Kapitel 31

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Wolfgang erntete tosenden Applaus für seine Rede und die versammelte Menge pries seinen Mut und seine Stärke. Roland fiel auf, dass viele der Bürger, die den neuen Regenten einst verachtet haben, nun ebenso seinen Namen riefen. Auch der Hauptmann Jolender war darunter, obwohl selbst Wolfgang von seiner Abscheu gegenüber ihm wusste. Sie klatschten, tanzten und riefen: Segen über unseren Befreier! Gott segne Wolfgang! Führt uns, großer Fürst von Rabenfels!"

Dieser schien sich bei all dem Lob unwohl zu fühlen, da er es nicht gewohnt war, dass man ihn so behandelte. Mit leicht künstlichem Lächeln stand er da und winkte seinen Untertanen zu, rief dann jedoch: „Ich bin kein Fürst. Ab heute werden alle Stände aufgehoben. Niemand ist einem anderen bloß aufgrund seines Geburtshauses überlegen! Das war noch nie so und wird auch nie so sein! Horcht jedoch, meine Genossen! In Zukunft wird sich einiges ändern und das fängt ab morgen an! Wenn ihr glaubt, dass ich euch von harter Arbeit und körperlicher Anstrengung befreit habe, dann habt ihr euch geirrt. Genaueres erfahrt ihr morgen."

Plötzlich erklang ein Ruf: „Der Fürst ist tot! Man hat ihn in seinem Schlafzimmer ermordet und einfach liegen gelassen! Was ist hier für ein Aufruhr?"

Der Priester Jakob war aufgetaucht und war im Laufe der Rede immer lauter geworden. Verwirrt betrachtete er die Bürger, die vor Wolfgang standen und merkte anscheinen sofort, was passiert war.

„Hochwürden, bitte tretet näher heran. Die willkürliche Herrschaft meines Vaters ist vorbei und hier in Rabenfels wird eine neue Staatsform ausgerufen!", antwortete Wolfgang mit einem breiten Lächeln.

„Das ist Irrsinn! Den eigenen Vater ermorden und sich auf dessen Thron setzen! Es steht mir nicht zu, über einen Fürsten zu urteilen, dennoch war das sehr unchristlich! Dennoch stehe ich Euch zu Diensten.", erwiderte der Priester.

„Nennt es wie Ihr wollt, es wird nichts daran ändern. Entschuldigt mich nun, ich muss mit Roland einen Plan ausarbeiten, wie es in Zukunft mit Rabenfels weitergehen wird.", sagte Wolfgang und Roland folgte ihm in seine Gemächer. Dort nahmen sie auf Stühlen, die einander gegenüber standen, Platz und begannen zu diskutieren.

„Was hast du nun mit Jakob vor? Ich hätte gedacht, dass wenn wir den Fürsten gestürzt haben, auch den Priester verbannen. Auch die Geistlichen sind ein treibendes Rad in dem unterdrückenden System, das wir eigentlich bekämpfen!", fragte Roland.

„Die Geistlichen interessieren mich nicht. Mein neues System beinhaltet keine höhere, unantastbare Macht! Es macht keinen Unterschied zwischen Schmied und Händler, Gelehrten oder Ungebildeten. Doch höre mir nun zu, ich werde dir erzählen, was in den nächsten Tagen auf uns zukommt. Zuerst werde ich jedoch etwas bekanntgeben, das den Grundstein für unsere neue, freie Denkweise setzen wird.", antwortete Wolfgang und gemeinsam begaben sie sich in die Küche. Dort waren alle Bediensteten in einem Schockzustand, der sich jedoch langsam legte, als Wolfgang ihnen alles erklärt hatte. Dann rief er Margret zu sich, kniete sich vor sie und sagte: „Meine teuerste Margret, wie du weißt, bin ich dir schon seit geraumer Zeit verfallen. Deshalb frage ich dich hier, ob du meine Gemahlin werden willst?"

Roland blieb vor Schock die Luft weg und Margret wurde vor Verlegenheit ganz rot. Mit ihrer sanften Stimme sagte sie: „Aber ich bin doch nur eine Magd, mein Herr. Es geziemt sich für einen Fürsten wie Euch, eine Adelige zu heiraten!"

Wolfgang zuckte kaum merklich, sagte dann aber: „Weder bin ich ein Fürst noch seid Ihr eine Magd. Ab heute gibt es in Rabenfels keine Stände, jeder Mensch bestimmt selbst, wer er ist! Deshalb frage ich Euch noch einmal, wollt Ihr meine Gemahlin werden?"

Margret überlegte eine Weile, sagte dann jedoch zögerlich: „Wenn dem so ist, wie Ihr sagtet, sage ich Ja! Schließlich darf in Eurer neuen Ideologie der Einfluss einer Frau nicht fehlen."

Dann fielen sie sich in die Arme, bis Wolfgang sich Roland zuwandte und sagte: „Du kennst meine Anweisungen, mein Freund."

„Das stimmt. Herzlichen Glückwunsch zu eurer Vermählung!", antwortete dieser und suchte Ferdinand auf. Auch wenn Roland über die spontane Hochzeit verwundert war, so überraschte sie ihn nicht. Sein Freund hatte schon lange für die Magd geschwärmt, doch es war ihm aufgrund seines Standes bisher unmöglich gewesen, sich ihr anzunähern. Nun aber hatte er die Möglichkeit. Deshalb freute er sich für seinen Freund. Wolfgang begab sich indes mit Margret in seine Gemächer, um ihre Trauung zu feiern.

„Wollt Ihr in Rabenfels verweilen? Wir könnten deine Hilfe erneut gebrauchen.", fragte Roland den Templer, der im Hof sein Pferd striegelte.

„Natürlich. Hier habe ich endlich die Chance, etwas zu verändern, meinen Teil zum Lauf der Welt beizutragen. Weder bei meinem Orden noch in Frostspitze bei Haasten hätte ich eine derartige Gelegenheit. Was verlangt Ihr also von mir?", antwortete dieser mit einem Lächeln.

In den folgenden Tagen setzten die Ritter und Soldaten von Rabenfels, sowie der Templer Ferdinand Wolfgangs Pläne in die Tat um. Es gab für jeden, auch für Bürger und Bauern, einen strengen Trainingsplan, welcher unter anderen körperlichen Ertüchtigungen Schwertkampf und Reiten beinhaltete. Des Weiteren mussten alle das Lesen und Schreiben erlernen, welches von Jakob und Roland gelehrt wurde, sowie sich mit kritischen und vernünftigen Denkweisen auseinandersetzen. Auch diverse Logikrätsel mussten die Einwohner von Rabenfels lösen. Trotz der effizienten Organisation Wolfgangs blieb der Fortschritt allerdings aus, da die körperlichen Übungen für die Ritter und Soldaten, die ihr ganzes Leben lang trainiert hatten, bereits eine Herausforderung war und die Bürger oft unter diesen zusammenbrachen. Dennoch wirkten sie nach den ersten fünf Tagen glücklich. Auch Wolfgang war glücklich mit Margret und sie verbrachten viel Zeit miteinander. Als der neue Herrscher eine Woche nach dem Mord an seinem Vater auf den Balkon ging und sah, wie im Hof trainiert wurde und in weiter Ferne eine große Reiterschar, bestehend aus Bürgern und Soldaten, durch die Wildnis rund um Rabenfels galoppierte, war er zufrieden damit, die Welt zum Guten verbessert zu haben.


Der gottlose RitterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt