Der Syrer war gefesselt und geknebelt worden, bis ein Übersetzer an der Seite von Fürst Haasten das Zelt betrat, in dem Wolfgang, Roderick und Roland bereits warteten. Als der Rebell von seinem Knebel befreit worden war, wollte er allerdings nicht reden und starrte die Ritter feindselig an. Wolfgang trat vor und sagte: „Gibt es weitere Aufständische? Ihr habt sowieso schon verloren, glaubt ihr etwa dass eure verwahrloste Truppe unser Heer besiegen kann, wenn ausgebildete Soldaten daran scheiterten?"
Als der Übersetzer Wolfgangs Worte für den Rebellen verständlich gemacht hatte, nickte dieser und spuckte auf den Boden. Der Fürstensohn verdrehte die Augen und versuchte noch einmal, den Gefangenen zum Reden zu bringen: „Wenn du jetzt redest, werden wir mit euch verhandeln, ansonsten wird jeder von eurem Pack sterben! Denkt kurz darüber nach, wie eure Karten stehen!"
Als der Übersetzer fertig war, sagte der Syrer etwas, das folgendermaßen übersetzt wurde: „Wir werden niemals mit Ungläubigen verhandeln, die in unser Land eindringen und unsere Städte einreißen! Wir würden lieber alle unser Leben verlieren, als dass wir uns euch unterwerfen!"
Roderick verlor die Geduld, stellte sich vor den Gefesselten und schlug ihm mit der Faust so heftig gegen die Schläfe, dass dieser mitsamt dem Stuhl umkippte. Er wollte gerade mit dem Fuß ausholen, um ihm einen Tritt zu verpassen, als er von Wolfgang aufgehalten wurde.
„Herr Roderick, mir scheint Ihr habt eure höfische Zucht vergessen! Ich hatte stets gedacht, Ihr seid ein Mann von Ehre, doch Ihr habt mich vom Gegenteil überzeugt!", beschwichtigte der Fürstensohn den Hünen.
Dieser lachte und wollte damit fortfahren, den Gefangenen zu malträtieren, doch Wolfgang schritt erneut ein und sagte: „Mich dünkt, eure Arme sind deshalb so gewaltig, weil eure Gehirnmasse darin ist! Dieser Mann ist Leid gewohnt und bereit zu sterben, damit seine Gesellen unerkannt bleiben. Hier ist List gefragt, doch Ihr seid anscheinend zu dumm, um dies zu erkennen!"
„Ich stimme unserem Jungspund zu! Jeder, der über ein geringes Fünkchen Menschenkenntnis verfügt, weiß, dass uns dieser Mann nichts sagen wird. In seinen Augen liegt eine unglaubliche Willenskraft! Herr Roderick, bitte bringt unseren Freund hier kurz raus.", meldete sich Haasten zu Wort.
Roderick schnaubte wütend, gehorchte aber dem Befehl, woraufhin Wolfgang sich an den Fürsten und Roland wandte: „Wir werden ihn mit einem verwitterten Seil fesseln und in ein Zelt nahe des Tores setzen. Sobald er sich befreit hat, senden wir jemanden aus, der ihm folgen soll und so führt uns der Halunke unbewusst, aber durch seine eigene Naivität, zu seinen Freunden!"
Haasten nickte beeindruckt und Roland sagte: „Guter Plan, Wolfgang. Du überraschst mich immer wieder mit deinen Aktionen!"
Der Fürstensohn lächelte kurz verlegen und bat daraufhin Roderick wieder in das Zelt. Der Gefangene wurde noch eine Weile verhört und schließlich abgeführt. Als der Syrer in der folgenden Nacht tatsächlich entkam, folgte ihm ein Soldat in den Reihen Haastens, der für seine Lautlosigkeit bekannt war, durch die dunklen Straßen, bis er schließlich ein kleines Haus betrat, aus dem daraufhin das laute Geschrei vieler Männer ertönte. Anscheinend hatte einer der Rebellen die List durchschaut, doch ehe er seinen Kollegen klarmachen konnte, in welcher Gefahr sie schwebten, stürmten mehrere Soldaten mit Schwertern durch die Tür und beendeten in der folgenden Schlacht den Aufstand. Wolfgangs Plan hatte perfekt funktioniert, dennoch wurde er von den Soldaten, die ihm nach dessen Ausführung Bericht erstatteten, misstrauisch beäugt. Auch der neue Hauptmann Friedrich Jolender, der Clammings Nachfolger war und diesen verachtete schien unzufrieden und trat vor Wolfgang um zu sagen: „Eine solche Heimtücke hätte ich von Euch nicht erwartet! Ein Mann, der nach christlichen Werten lebt, würde niemals mit einem Feind in solcher Weise verfahren! Mir scheint, Ihr seid voll der Hinterlist und auch die Männer sind von eurer Vorgehensweise schockiert!"
„Ihr liegt richtig! Ein braver Kirchgänger hätte weiter sinnlos die Straßen durchsucht und damit zugelassen, dass die Aufständischen weiter Unmut und Hass verbreiten!", antwortete Wolfgang.
„Ihr scheint wenig von der heiligen Kirche zu halten, mein Herr!", warf ihm der Hauptmann vor.
Nun stand Wolfgang, der bis dato bei Tisch gesessen und gegessen hatte, auf und stellte sich vor Jolender. Der Mann war einen Kopf kleiner und auch körperlich schwächer als der Fürstensohn, weshalb er ein Stück zurückwich.
„Werft Ihr mir Unglauben vor, weil ich diese Stadt von Ungläubigen befreit habe?", fragte Wolfgang bedrohlich.
Jolender schluckte nervös und antwortete unterwürfig: „Nein, mein Herr. Es tut mir leid, falls ich diesen Eindruck bei Euch erweckt habe."
Danach verließ der Hauptmann eilig das Zelt und Wolfgang sah Roland forschend an: „Wie lautet deine Meinung, Roland? Bin ich ein Heide, weil ich meinen Verstand einsetze?"
Daraufhin mussten die beiden Ritter lachen und gingen schließlich zu Bett.
Am nächsten Morgen war alles bereit für die weitere Reise, die die Kreuzfahrer nach Arsuf führen sollte, wo, wie der Templer Ferdinand es vermutete, Richard Löwenherz auf Saladin treffen würde. Roland und Wolfgang waren aufgrund ihres letzten Sieges voller Selbstbewusstsein und auch der alte Fürst Haasten schien es kaum noch erwarten zu können, endlich auf den berüchtigten Herrscher Syriens zu treffen. So ritten sie gemeinsam in die Wüste, wissend, dass wohl nicht jeder von ihnen die Heimat wiedersehen würde.
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Der gottlose Ritter
Historical FictionDas Mittelalter war eine Zeit voller Krieg und religiöser Unterdrückung. Das einfache Volk arbeitete den ganzen Tag und ging hungrig zu Bett, während die Adeligen Feste veranstalteten. In dieser Epoche wächst Roland Wielus wohlbehütet heran und wähl...