuch entgegen, das sie mir hinhielt.

„Jetzt holst du erstmal tief Luft und ich werde den Tee holen."

„Mrs Socks, ich...", wollte ich einwenden, doch sie unterbrach mich.

„Nein, Samantha, ich werde gehen. Ich denke, ich bringe noch einige Kekse mit.", sagte sie und verschwand mit ihrem Krückstock durch die Tür in die Küche.

Etwas später saßen wir jede mit einer dampfenden Tasse Tee in der Hand, einer Decke auf den Beinen und einem Teller Kekse zwischen uns in Mrs Socks' kleinem Wohnzimmer. Ich hatte ihr die gesamte Geschichte von Toby und mir erzählt, von dem Tag, an dem wir hergezogen waren über unseren gemeinsamen Familienurlaub, bis zu unserem Streit, der mich seit Tagen beschäftigte. Nun wartete ich auf ihr Urteil.

Sie nahm sich einen Keks und biss hinein. Während sie langsam kaute und dabei nachdenklich in ihre Tasse schaute, als stünde dort die Antwort, fragte ich mich, wieso ich ihr das alles erzählt hatte.

Ich kannte diese Fau nicht. Ich erledigte gerade mal einige Aufgaben für sie - und erzählte ihr obendrein einfach meine Beziehungsprobleme. Vielleicht lag es aber genau daran; dass ich sie nicht kannte. Vielleicht half es mir, mit einer fremden Perosn darüber zu sprechen. Mary und Janet hatten schließlich genau das gesagt, was ich hören wollte: Ich hätte richtig gehandelt und Toby hätte sich zu entschuldigen. Jetzt wollte ich einfach einen Rat von jemand anderem.

Von Jemandem, der mehr Lebenserfahrung hatte.

Von Jemandem wie Mrs Socks.

„Lieben: nicht anhalten, nicht festhalten, nicht einengen, nicht erwarten, aber kommunizieren.", sagte Mrs Socks plötzlich. Ich starrte sie an.

„Monika Minder. Mach den Mund zu. Das sieht nicht schön aus." Sie seufzte. „Was ich damit sagen will: Halte dich nicht an Toby fest, und erwarte nicht, dass er zu dir kommt. Kommuniziere mit ihm. Geh hin und rede mit ihm. Ich bin mir ganz sicher, ihr findet einen Weg. Und dann", sie grinste schelmisch und schaute sich einmal um, „dann kommst du wieder her und berichtest mir, während du die Wolle einräumst."

Ich schaute sie immernoch an, sagte immernoch nichts.

„Na worauf wartest du? Hopp Hopp!" Mit ihren Händen machte sie eine Bewegung in meine Richtung, als würde sie Fliegen verscheuchen. Immernoch perplex stand ich auf und ging in die Richtung der Haustür. Mrs Socks folgte mir eilig und holte mich schließlich ein.

„Egal, was passiert. Alles wird gut. Höre auf dein Herz und darauf, was es dir sagt. Und nun, geh." Sanft beförderte sie mich hinaus und winkte mir nochmal zu.

„Danke! Danke Mrs Socks. Bis später!", rief ich, da ich nun endlich meine Stimme wiedergefunden hatte, und machte mich auf den Weg zu Tobys Haus.

Schon nach einem kurzen, aber schnellen Fußmarsch stand ich vor seiner Tür. Ich wollte gerade klopfen, als sich im oberen Stock ein Fenster öffnete und Toby seinen Kopf herausstreckte.

„Sam?", fragte er ungläubig.

„Toby!", erwiderte ich, erleichtert, ihn zu sehen...

||So So... Mrs Socks... Was hältst du von ihr? Und wie geht es zwischen Toby und Sam weiter?

Bis bald,

deine Helen ;-)



Das JahrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt