Kapitel 9

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In den nächsten Minuten wurde auf beiden Seiten des Raumes heftig diskutiert. Immer wieder schrien die Menschen sich an. Ich hingegen blieb einfach ruhig an meinem Platz sitzen und beobachtete alles, so als wäre es ein Film und ich wäre nur ein Zuschauer und nicht selbst in der Situation.

Irgendwann stand Alex auf und es wurde immer leiser im Raum. „Darf ich mal bitte kurz um eure Aufmerksamkeit bitten.", sagte er mit fester Stimme und brachte somit auch die letzten Gespräche zum Verstummen.

„Dankeschön." Er lächelte kurz und fuhr dann fort: „Wir haben jetzt einen Plan ausgearbeitet. Zum Glück haben wir zwei Messer, das heißt es werden sich zwei Personen zur Tür stellen, eine links vom Türrahmen und eine rechts vom Türrahmen. Wenn er dann den Raum betritt wird einer sich auf ihn stürzen und versuchen ihm in den Bauch zu stechen. Die zweite Person ist zur Sicherheit da. Sie greift nur ein, wenn etwas schiefgeht und das wird es nicht. Wenn der Amokläufer dann am Boden liegt, werden wir ihm die Waffe abnehmen. Da wir ja genug Leute sind, die auf ihn aufpassen, kann er uns nicht abhauen. Ein paar von uns werden dann nach draußen gehen und die Polizei anrufen, falls sie noch nicht da ist und dann sind wir frei.", beendete er seine Rede mit einem triumphierenden Grinsen.

Nach und nach begannen alle zu applaudieren, auch ich stieg mit ein und ließ mich von der Freude anstecken. Zum ersten Mal hatte ich wirklich die Hoffnung, dass wir es schaffen könnten, und auch schaffen würden, hier wieder rauszukommen.

„Sagt mal, spinnt ihr eigentlich alle? Das kann doch gar nicht gutgehen! Wir werden gar nichts tun, sondern einfach abwarten!", schrie Amy wutentbrannt. „Wir werden sein Verhalten analysieren und dann erst entscheiden wie wir handeln! Alles andere wäre ein fataler Fehler! Alex du kannst doch nicht wirklich so dumm sein! Oder haben dir deine ganzen scheiß Eiweißshakes dein Gehirn vernebelt?" Sie sprang auf und stürmte dann wütend auf Alex zu.

Als Amy vor ihm stand und ihre Arme aggressiv in ihre Seiten stemmte, stand auch Alex auf und sah mit genervtem Blick zu ihr herunter.

„Jetzt hör mir mal gut zu Amy. Schau dich in diesem Raum um. Es gibt zwei Lager, die Mutigen und die wartenden Loser. Gott sei Dank sind die Mutigen in der Überzahl und mit dem System der Demokratie bist du doch sicher vertraut, oder nicht? Die Mehrheit möchte kämpfen, also werden wir kämpfen! Und jetzt setzt dich einfach wieder dahinten hin und halt die Klappe. Ich weiß echt nicht wieso ich mal mit dir zusammen war. Du bist so lächerlich!", sagte er und verschränkte in einer provozierenden Geste die Arme vor der Brust. Seine Anhänger drückten mit erneutem Jubel ihre Zustimmung aus, doch dieses Mal fiel ich nicht in den Applaus mit ein.

Ich saß einfach nur da und schaute die beiden an, die sich jetzt gegenseitig böse Blicke zuwarfen.

Amy unterbrach den Augenkontakt mit Alex und sah zu ihren Leuten herüber, doch niemand erwiderte ihren Blick. Er schweifte hilfesuchend durch die Reihe, doch alle sahen auf den Boden, niemand erwiderte ihn. Als letztes sah sie mich an. Sie flehte mich mit ihrem Blick förmlich an ihr zu helfen, doch ich sah weg, wie alle anderen. Ich glaubte an Alex und seinen Plan, deshalb konnte ich ihr einfach nicht helfen.

Sie wendete sich wieder ihrem Exfreund zu und antwortete mit fester Stimme: „Setz doch deinen beschissenen Plan in die Tat um, aber ich sage dir nur eins: Du machst einen fatalen Fehler!" Amy drehte sich um und kehrte auf ihre Seite zurück. Dort ließ sie sich sichtlich frustriet wieder auf dem Boden nieder.

Alex sah ihr nur kurz mit einem abschätzigen Blick hinterher und setzte sich dann auch wieder hin.

Innerhalb der nächsten Minuten führte Alex mit seinen Leuten eine hitzige Diskussion. Ich verstand nicht worum es genau ging, da ich zu weit weg saß. Jedoch wurden sie immer mal wieder etwas lauter und gestikulierten wild mit ihren Händen herum. Ich hörte nur, dass ständig Namen hin und her gerufen wurden. Sie schienen zu überlegen wer von ihnen den Plan ausführen würde. Ich versuchte den Lärm auszublenden und sah mich um.

Ich sah von einer Seite zur anderen. Wir hatten uns in zwei Lager aufgeteilt, die Mutigen und die Loser, wie Alex so schön gesagt hatte. Nur ich saß hier allein, fernab von beiden Gruppen. Ich gehörte zu niemandem. Ich war nur ein stiller Beobachter und um ehrlich zu sein, war ich froh darüber. Denn wenn ich keine Entscheidung treffe, bin ich auch nicht daran schuld, wenn etwas schiefgeht.

Nach ein paar Minuten wurde es wieder still im Raum, die Diskussion schien also beendet zu sein. Zwei Jungen erhoben sich aus der Menge und gingen zur Tür.

Ist das nicht Manuel aus dem Footballteam?

Ich sah noch einmal genauer hin. Ja, er war es! Ich kannte ihn von diversen Partys, auf die mein Bruder mich mitgenommen hatte. Er war eigentlich ein ganz netter Kerl und schon wirklich lange mit Ryan befreundet.

Oh mein Gott, Ryan! Wo ist er? Lieber Gott, bitte lass ihn nicht hier sein!

Ich ließ meinen Blick hektisch durch die Menge wandern, doch ich konnte ihn nirgends entdecken. Um sicher zu gehen wiederholte ich das Ganze, jedoch sah ich mir dieses Mal jede Person genauer an. Er war nicht hier. Ich atmete erleichtert aus. Er war nicht hier. Mein Bruder war sicher. Also war zumindest etwas in Ordnung. Wie konnte ich nur so spät erst an ihn denken? Ich atmete nochmal aus, lehnte meinen Kopf an die Wand und schloss für einen kurzen Moment meine Augen. Ich wollte einfach nur noch hier raus. Wenn dieser Plan schiefging, würde ich wirklich noch durchdrehen! Schon wieder kullerten mir kleine Tränen die Wange hinunter. Ich kniff meine Augen fester zusammen, um sie zu stoppen. Doch es half nichts, sie liefen mir unaufhaltsam die Wangen hinunter.

Plötzlich hörte ich wie die Tür geöffnet wurde und riss meine Augen wieder auf.

Was passiert jetzt? Schaffen wir es oder schaffen wir es nicht?

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