Nachdem er gegangen war, war es absolut still im Raum. Niemand sagte etwas, da es einfach nichts mehr zu sagen gab. Wir hatten versagt, auf ganzer Linie versagt.
Wie konnten wir nur so blöd sein und glauben, dass wir eine gegen ihn Chance haben? Er hat von Anfang an mit uns gespielt und er hat gewonnen. Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und sah zur Tür.
Manuel kniete immer noch neben der Leiche und hatte seinen Kopf in den Händen vergraben. Irgendjemand sollte ihm helfen, doch ich hatte nicht die Kraft aufzustehen und in seine leidenden Augen zu sehen. Ich kam ja schon mit meiner eigenen Situation nicht klar. Dazu kam dann noch meine Angst vor der Leiche. Ich hatte noch nie in meinem Leben einen Toten gesehen und mir war schon vom Anblick der Blutlache speiübel.
„Wer – Wer ist es?", fragte eine Stimme. Manuel nannte einen Namen, den ich noch nie zuvor gehört hatte. Ein paar Leute fingen an zu weinen, andere blieben ruhig, auch sie scheinen ihn nicht gekannt zu haben.
„Ist er wirklich tot? Du musst seinen Puls fühlen.", sagte jemand hoffnungsvoll. Ich sah wie Manuels Hand sich in Zeitlupe an den Hals der Person bewegte. Für dreißig Sekunden war es still. Ich hielt die Luft an. „Ja.", antwortete er leise, „Er ist wirklich tot."
„Okay.", antwortete der Junge von eben leise und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Er schien ihn gut gekannt zu haben.
Zum Glück ist niemand hier, den ich gut kenne, abgesehen von Manuel. Ich versuchte den Gedanken beiseite zu schieben. Es war nicht richtig Menschenleben gegeneinander aufzuwiegen.
„Was machen wir jetzt?", fragte Alex.
Hat er noch nicht gemerkt wozu sein scheiß Plan geführt hat? Da liegt eine Leiche direkt vor unseren Augen und dieses Arschloch fragt ernsthaft noch was wir machen sollen? Will er noch mehr Leute umbringen? Macht ihm das Spaß? Ich ballte meine Hände zu Fäusten und drückte sie so fest es ging zusammen, sonst würde ich aufspringen und auf diesen Idioten zustürmen. Wie konnte ein Mensch nur so dumm sein?
„Wir warten.", antwortete Amy mit gereizter Stimme.
„Dann kommen wir niemals hier raus.", sagte Alex.
„Wir warten! Wir haben deinen Vorschlag ausprobiert und was ist das Ergebnis?" Sie zeigte mit dem Finger auf die Blutlache, in deren Mitte Manuel immer noch saß. „Jetzt werden wir meinen Vorschlag umsetzen und abwarten!"
Ich konnte Amys Wut jetzt wirklich nachvollziehen. Durch Alex Plan war jemand gestorben, ein Menschenleben wurde einfach so ausgelöscht und es schien ihn nicht im Geringsten zu interessieren. Nein, er plante schon die nächste dämliche Aktion, die uns alle den Kopf kosten konnte. Wie hatte ich nur an seinen dummen Plan glauben können?
„Der Plan war schlecht, das gebe ich zu, aber wir müssen etwas unternehmen! Wenn wir einfach nur abwarten, sind wir in ein paar Stunden alle tot!", entgegnete Alex, „Außerdem habe ich mehr Leute auf meiner Seite, das heißt ich entscheide was hier gemacht wird!"
„Du hast niemanden mehr auf deiner Seite! Ein Junge, ein Kind, ist gestorben und dir fällt nichts Besseres ein als sofort am nächsten Plan zu arbeiten? Ist dir sein Tod wirklich so egal? Ich werde die Seite wechseln, noch ein Angriff bringt uns doch gar nichts. Er ist uns immer einen Schritt voraus. Wir können ihn nicht besiegen, finde dich damit ab!" Chase sprang auf und stapfte wütend zu Amys Seite hinüber, was mich ein wenig überraschte, da er vorhin einer der größten Befürworter von Alex Plan gewesen war.
Als er mich sah, kam er direkt auf mich zu und ließ sich neben mir auf den Boden sinken. „Es tut mir leid." Er sah mich entschuldigendem Blick an. „Schon gut.", antwortete ich leise. „Wirklich?" Sein Blick war forschend. Ich nickte zur Bestätigung „Wirklich, wir haben gerade andere Probleme als unseren kleinen Streit von vorhin." Er lächelte. Ich war froh, dass wir uns wieder vertragen hatten. Jetzt war ich nicht mehr allein. Jetzt saßen wir beide hier, ein wenig entfernt von den anderen.
Auf der anderen Seite wurde das Gemurmel immer lauter, ein paar Leute standen auf und setzten sich auf Amys Seite.
Plötzlich ging einer der Lehrer auf Alex zu. „Müssen wir alle symbolisch die Seite wechseln oder kapierst du auch so, dass wir keine dummen Aktionen mehr starten?" Er sah ihn mit einem bösen und zugleich abwertenden Blick an. „Ja, ich hab's kapiert.", gab Alex kleinlaut zurück. Der Mann nickte zufrieden und setzte sich wieder auf seinen alten Platz. Alex verdrehte zwar die Augen, jedoch sagte er nichts mehr.
Jetzt hieß es wohl abwarten bis der Amokläufer zurück sein würde. Warten war jedoch das Schlimmste für mich, denn ich hatte Zeit nachzudenken. Darüber nachzudenken wer überlebt, wann wir hier rauskommen, ob wir überhaupt lebend hier rauskommen. Nicht weinen Zoe, nicht weinen. Ich schüttelte leicht den Kopf, um diese Gedanken loszuwerden und konzentrierte mich wieder auf das, was im Raum stattfand.
Ein paar Jungs hockten bei Manuel und sprachen leise mit ihm. Sie schienen ihn beruhigen zu wollen, doch er hörte verständlicherweise nicht mehr auf zu weinen und hatte die Hände zu Fäusten geballt. Sie halfen ihm behutsam beim Aufstehen und brachten ihn von der Leiche weg. Während sie durch den Raum gingen mussten sie ihn mit zwei Leuten stützen, damit er nicht umfiel.
Plötzlich hörte ich ein Klacken. Meine Augen sprangen sofort zur Tür.
Der Schlüssel wurde zügig umgedreht und die Tür öffnete sich. Der Amokläufer kam mit drei weiteren Personen herein. Zwei von ihnen waren ihrem Alter nach zu urteilen Schüler und die dritte Person war Mr. King, der mich letztes Schuljahr in Geschichte unterrichtet hatte.
Der Amokläufer schloss die Tür hinter sich und drehte sich mit einem breiten Grinsen im Gesicht wieder zu uns um.
Als Mr. King und die beiden Schüler die Leiche sahen, wichen sie mit erschrockenem Blick zurück und starrten fassungslos auf das Blut, das einen großen roten Fleck um die Leiche herum bildete.
„Setz euch.", sagte der Amokläufer zu ihnen. Die drei nahmen vorsichtig ihren Blick von der Leiche und entfernten sich dann mit schnellen Schritten. Man merkte ihnen deutlich an, dass sie froh waren nicht mehr neben der Leiche stehen zu müssen.
Doch nachdem Mr. King zwei Schritte gemacht hatte zog der Amokläufer ihn unsanft am Unterarm zurück „Sie nicht!"
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Das Quiz - Wer dumm ist stirbt
Mystery / ThrillerEin grauer Wintermorgen. Eine ganz normale Schule. Eine ganz normale Kleinstadt. Klingt ziemlich langweilig, oder nicht? Ein Mann stürmt das Gebäude. Er versammelt alle Lehrer und einige der Schüler im Lehrerzimmer. Er veranstaltet ein Quiz. Stel...