Kapitel 17

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John klatschte vergnügt in die Hände. „Wunderbar, wenn ihr wüsstet, wie lange ich auf diesen Moment gewartet habe." Er fixierte Mr. King mit seinem Blick. „Jetzt werde ich endlich für Gerechtigkeit sorgen!"

Ich musste schwer schlucken. Wie konnte er das, was er hier veranstaltete nur gerecht finden? Er tötete unschuldige Menschen!

John setzte sich auf den Stuhl neben Mr. King. „Es macht Ihnen beiden doch nichts aus, wenn ich sitze, oder? Wenn Sie möchten, kann ich mich auch neben Sie stellen. Die Fragen bleiben aber die gleichen, versprochen." „Schon in Ordnung. Bleiben Sie sitzen.", antwortete Mr. Lee mit belegter Stimme.

„Gut, dann können wir jetzt anfangen. Vorher müssen Sie mir nur noch verraten welche Fächer Sie unterrichten, Mr. Lee." „Geschichte und Englisch.", antworte Mr. Lee knapp. „Interessant, also war das vorhin doch kein Kunstunterricht?" John lachte über seinen eigenen Witz, was ich einfach nur widerlich fand. „Schade, Sie haben wirklich Talent.", fügte er mit gespieltem Bedauern hinzu.

Ich schluckte schwer und ballte meine Hände zu Fäusten. Langsam aber sicher schlug meine Angst in Aggression um. Musste dieses Arschloch ständig solche Sprüche loslassen?

„Und Sie, Sina?", fragte John nun mit sanfter Stimme. „Kunst.", antwortete Ms. Neal leise. „Wirklich?" Ms. Neal nickte leicht. „Sie hätten sein Kunstprojekt sehen sollen, es war wirklich großartig!" Sina nickte langsam, ihre Angst stand ihr offen ins Gesicht geschrieben.

„Okay, ich merke, Sie sind nervös. Dann möchte ich Sie nicht länger auf die Folter spannen und fange mit meinen Fragen an. Wenn jemand die Antwort weiß, kann er sie einfach sagen. Sie müssen sich nicht melden. Ich stelle insgesamt fünf Fragen. Also sind Sie bereit?", fragte John und sah abwechselnd zwischen Mr. Lee und Ms. Neal hin und her.

Mr. Lee war nun totenbleich im Gesicht und Ms. Neal zitterte am ganzen Körper, sie waren ganz und gar nicht bereit. Wer war schon bereit für den Tod? Trotzdem nickten beide vorsichtig, wohlwissend, dass es keinen Ausweg gab. John schaltete die lila Lampe auf dem Tisch ein und setzte sich dann wieder auf seinen Platz.

Ich atmete tief ein. Er schafft das, er muss das schaffen. Als ich noch klein war hatte ich den Spruch „Jemandem die Daumen drücken" immer wörtlich genommen und hielt einmal während eines Footballspiels der Coyotes ganze drei Stunden lang meinen Daumen fest mit meiner Hand umschlossen. Gerade in diesem Moment tat ich das Gleiche. Die Coyotes hatten das Spiel damals gewonnen. Ich konnte nur hoffen, dass Mr. Lee jetzt auch gewinnen würde.

„Los geht's. Erste Frage: Wer malte das „Bildnis des Vaters mit Rosenkranz"?", fragte John mit einem breiten Lächeln.

Wie konnte dieses Arschloch nur eine Kunstfrage stellen? Die konnte Mr. Lee nie im Leben beantworten, zumindest nicht so schnell wie Ms. Neal. Ich drückte meine Hände fester zusammen, in der Hoffnung, dass es Mr. Lee mehr Glück brachte, wenn ich meine Daumen fester drückte. Mir war klar, dass dies ein dämlicher Aberglaube war, doch ich konnte im Moment nichts anderes tun.

„Na los, Sina. Sie wissen doch die Antwort.", ermutigte John sie. „Al... Albrecht Dürer der Jüngere?", stammelte Ms. Neal leise. „Richtig, bravo! Sie haben den ersten Punkt! Jetzt brauchen sie nur noch zwei weitere, um zu gewinnen.", sagte John enthusiastisch. Ms. Neal lächelte schwach und Mr. Lee fuhr sich nervös mit der Hand durch die Haare.

Ich atmete langsam ein und wieder aus. Er wird das schaffen, er wird die nächste Frage richtig beantworten. Vielleicht kommt ja etwas zum Thema Geschichte dran. Meine Hände taten bereits höllisch weh, da ich sie schon viel zu lange zusammenpresste, doch ich konnte den Druck einfach nicht verringern. Vielleicht half es Mr. Lee bei der nächsten Frage ja wirklich, dass ich ihm die Daumen drückte.

„Zweite Frage: Welcher Kunstepoche ist Pietro Lorenzetti zuzuordnen?" John sah zu Ms. Neal und diese antwortete ohne zu zögern: „Der Romanik." „Richtig!" John klatschte Beifall und schaute Mr. Lee an. „Das wird wohl ziemlich eng für Sie. Wenn Sie noch gewinnen wollen, müssen Sie ab jetzt alle Fragen richtig beantworten." „Ihr Spiel ist nicht fair.", sagte Mr. Lee leise. „Was haben Sie gesagt?", hakte John nach. „Die Frau ist Kunstlehrerin, sie hat das studiert! Natürlich kann sie die Fragen schneller beantworten als ich!", entgegnete Mr. Lee nun lauter. „Sie haben recht, das Spiel ist nicht fair, aber das sollte es auch nie sein. Das Allgemeinbildungsquiz von Mr. King war auch nie fair und er hat es trotzdem gespielt."

Ich schluckte schwer. Das konnte doch nicht wahr sein! Er hatte von Anfang an gewusst, dass Mr. Lee keine Chance hatte dieses Quiz zu gewinnen. Ich hörte auf meine Hände zusammen zu pressen und ließ sie einfach in meinen Schoß fallen. Das Daumendrücken half ja sowieso nichts, wenn von vorne herein schon alles entschieden war.

„Wieso erschießen Sie mich nicht direkt, wenn Ihnen schon von Anfang an klar war, dass ich sterben muss?", fragte Mr. Lee und lehnte sich mit verschränkten Armen auf seinem Stuhl zurück.

„Haben Sie eine so große Todessehnsucht?", entgegnete John amüsiert.

„Nein, aber nichts mehr zu verlieren." Mr. Lees Stimme war fest. Von der Angst, die er zweifelsohne haben musste, hörte man nichts.

„Sehr mutig, Sie haben eine Antwort verdient würde ich sagen. Wenn ich Sie direkt erschießen würde, würde das Ganze hier einfach nicht so einen großen Spaß machen. Das ist ein Grund, aber viel wichtiger ist, dass Mr. King es damals genauso getan hat. Er hat einen schlechten Schüler gegen einen guten antreten lassen. Jeder wusste wer das Quiz gewinnen wird und das hier ist genau das gleiche."

„Es gibt einen gewaltigen Unterschied. Mr. King hat seine Schüler nicht erschossen. Er hat ihnen lediglich zusätzliche Hausaufgaben aufgegeben, damit sie sich verbessern.", sagte Mr. Lee.

„Ihr scheiß Lehrerschweine müsst aber auch immer zusammenhalten, was? Mr. King hat mit seinem Quiz eine ganze Klasse in Angst und Schrecken versetzt!", schrie John durch den Raum.

Beim Klang seiner Stimme zitterte ich. Wie konnte ein Mensch nur so großen Hass in sich hegen? Er würde Mr. Lee umbringen und ich konnte nichts dagegen tun. Ich atmete nochmals ruhig ein und wieder aus. Doch es half nichts, die Tränen liefen mir schon wieder übers Gesicht und ich wusste, dass ich sie dieses Mal nicht so schnell stoppen konnte. Chase, den ich in den letzten Minuten völlig vergessen hatte, zog mich an sich und flüsterte mir zu das alles gut werden würde. Eine noch größere Lüge, hätte er mir in dieser Situation wohl nicht auftischen können.

Das Quiz - Wer dumm ist stirbtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt