Die Schlacht war noch im vollen Gange, als Roland und seine Gefährten das feindliche Heer flankierten. Sie befanden sich nun auf einem Marktplatz, von den Einheimischen Suk genannt, auf dem man noch die in Holzkörben oder auf Tischen ausgelegte Ware sehen konnte. Säcke mit Gewürzen, Fässer mit Wein oder auch lebendige Tiere, die in Käfigen untergebracht waren gaben Roland ein gutes Bild von dem alltäglichen Leben der Bewohner Akkons. Doch anstatt Händlern, die lautstark ihre Waren anpriesen und feilschenden Kaufmännern hörte man die Kampf- und Todesschreie der Soldaten. Alle Bewohner hatten sich längst in ihren Häusern versteckt, doch als er sich durch die engen Gassen schlich, um sich dem Feind unbemerkt zu nähern, überkam Roland dennoch ein seltsames Gefühl. Es war, als würde ihn jemand beobachten und nur darauf warten, dass er einen Augenblick unachtsam war, um sich dann auf ihn zu stürzen. Dieses Gefühl mussten Rehe verspüren, wenn der Jäger sich an sie anschlich oder die Reisenden, die von Räubern verfolgt werden. Plötzlich erscholl hinter Roland ein lauter Schrei, der jedoch nur kurz andauerte. Er schenkte diesem, wie der Rest der Soldaten, keine weitere Beachtung, sehr zum Leidwesen des Opfers. Doch wenn von überall Schreie ertönen, schenkt man diesen irgendwann keine Beachtung mehr. Nachdem sie die Gassen durchquert hatten, sahen sie die feindlichen Soldaten, die offensichtlich einen Hinterhalt planten. Vor ihnen erstreckte sich eine lange, breite Straße, die zu einem Tempel führte. Sie hatten Fässer und auf die Seite gelegte Tische, aber auch Holzplanken zu ihrem Schutz aufgestellt und Roland sah, wie Bogenschützen auf die Dächer rings um das Gotteshaus kletterten und sich dann dort hinlegten, um von den anstürmenden Kreuzfahrern nicht entdeckt zu werden. Ein perfekt geplanter Hinterhalt, wie man ihn auch Jahrtausende später noch praktizieren würde. Er stellte die perfekte Möglichkeit dar, einer Übermacht noch immense Verluste zuzufügen oder gar das Blatt umzukehren und einen Sieg zu erringen. Doch zu dem Leidwesen der Syrer hatten Roland und seine Gefährten die Vorbereitungen beobachten können und ein Soldat, der als guter Läufer bekannt war, wurde entsandt um die anrückenden Ritter zu warnen. Kurze Zeit später erschien das Kreuzfahrerheer auf der Straße und bewegte sich direkt auf den Tempel zu, der augenscheinlich nur von wenigen Soldaten als letzte Verteidigungsanlage genutzt wurde. Laut brüllend stürmten die Ritter auf die Syrer zu, ohne etwas von dem Hinterhalt zu ahnen. Offenbar hatte sie der Bote nicht erreicht, obwohl alle Feinde auf seinem Weg entweder tot oder geflüchtet waren. Doch dem Grund für sein Versagen würde er später nachgehen. Roland, der sich mit seinen Gefährten in einem leerstehenden Haus versteckt hatte, überlegte, ob er auf die Straße rennen und die Männer warnen sollte. Dies war jedoch mit dem Risiko verbunden, entdeckt und getötet zu werden, weshalb der Ritter beschloss, abzuwarten. Als die Kreuzfahrer die Palisaden stürmten, erschienen auf ein Zeichen eines Generals die Bogenschützen und fielen ihren Feinden in den Rücken. Doch sie konnten nur wenig ausrichten, da sie mit dem Angriff ihre Position verrieten und somit schnell von britischen Armbrustschützen getötet wurden. Als Roland fand, dass es der richtige Augenblick war, gab auch er das Signal zum Angriff und gemeinsam töteten sie die kleine Streitmacht. Nun war ein Großteil der Stadt erobert, doch ein kleiner Teil hatte sich heftig gewehrt und konnte die Kreuzritter zurückschlagen. Akkon blieb im Belagerungszustand, doch nun hatten die Ritter deutlich gezeigt, dass sie ihren Feinden überlegen waren und es nur eine Frage der Zeit war, bis die letzten Bewohner kapitulierten. Deshalb zog sich Roland zurück, um in seinem Zelt mit Wolfgang, Haasten und Ferdinand die weitere Vorgehensweise zu planen. Der alte Fürst wirkte erschöpft, als er die Unterkunft betrat, doch in seinen Augen brannte das übliche Feuer noch heftiger. Der Templer wirkte entspannt und Wolfgang schien seine Einstellung gegenüber diesem noch nicht geändert zu haben.
„Seid Ihr froh, eure Freunde wiederzutreffen? In meinem ganzen Leben hätte ich es nie zu träumen gewagt, so viele Templer für eine gerechte Sache kämpfen zu sehen. Mich erstaunt es, das ihr überhaupt im Namen von Recht und Ordnung kämpfen könnt.", verspottete er Ferdinand grinsend.
„Irgendjemand muss das Kämpfen für euch nichtsnutzige Fürstensöhne übernehmen, oder? Mich dünkt, Ihr seid eifersüchtig auf unsere Kampfstärke.", erwiderte der Templer, ohne den Blick von der Karte, auf der mehrere Figuren aus Holz, welche die Streitmächte der Könige darstellen sollten, zu wenden. Ferdinands Aufgabe lag weiterhin darin, Haasten und Wolfgang zu beraten und so musste er stets einige Schritte vorausplanen. Roland indes war mit dem Schicksal des Boten beschäftigt, der auf mysteriöse Weise verschwunden zu sein schien. Zusätzlich quälte ihn sein Gewissen, weil er die Ritter nicht vor den Bogenschützen gewarnt hatte und deshalb einige Soldaten gestorben sind. Deshalb fragte er Ferdinand: „Habt Ihr einen Boten bemerkt, kurz bevor wir den Tempel stürmten?"
Der Gefragte überlegte kurz und sagte dann: „Nein und ich kenne den wahrscheinlichsten Grund dafür. Mir scheint, Ihr habt ihn entsendet um uns vor den Bogenschützen zu warnen, hab ich Recht? Nun, es gibt eine Erklärung, doch diese wird Euch nicht gefallen. In diesen Landen gibt es einen Kult, verachtet und gefürchtet zugleich, der die ganze Stadt terrorisiert. Wir nennen sie die Assassinen. Sie sind einfache Männer, man würde sie auf der Straße gar nicht beachten, doch in dem Moment, in dem Ihr Euch von ihnen abwendet, werden sie Euch töten. Sie verstecken sich meist und geben sich erst zu erkennen, wenn sie ihr Ziel, in den meisten Fällen eine hochrangige Person, eliminiert haben. Sobald wir die Stadt erobert haben werdet Ihr vermutlich glauben, dass Ihr sicher seid, doch dem ist nicht so. Sie werden weiter im Verborgenen agieren, weshalb es schwierig ist, ihre Organisation zu zerschlagen. Es war vermutlich jemand aus diesem Kult, der euren Boten abgefangen hat, denn sie wollen weder uns Europäer noch ihre eigenen Landsleute in Akkon. Die Assassinen kämpfen nur für ihre eigenen Zwecke...."
„Haltet ein mit euren hanebüchenen Geschichten! Sollen wir Euch etwa glauben, wenn Ihr von geheimen Organisationen redet, die im Schatten lauern und Leute töten? Solcherlei Geschichten erzählt man seinen Kindern, damit sie keinen Unfug machen!", unterbrach ihn Wolfgang. Auch für Roland hörte sich diese Geschichte sehr absurd an und er musste seinem Freund Recht geben. Deshalb sagte er: „Befassen wir uns wieder mit der Realität! Wie gehen wir nun weiter vor?"
Während Ferdinand ihnen nun von der Stadt Arsuf berichtete, an der Saladin wahrscheinlich sein Heer aufstellen würde, blieb Roland und Wolfgang stets ein Hintergedanke: Was, wenn die Geschichte wahr ist?
DU LIEST GERADE
Der gottlose Ritter
Historical FictionDas Mittelalter war eine Zeit voller Krieg und religiöser Unterdrückung. Das einfache Volk arbeitete den ganzen Tag und ging hungrig zu Bett, während die Adeligen Feste veranstalteten. In dieser Epoche wächst Roland Wielus wohlbehütet heran und wähl...