Mit einem lauten Krachen prallte die Axt erneut an dem Tor ab. Die wütenden Bürger von Rabenfels versuchten mithilfe der Soldaten von Fürst Bentus verzweifelt zu Wolfgang durchzudringen und ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Nun standen sie vor dem Burgtor und schlugen immer wieder dagegen, während sich ihr ehemaliger Anführer in die große Halle zurückgezogen hatte. Kurz nach Bentus' Rede hatten sich die wütenden Männer und Frauen mit Äxten, Knüppeln und Mistgabeln bewaffnet, um die Festung zu stürmen. Nun trennte sie nur noch jenes Tor davon, Wolfgang gefangen zu nehmen.
Dieser saß indes auf seinem Thron und hatte das Gesicht in den Händen vergraben. Nachdem Roland geflohen war, hatte sich seine optimistische Stimmung verändert und er war komplett resigniert. Margret versuchte ihn aufzumuntern, doch selbst sie scheiterte.
„Nimm es nicht so schwer, Geliebter. Du hast etwas in den Herzen der Leute verändert, sie wissen es nur noch nicht. Unsere Geschichte wird sich verbreiten und die Leute inspirieren. Es ist nur eine Frage der Zeit, glaube mir. Selbst wenn wir jetzt fallen sollten, so können wir auf ein erfolgreiches Leben zurückblicken.", sagte sie sanft.
Wolfgang blickte zu ihr auf, doch sie erschrak, als sie in seine leeren Augen blickte. Mit kratziger Stimme sagte er: „Ich war ein Narr, der glaubte, er könne die Welt verbessern. Sieh dir meine früheren Anhänger nun an. Sie haben innerhalb von Minuten alles vergessen, was ich ihnen beigebracht habe. Auch wenn Bentus' Rede sehr geschickt gestaltet hat, so hätten sie seine Lügen dennoch durchschauen müssen. Doch sie sind dumm und folgen blind jedem Anführer, der sie von ihrer Verantwortung erlöst. Sie sind nur Lämmer, die arglos dem Wolf folgen. Ich glaubte, dass in jedem von ihnen ein Potenzial steckt, dass sie in ihrem Inneren ein Bedürfnis nach Stärke und Unabhängigkeit haben. Wie sehr habe ich mich getäuscht. Ich habe mein Leben für sie riskiert und nun danken sie es mir, indem sie mich töten wollen. Diese ganze Welt ist sowas von korrumpiert, hinterlistig und falsch. Sie ist verdorben und nur noch von Maden bevölkert, die sich an ihr laben. All diese Könige, die das Volk ausnutzen und die Geistlichen, die wie Zecken an ihnen hängen, all die einfältigen braven Bürger, die sich ausnutzen lassen, ich habe genug von ihnen."
Sowohl die verbliebenen Bürger, die Wolfgang die Treue hielten, als auch Ferdinand und Margret waren über diese Worte schockiert. Er hatte sie für kurze Zeit aus der Finsternis der Welt gehoben, doch nun ließ er sie und sich selbst fallen.
„Sag sowas nicht! Siehst du in all dem keinen Erfolg?", fragte Margret besorgt.
„Nein! Das Volk sieht in mir einen Feigling, der zu schwach für diese Welt ist und nur Hass für sie empfindet. Zudem glaubt es, ich wollte alle anderen in diesen Hass hineinziehen! Nach unserer Hinrichtung werden sie wieder in diesen Sumpf aus Arbeit und Glauben marschieren und man wird uns als Ketzer abtun.", entgegnete Wolfgang gereizt.
„Denk an Roland! Er wird unsere Botschaft im Verborgenen weitertragen, wie du es ihm befohlen hast.", versuchte seine Frau erneut ihn aufzumuntern.
„Sprich mir nie wieder von Roland! Es ist alles seine Schuld. Ohne ihn wäre alles nie passiert!", schrie Wolfgang nun.
Von draußen hörte man nun einen furchtbaren Krach, gefolgt von einem lauten Ächzen. Die Bürger hatten das Burgtor zerstört und drangen nun in den Hof. Ferdinand und Wolfgangs letztes Gefolge zückten ihre Schwerter und verließen den Raum, um sie aufzuhalten. Der Templer drehte sich jedoch noch um und sprach feierlich: „Ich danke dir, Wolfgang Kalhelm. Du hast meinem Leben voller Zweifel und Ausgrenzung einen Sinn gegeben. Stirb gefälligst in dem Gewissen, dass du einer der größten Männer der Geschichte bist!"
Doch dieser hörte gar nicht mehr zu und so schloss Ferdinand die Tür und machte sich bereit, seinen Fürsten zu schützen.
In der Halle dachte Margret indes nach, wie sie ihren Mann von seiner Resignation heilen könnte. Weil ihr nichts Besseres einfiel und das Tor vorerst verschlossen war, begann sie sich auszuziehen und Wolfgang einen verführerischen Blick zuzuwerfen.
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Der gottlose Ritter
Historical FictionDas Mittelalter war eine Zeit voller Krieg und religiöser Unterdrückung. Das einfache Volk arbeitete den ganzen Tag und ging hungrig zu Bett, während die Adeligen Feste veranstalteten. In dieser Epoche wächst Roland Wielus wohlbehütet heran und wähl...