Am nächsten Morgen wachte Roland mit einem seltsamen Gefühl auf. Er fühlte sich anders, reifer, weiser, sogar stärker.
„Ich bin ein Ritter!", dachte er sich, „Nun beginnt der Ernst des Lebens..."
Dann warf er einen Blick auf sein neues Schwert, das neben seinem Bett auf dem Boden lag. Roland zog es aus der Scheide und bewunderte den glänzenden Stahl. Die Klinge war lang, breit und lief spitz zu. Die goldenen Parierstangen waren nach oben gebogen und der Griff war aus schwarzem Leder. Der eiserne Knauf war nicht wie bei den meisten Schwertern rund, sondern halbmondförmig. Als Roland es in die Hand nahm, war es nicht so schwer wie erwartet und er konnte recht schnell damit zuschlagen. Dann machte er sich zum Schmied auf, um seine neue Rüstung zu betrachten. Der Schmied Waldemar, der zwar schon gebückt ging, aber dennoch den Hammer mit derselben Wucht und Präzision wie ein Mann in Rolands Alter schwingen konnte, empfing diesen freudig.
„Meinen Glückwunsch, Herr Roland! Kommt nur und betrachtet eines meiner Meisterwerke!", rief er.
Roland folgte dem alten Mann in ein dunkles kleines Zimmer, das nur von einer Kerze ausgeleuchtet wurde, in dem eine große Kiste lag.
Aus dieser holte Waldemar nun einen glänzenden Helm hervor. Dieser schützte den ganzen Kopf, das Gesicht blieb jedoch frei. Um das auszugleichen verfügte er über ein Visier mit einem großen Schlitz damit Roland seine Gegner noch sehen konnte. Der Helm war von Stirn bis zum Nacken mit einem metallenen Streifen verstärkt, der mit Nieten befestigt wurde. Er passte Roland wie angegossen und seine Augen strahlten als der Schmied nun ein Kettenhemd und einen Waffenrock hervorholte, der großteils rot war und auf der Brust einen Raben zeigte. Zuletzt erhielt er noch ein Paar Lederhandschuhe.
Als Roland alles angelegt hatte, fühlte er sich wie ein echter Ritter.
Zwar war das Kettenhemd schwer und der Waffenrock reichte ihm bis zu den Knien, dennoch konnte er sich sehr schnell bewegen.
Da erscholl plötzlich Balthasars Ruf: „Roland, wenn du mit Kleider anprobieren fertig bist, würde ich dir raten sofort zu kommen, ansonsten werde ich mich diesmal mit dir duellieren!"
Roland zog schnell die Lederrüstung an und sprang über den Zaun der den Übungsbereich eingrenzte.
Er stand erneut Wolfgang gegenüber, nun war er aber entschlossen diesen endlich einmal zu besiegen. Dessen Gesichtszüge waren indessen so hart, dass Roland kurz zurückschreckte.
„Ich werde allen beweisen, dass du unwürdig bist ein Ritter zu sein!", schrie Wolfgang und ging mit wilden Hieben auf Roland los.
Roland wehrte den ersten Schlag mit Leichtigkeit ab, denn der Hieb war zwar kräftig, aber sehr ungenau. Auf diesen folgte nun aber ein Schlag von rechts, dann von links. Roland sprang zurück und rief: „Warum bist du ganz plötzlich so feindselig? Ich bin sicher auch du wirst bald einen Auftrag bekommen."
Doch Wolfgang ignorierte ihn, täuschte rechts an, wirbelte herum und schlug von links zu. Roland durchschaute ihn jedoch und kam diesem zuvor, als dieser herumwirbelte. Er traf Wolfgangs Rücken, sodass dieser keuchend zu Boden fiel.
„Ich bekam nie eine Chance, du jedoch schon!", rief dieser, „Jeder hier weiß, dass ich stärker bin als du, trotzdem wirst nur du gefeiert, weil du einen lausigen Räuber und einen Deserteur getötet hast."
Wutentbrannt sprang er auf, schlug nach Rolands Beinen und als er sah, dass dieser sein Schwert nach unten schwang, sprang er zurück und schlug mit übermenschlicher Schnelligkeit in Rolands Gesicht.
Dieser taumelte zurück, wurde jedoch bevor er sich sammeln konnte, erneut von Wolfgang im Bauch getroffen.
Roland stürzte zu Boden, rappelte sich auf und schlug auf Wolfgang ein. Als sie ihre Klingen kreuzten, trat Roland seinem Gegner die Beine weg, sodass dieser erneut keuchend zu Boden fiel.
Wolfgang war jedoch so entschlossen zu gewinnen, dass er nach wenigen Augenblicken schon wieder auf den Beinen war und nach Rolands Kopf schlug. Dieser duckte sich, stieß Wolfgang sein Schwert in den Bauch, richtete sich auf, als dieser in die Knie ging und schlug ihm mit dem Schwertknauf ins Gesicht. Wolfgang fiel zu Boden, wo er regungslos liegen blieb.
„Sehr gut, Roland!", ertönte nun Balthasars Stimme, „Obwohl du schwer getroffen wurdest, hast du nicht aufgegeben und Wolfgang sehr geschickt besiegt."
Doch Roland konnte sich nicht über den lang ersehnten Sieg freuen. Er war zu geschockt über den Hass, der Wolfgang ihm gegenüber gezeigt hat. „Wie lange hegt er diese Gefühle wohl schon?", war sein erster Gedanke. Doch dann sah er plötzlich Fürst Kalhelm auf einem Balkon stehen und klatschen. Ein furchtbarer Gedanke schoss Roland in den Kopf. Konnte so etwas möglich sein? Zwar wusste er von der Grausamkeit des Fürsten, aber so etwas Ungeheuerliches war einfach unvorstellbar.
Wolfgang ging, als er aufgewacht war, sofort wortlos in sein Zimmer.
Roland versuchte mit ihm zu reden, sah dann aber doch ein, dass es sinnlos war. Er hatte seinen besten Freund verloren, das war ihm nun klar.
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Der gottlose Ritter
Historical FictionDas Mittelalter war eine Zeit voller Krieg und religiöser Unterdrückung. Das einfache Volk arbeitete den ganzen Tag und ging hungrig zu Bett, während die Adeligen Feste veranstalteten. In dieser Epoche wächst Roland Wielus wohlbehütet heran und wähl...