Kapitel 16

41 5 0
                                    

Roland und Wolfgang warteten auf Fürst Haasten vor ihrer Herberge, doch dieser machte erst keine Anstalten sie aufzusuchen. Er sammelte seine Männer, dann schrie er mit seiner lauten Stimme, sodass man ihn in der ganzen Stadt hören konnte: „Wolfgang Kalhelm, zeig dich! Dein Schwachkopf von Vater bat mich, seinen Sohn in das sogenannte Heilige Land zu eskortieren und nun stehe ich da, ich Tor, und erwarte dich!"

Wolfgang und Roland mussten ob der Dreistigkeit des Adeligen schmunzeln, stiegen auf ihre Pferde und ritten zu dem Stadttor. Auf halbem Wege kam ihnen ein Mann auf einem Rappen entgegen, dessen weißer Bart bis zu seiner breiten Brust reichte. Dieser musterte sie kurz mit seinen eisblauen Augen und sagte dann mit einem Schmunzeln: „Entschuldigt meinen groben Auftritt, meine Herren. Meine Männer kennen keine Sitte und so muss ich den Schein wahren, ich sei ein alter Haudegen, den weder um Gebräuche noch Höflichkeit interessieren. Doch genug des Geschwätzes. Wo bekommt hier ein alter, müder Mann einen Schlafplatz für sich und seine Gesellen?"

„Wir haben Euch ein Zimmer in unserer Herberge frei gehalten, edler Fürst Haasten. Gestattet mir, Euch meinen treuesten Gefährten vorzustellen, Roland Wielus.", war Wolfgangs Antwort, dann deutete er auf seinen Freund, der sich mit folgenden Worten vorstellte:

„Es ist mir eine Ehre, den Mann zu treffen, vom dem ich bereits vieles gehört habe. Wenn auch nur die Hälfte der Geschichten über Euch wahr ist, werden wir das Heilige Land im Nu erobert haben."

Doch Haasten stapfte, statt zu antworten, auf die ihm gezeigte Herberge zu, öffnete die Tür und war verschwunden. Als Roland und Wolfgang ihm folgen wollten, erscholl plötzlich hinter ihnen ein Schrei: „Haben die Ritter von Rabenfels keine Manieren? Einen alten Freund zu empfangen, ist doch das Mindeste, oder?"

Überrascht drehten sich die Gefragten um und erblickten Roderick, der ihnen bei der Eroberung der Festung Berklung eine große Hilfe gewesen war. Er hatte seit ihrer letzten Begegnung sogar an Muskelmasse zugelegt und auch sein struppiger Bart war um einiges länger.

„Es freut mich, dich zu sehen, Roderick. Wie ich sehe, hast du viel trainiert. Komm, gesell dich zu uns und hebe mit uns einen Humpen Bier in der Taverne!", lud ihn Wolfgang ein.

Doch Roderick dankte ab, denn er trank keinen Alkohol. Dieser würde seiner Meinung nach nur seine Muskeln abbauen, deshalb ging er in den Hinterhof, um mit seinem Zweihänder zu üben. Wolfgang und Roland begaben sich trotzdem an die Schenke, wo sie Haasten in einer Schlägerei mit zwei Bürgern erwischten. Der eine lag bereits blutend am Boden, der andere versuchte noch, sich zu wehren, doch der Fürst kämpfte mit einer derartigen Wildheit, dass er dem dünnen Mann mit einem Faustschlag die Nase brach, ihn an seinem Nacken packte und seinen Kopf gegen den Tresen warf. Als er sich danach zu den beiden Rittern umdrehte, konnte man in seinen Augen ein Feuer brennen sehen, als würde sich die Hölle dahinter verstecken. Doch dieses erlosch sofort wieder und an seine Stelle trat ein kühler, analytischer Blick. Mit einem verlegenen Lächeln sagte er zu ihnen: „Ich komme gern auf eure Einladung zurück, edler Fürstensohn. Euch, Roland Wielus, kenne ich bereits. Doch Ihr ward noch ein Säugling, als ich Euch das letzte Mal sah. Euer Vater ist einer meiner ältesten und besten Freunde, so wie bei Euch, war ich ein Knappe an seinem Hofe und wir haben gemeinsam das Ritterhandwerk erlernt. Er war stets ein guter Fechter, einen Besseren sah ich selten, doch wenn ich eine Axt auftreiben konnte, habe ich ihn jedes Mal besiegt. Ihr müsst mein Verhalten entschuldigen, doch ich bin den Wald und den Berg gewöhnt und hier neben diesen lärmenden Betrunkenen zu sitzen, war zu viel für einen alten Mann der seine Heimat vermisst."

Roland und Wolfgang waren von dem plötzlichen Geisteswandel überrascht. Allem Anschein nach waren die Gerüchte über ihn wahr, obwohl ein Mann der angeblich so wild wie ein Wolf und so schlau wie ein Luchs meistens reine Fiktion ist. Roland fragte sich, ob wohl noch weiter erstaunliche Fähigkeiten des Fürsten ans Tageslicht kommen würden, doch momentan waren die ihm bekannten bereits mehr als genug.

Der gottlose RitterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt