Ich konnte nur hoffen, dass John unrecht hatte, denn die Polizei könnte uns innerhalb von Minuten aus diesem Albtraum hier befreien. Wir saßen hier bestimmt schon seit einer Stunde fest.
„So, die nächste Frage: Wie heißt die Hauptstadt von Bolivien?", fragte John. „Sucre.", antwortete Mr. Rogers mit monotoner Stimme. „Sehr schön! Ein bisschen mehr Freude bitte. Wenn Sie noch eine Frage richtig beantworten, haben Sie gewonnen. Das ist doch großartig, oder nicht?", sagte John überschwänglich. Mr. Rogers nickte leicht, doch sein Blick verriet, dass er es alles andere als großartig fand.
Ich musste etwas tun. Jay und den Tod trennte nur noch eine Frage und die würde John genauso manipulieren wie er die vorherigen. Denk nach, Zoe. Du brauchst einen Plan.
Obwohl ich seit Minuten nachdachte, fiel mir nichts ein, was funktionieren könnte. Normalerweise konnte ich jede Matheaufgabe binnen Sekunden lösen, doch jetzt wo es darauf ankam, war ich nicht mehr in der Lage logisch zu denken. Das Einzige was in meinem Kopf noch existierte war die Angst. Sie hatte mein Gehirn komplett betäubt. Ich musste sie loswerden, irgendjemand musste doch etwas tun!
„Na Jay, hast du schon Angst?" John stand auf und stellte sich neben ihn, zwang ihn ihm in die Augen zu sehen. „Nein.", erwiderte Jay, doch dieses Mal konnte ich die Anspannung deutlich aus seiner Stimme heraushören. Er wusste, dass es eng wurde. Wenn nicht in den nächsten drei Minuten ein Wunder geschah, würde er sterben.
Ich schüttelte langsam den Kopf, um den Gedanken loszuwerden. So durfte ich nicht denken. Jay würde nicht sterben. Wenn ich die Angst loswerden wollte, musste ich positiv denken. Doch wie sollte das gehen, wenn dieser verrückte Typ ständig Menschen erschoss? Ich spürte wie die Verzweiflung in mir immer weiter anwuchs. Sie drohte mein Gehirn nun vollends zu vernebeln. Ich musste etwas tun! Panisch warf ich Chase einen Seitenblick zu, jedoch sah er immer noch nach vorne und bemerkte es nicht. Ich musste etwas tun, verdammt!
„Dritte und letzte Frage.", kündigte John an und begann neben dem Tisch auf und ab zu gehen.
Oh mein Gott, gleich ist es vorbei! Denk nach, Zoe. Du kannst ihn noch retten.
„Ein bisschen Mathe wäre doch jetzt ganz nett, oder?", fragte er und lachte, obwohl er überhaupt keinen Witz gemacht hatte. „Ich hätte gerne die erste Ableitung von 4x^3-87x^2+56x+95723. Ich liebe Mathe einfach, es ist so logisch und simpel.", sagte John, während er immer noch neben dem Tisch auf und ab ging.
Ich versuchte die Aufgabe zu lösen, doch nicht einmal das gelang mir.
Konzentrier dich, Zoe. Du kannst das doch. Es ist nur Mathe. Mein Gehirn war so blockiert, dass ich einfach nicht auf die Lösung kam. Jedoch war ich nicht die Einzige. Jay und selbst Mr. Rogers, ein Mathematiklehrer, hatten auch noch nicht geantwortet.
„Mr. Rogers, ich glaube Ihnen, dass Sie aufgeregt sind. Aber Sie haben Mathematik studiert! Ich warte seit zwei Minuten auf die Antwort und ich weiß genau, dass Sie die richtige Lösung kennen!" John hatte aufgehört wie ein Gestörter durch den Raum zu laufen und stand jetzt unmittelbar vor Mr. Rogers und musterte ihn mit bösem Blick. „Ich... ich habe keine Ahnung, wirklich nicht. Das ist die Aufregung.", beteuerte dieser stotternd.
John schlug mit der Faust auf den Tisch. „Hören Sie doch auf mich zu verarschen! Sie wollen dem Jungen Bedenkzeit geben, damit er vielleicht doch noch richtig antwortet, aber so läuft das hier nicht!", schrie er aufgebracht. Mr. Rogers riss erschrocken die Augen weit auf und lehnte sich ruckartig auf seinem Stuhl zurück.
„Also, was ist die Antwort?" John stand nun direkt neben Mr. Rogers. „Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht einmal mehr was die Aufgabe war." Er zuckte entschuldigend mit der Schulter. „Die Aufgabe war es mir die erste Ableitung von 4x^3-87x^2+56x+95723 zu nennen und ich gebe Ihnen jetzt eine weitere Minute Zeit, aber dann sagen Sie etwas!" Ich konnte die Aggression deutlich aus Johns Stimme heraushören. Wenn Mr. Rogers ihm in einer Minute keine Antwort gab, würde er völlig ausflippen.
John sah ungeduldig auf seine Uhr und wartete darauf, dass die Minute ablief. Währenddessen war es, wie immer in solchen Situationen, völlig still im Raum. Die Luft war bis zum Zerreißen gespannt. Ich konzentrierte mich darauf ruhig ein und wieder aus zu atmen, damit die Angst nicht zurückkam und schaffte es tatsächlich einigermaßen ruhig zu bleiben.
„Die Zeit ist um. Also, wie lautet ihre Antwort?", sagte John mit monotoner, jedoch trotzdem deutlich gereizter Stimme. Mr. Rogers sagte nichts. „Was ist Ihre Antwort?", schrie John. „Ich werde nicht dafür sorgen, dass Jay stirbt. Sie bekommen keine Antwort.", entgegnete er ruhig.
Ich hielt die Luft an. Jetzt hatte er den Bogen wirklich überspannt.
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Das Quiz - Wer dumm ist stirbt
Mystery / ThrillerEin grauer Wintermorgen. Eine ganz normale Schule. Eine ganz normale Kleinstadt. Klingt ziemlich langweilig, oder nicht? Ein Mann stürmt das Gebäude. Er versammelt alle Lehrer und einige der Schüler im Lehrerzimmer. Er veranstaltet ein Quiz. Stel...