Kapitel 14

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„Entspannen Sie sich wieder. In ihrem Alter sollten Sie sich nicht mehr so doll aufregen, das ist schlecht fürs Herz.", sagte John mit seelenruhiger Stimme. Ich sah wie Mr. King seine Hände zu Fäusten ballte und hörbar ausatmete.

Der Amokläufer nahm den Stuhl, der hinter ihm stand und trug ihn zu Mr. King. „Setzen Sie sich.". Es klang mehr wie ein Befehl als eine Aufforderung. Mr. King setzte sich schweigend auf den Stuhl.

„Wären Sie jetzt bitte so freundlich und würden mir und dem Rest der Anwesenden das Prinzip Ihres Allgemeinbildungsquiz verraten?", bat John ihn während er sich auf den Tisch setzte. „Na schön, was genau soll ich erzählen? Die Regeln?", hakte Mr. King nach. Ich konnte ihm im Gesicht ansehen, dass er nicht sonderlich begeistert war über dieses Allgemeinbildungsquiz zu sprechen.

„Erzählen Sie einfach ein bisschen was, wir haben ja Zeit. Sie dürfen auch erzählen wieso sie es gespielt haben und wie oft.", erklärte John während er mit einem der Messer etwas in den Tisch ritzte.

Mr. King setzte sich noch aufrechter hin, faltete die Hände im Schoß und begann zu sprechen: „Ich habe das Allgemeinbildungsquiz schon während meinem Referendariat gespielt, da es für die Schüler immer eine tolle Möglichkeit war gute Noten zu bekommen."

John lachte auf und schüttelte langsam den Kopf. Mr. King sah zu ihm herüber. „Reden Sie ruhig weiter. Ihre Version der Geschichte interessiert mich.", winkte John ab.

Mr. King nickte langsam und fuhr fort: „Am Anfang jeder Stunde kommen immer zwei Schüler zu mir nach vorne und ich frage dann ein paar geschichtliche Daten und Zusammenhänge ab. Wer schneller ist, bekommt einen Punkt. Nach zehn Fragen hat der Schüler mit den meisten Punkten gewonnen. Wenn es unentschieden steht, gibt es eine finale Frage. Wer sie richtig beantwortet bekommt ein A+ und der Verlierer muss für die nächste Unterrichtsstunde ein Referat vorbereiten, da er anscheinend noch Defizite im Fach Geschichte hat."

Ein Referat vorbereiten nur weil eine andere Person besser war als man selbst ist mies, aber sonst klingt das Quiz doch fair. Wieso wollte John, dass Mr. King uns das erzählte? Ich beobachtete ihn. Er hielt das Messer mit seiner Hand fest umklammert und bewegte es auf dem Tisch wie eine Säge hin und her. Er schien wütend zu sein, aber warum?

„Sind Sie fertig?", fragte er gereizt und hörte dabei nicht auf mit dem Messer den Tisch durchzusägen. „Ja, das bin ich.", erwiderte Mr. King schlicht. John begann das Messer immer schneller zu bewegen. „Haben Sie nicht ein paar wichtige Details vergessen?", brachte er mit gepresster Stimme hervor.

„Welche Details?", fragte Mr. King.

John hörte abrupt auf das Messer zu bewegen. Für ein paar Sekunden geschah nicht viel. Ich konnte nur sehen wie sein Arm anfing zu zittern. Er schien das Messer fest zu umklammern.

Plötzlich sprang er vom Tisch und warf das Messer mit voller Wucht von sich weg.

Es flog einen halben Meter über Mr. Kings Kopf hinweg und blieb schließlich in der Wand stecken. Zum Glück war es eine der beiden Wände, an denen niemand saß.

Ich zuckte erschrocken zusammen, das hatte ich nicht erwartet. Obwohl er schon mehrmals wie aus dem Nichts ausgerastet war, schockierte es mich jedes Mal auf Neue wie schnell er von 0 auf 180 sein konnte.

Im Raum herrschte eine bedrohliche Stille, sogar die Lautsprecher waren mittlerweile ausgeschaltet. Ich hatte jedoch keine Ahnung seit wann, das so war.

Meine ganze Aufmerksamkeit hatte ich auf John gerichtet, um mich im Zweifelsfall vor weiteren Attacken schützen zu können. Er war wie eine Bombe. Er konnte jede Sekunde explodieren, ohne Vorwarnung, aber mit einem lauten Knall.

Dieses Mal blieb er ruhig. John ging gemächlich zur Wand zog sein Messer heraus und kehrte wieder an seinen alten Platz zurück. Als er saß grinste er Mr. King an: „Entschuldigung, ich wollte Sie nicht unterbrechen. Sie waren doch noch nicht fertig, oder?" Das letzte Wort betonte er besonders und zog dabei seine rechte Augenbraue fragend hoch.

Mr. King saß wie eine Statue auf seinem Stuhl. Er hatte sich keinen Zentimeter gerührt seit das Messer über ihn hinweggeflogen war.

John stand wieder auf und ging zu ihm. Er blieb unmittelbar vor ihm stehen und beugte sich zu ihm runter. „Sie dürfen weiterreden.", sagte er.

Mr. King rührte sich nicht.

John hob seinen Arm und schnipste ein paar Mal direkt vor seinem Gesicht.

Er reagierte immer noch nicht.

John flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin Mr. King seine Augen weit aufriss. „Sie dürfen sich entscheiden.", sagte John und setzte sich wieder auf den Tisch. „Ich gebe Ihnen eine Minute Zeit.", setzte er hinzu.

Mr. King bewegte sich immer noch nicht, er starrte nur stur geradeaus. Ich konnte seinen leeren Blick nicht länger ertragen und sah zu Boden. Was passierte hier nur?

Die Minute verging und ich rührte mich nicht um einen Millimeter und traute mich auch nicht meinen Blick zu heben. Ich konnte nicht wieder zu Mr. King sehen. Sein Blick hatte so leer, so gebrochen gewirkt.

„Tick, tack, tick, tack. Oh, die Zeit ist abgelaufen. Reden Sie oder soll ich?", fragte John. Ich konnte den fiesen Unterton deutlich aus seiner Stimme heraushören. Ich richtete meinen Blick wieder auf die beiden.

Mr. King räusperte sich bevor er mit leiser Stimme antwortete: „John, wenn du von der Sache mit Oliver sprichst, kann ich mich nur noch einmal wiederholen. Ich habe damit nichts zu tun. Hör auf nach einem Schuldigen zu suchen, es ist vorbei. Komm darüber hinweg."

John schnaubte: „Darüber hinwegkommen.", murmelte er leise. „Ich soll darüber hinwegkommen? Sie, Sie blödes Arschloch sind daran schuld was passiert ist und Sie schämen sich keine Sekunde dafür! Sie sind wirklich das Allerletzte!", schrie er aufgebracht.

Für einen Augenblick herrschte völlige Stille im Raum. Ich konnte Chase neben mir nicht einmal mehr atmen hören. Johns Worte wiederholten sich in meinem Kopf immer wieder, wie eine hängengebliebene Schallplatte: „Sie blödes Arschloch sind schuld daran was passiert ist!"

Was ist passiert und wer ist Oliver? Die ganze Situation kam mir plötzlich total surreal vor, wie ein Albtraum, bei dem alles drunter und drüber geht.

Ich zog meine Knie näher an meinen Körper heran und umklammerte sie fest mit meinen Armen. Ich hatte keine Ahnung was hier gespielt wurde und wusste auch ehrlich gesagt nicht, ob ich das wissen wollte.

Das Quiz - Wer dumm ist stirbtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt