John blieb vor einer Person stehen. Doch ich konnte nicht erkennen wer es war, da sein Rücken mir die Sicht versperrte. „Möchten Sie spielen?", fragte er. „Muss ich?" Die Antwort kam von einer männlichen Stimme, die ziemlich unsicher und ängstlich klang. „Ja, das müssen Sie.", erwiderte John fröhlich. Er schien wieder in bester Laune zu sein, obwohl er vor wenigen Minuten einen Menschen getötet und seine Leiche einmal quer durch den Raum getragen hatte. Mir wurde immer noch schlecht, wenn ich in die Richtung der Leichen sah, aber John schien sich hier ausgesprochen wohl zu fühlen. Wie konnte ein Mensch nur so sein? Je länger ich hier saß, desto abstoßender fand ich John und desto mehr Angst machte er mir.
„Also, wie ist Ihr Name?", fragte John ungeduldig. „Logan Rogers.", antwortete er und jetzt wusste ich auch endlich mit wem John sprach. Mr. Rogers war ein ganz gewöhnlicher, schlanker Mann Mitte dreißig, der schon hier unterrichtete seit ich diese Schule besuchte. Ich hatte ihn zwar nie im Unterricht gehabt, doch ich wusste, dass die Meinungen über ihn verschiedener nicht sein könnten. Die einen fanden ihn sehr nett und hilfsbereit, andere hingegen hassten ihn aus tiefster Seele. Ich kannte Mr. Rogers jedoch nicht gut genug, um mir ein Urteil über ihn zu bilden.
„Okay, Mr. Rogers. Dann folgen Sie mir bitte zu dem Tisch." John ging wieder zu seinem Platz, ohne eine Antwort abzuwarten.
Mr. Rogers erhob sich langsam, folgte ihm und nahm schließlich auf dem Stuhl gegenüber von Jay platz.
„Es gelten die gleichen Regeln wie immer. Aber bevor wir anfangen, muss ich noch wissen welche Fächer Sie unterrichten, Mr. Rogers.", sagte John. „Mathematik und Erdkunde.", antwortete dieser knapp.
„Okay, dann können wir ja jetzt anfangen und Jay", John sah ihn mit einem scharfen Blick an, „merk dir eines; wer dumm ist stirbt."
Ich sah wie Jay für den Bruchteil einer Sekunde die Kontrolle über seine Mimik verlor und sich sein Gesicht vor Angst verzerrte. Doch dann sah er wieder genauso aus wie vorher und erwiderte locker: „Danke für die Info, aber ich bin nicht dumm, John."
John zog amüsiert die Augenbrauen nach oben und sah Mr. King an. „Haben Sie vielleicht Lust ein paar Fragen zu stellen? Ich möchte ja nicht, dass Sie sich langweilen." „Nein, danke.", antwortete er schroff ohne John anzusehen.
Es entstand eine Pause. John schien darüber nachzudenken, ob er Mr. Kings Verweigerung hinnehmen sollte oder nicht. Während er überlegte nutzte ich die Gelegenheit, um Chase anzusprechen. „Wir müssen etwas tun, sonst ist Jay der Nächste der stirbt." „Was denn? Möchtest du aufspringen und mit John diskutieren? Du siehst doch gerade was das bringt, Jay sitzt jetzt selbst dort! Oder möchtest du nochmal versuchen ihm die Waffe abzunehmen, weil es vorhin schon so gut funktioniert hat?" Er sah mich mit verständnislosem Blick an. „Es geht nicht, Zoe. Es geht einfach nicht."
Was sollte das denn? Eben war er doch noch bereit gewesen mir zu helfen! Ich bemühte mich die Wut, die in mir aufkeimte zu unterdrücken und ruhig zu sprechen. „Wir brauchen einfach einen guten Plan. Ich sehe ein, dass wir den im Moment nicht haben, aber irgendwann müssen wir einen machen. Du wolltest mir doch eben dabei helfen, oder nicht?" Ich flehte ihn mit meinem Blick stumm an, doch das schien ihn nicht zu interessieren. „Eben stand ich unter Schock. Jetzt sehe ich das Ganze realistisch. Wir können nichts tun ohne selbst dabei draufzugehen und wenn wir beide sterben, ist den anderen damit auch nicht geholfen. Er würde einfach ungestört weitermachen. Du siehst doch wie fröhlich er ist, obwohl er gerade erst Mr. Lee erschossen hat! Ich werde nichts tun und ich hoffe, dass du vernünftig genug bist auch nicht unüberlegtes zu handeln!" Obwohl er flüsterte, konnte ich hören wie aufgebracht er war, was mich jedoch nicht davon abhielt ihm eine pampige Antwort zu geben. „Ich möchte auch nichts Unüberlegtes tun. Wenn du keine Lust hast, werde ich eben ohne dich planen." „Du tickst doch nicht mehr ganz richtig." Er wandte seinen Blick von mir ab und ich rückte ein wenig zur Seite. Wenn er nicht wollte, sollte er mich eben in Ruhe lassen.
In der Zeit, in der ich mich mit Chase unterhalten hatte, war nicht viel passiert. John hatte sich anscheinend dazu entschlossen Mr. King in Ruhe zu lassen und selbst seine Fragen zu stellen, denn er begann gerade mit dem Quiz.
„Die erste Frage ist recht simpel. Ich dachte etwas Leichtes zum Einstieg wäre ganz nett. Wie lautet die Wurzel aus 4 356?" John grinste Jay böse an.
Also würde er die nächste Runde des Quizes auch manipulieren, großartig. Ich warf Chase einen bösen Blick zu, den er aber nicht bemerkte, da er gebannt nach vorne starrte. Wie konnte er nur nichts tun wollen? Ich brauchte wirklich dringend einen Plan, sonst würde Jay auch noch sterben und das musste ich unbedingt verhindern. Noch eine Leiche würde ich definitiv nicht ertragen.
„66", antwortete Mr. Rogers nun. „Richtig. Dafür, dass Sie Mathematiklehrer sind hat das aber ziemlich lange gedauert.", sagte John tadelnd. „Ich habe mir ja schon immer gedacht, dass nur die schlechten Studenten Lehrer werden. So einen scheiß Job würde kein intelligenter Mensch freiwillig machen."
Ich sah zu der gegenüberliegenden Seite des Raumes, um zu sehen, wie die Lehrer auf seinen provokanten Spruch reagierten. Doch es regte sich keine Miene. Niemand schien an seiner Aussage Anstoß zu nehmen. Wir hatten zurzeit ohnehin wichtigere Probleme als Johns dumme Sprüche, zum Beispiel die Tatsache, dass er schon wieder kurz davor war jemanden zu töten. Ich brauchte einen Plan und zwar schnell!
„Wie dem auch sei, der erste Punkt geht an Sie, Mr. Rogers.", meinte John und wendete sich dann Jay zu. „Du magst vielleicht cool sein, Jay, aber das bringt dir in dieser Situation gar nichts. Jetzt wirst du lernen was passiert, wenn die Streber, die du ja so gerne mobbst, sich wehren. Vielleicht denke ich mir ja für dich eine ganz besonders schlimme Todesart aus. Was hältst du davon? " „Die Frage ist eher was Sie vom elektrischen Stuhl halten, auf den Sie zweifelsohne kommen werden, nachdem die Polizei das ganze hier beendet hat.", antwortete Jay mit einem Grinsen.
Wie machte er das nur? John konnte ihn innerhalb einer Sekunde erschießen, wenn er es wollte und er tat trotzdem so als könnte ihm nichts passieren.
„Mut hast du wirklich. Aber was die Polizei angeht, würde ich mir nicht so viele Hoffnungen machen. Die brauchen Stunden bis sie das Gebäude wirklich stürmen und bis dahin bin ich mit meinem Quiz fertig."
DU LIEST GERADE
Das Quiz - Wer dumm ist stirbt
Mystery / ThrillerEin grauer Wintermorgen. Eine ganz normale Schule. Eine ganz normale Kleinstadt. Klingt ziemlich langweilig, oder nicht? Ein Mann stürmt das Gebäude. Er versammelt alle Lehrer und einige der Schüler im Lehrerzimmer. Er veranstaltet ein Quiz. Stel...