4: Heimweg

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“Wieso sollte dich das interessieren?“
Alec zuckte mit den Schultern.
“Es gab... Gerüchte“
“Was für Gerüchte?“
Noch bevor er mir antworten konnte, packte seine Schwester in an den Schultern und zog ihn zurück, wahrscheinlich um ihn auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen.
“Was zum dreimal verhexten...“
Alice schien nichts dreimal verhextes einzufallen, sie räusperte sch und setzte noch einmal neu an.
“Was war das denn?“
“Vermutlich Alec“, stellte Phil, wie immer überaus geistreich, fest.
“Ich meine, warum war er plötzlich so interessiert an deinen Gefühlen?“
Sie wandte sich jetzt direkt an mich. Ihre Augen waren klar und offen, so wie immer. Ich zuckte mit den Schultern.
“Das hast du doch gehört. Gerüchte
“Richtig“
Einige Sekunden sagte niemand von uns etwas. Alice rührte in ihrem wahrscheinlich längst kalt gewordenen Kaffee. Einige wiederspenstige Strähnen hatte sich aus ihrem langen Zopf gelöst. Schließlich blickte sie auf.
“Das mit Alec ist schwierig. Ich kann seine Gefühle, dank seiner Schattengabe nicht lesen“
Ich konnte einfach nicht glauben, dass wir an einem Punkt angelangt waren, an dem dieser Satz für mich Sinn ergab.
“Erstaunlich, dass wir an einem Punkt angekommen sind, an dem dieser Satz für mich Sinn ergibt“, sprach Phil meine Gedanken erschreckend genau aus.

“Könnt ihr vielleicht etwas leiser sein?“, klingte sich Jake in das Gespräch ein.
“Es gibt Leute, die Vokabeln lernen wollen“
Er deutet das das grün- schwarze Buch auf seinem Schoß.
Nady, die sich (ohne Alec...) zu uns gesetzt hatte, runzelte die Stirn.
“In der Pause? Ist das dein Ernst?“
Er zuckte ungerührt mit den Schultern und wandte sich wieder seinem Buch zu.
“Schatten hin oder her, ich muss den Vokabeltest trotzdem schreiben“
Die Rothaarige verdrehte die Augen.
“Du bist so ein Streber“
“Vielen Dank, auch“
Jake versuchte anscheinend Nady zu ignorieren, was jedoch geradezu unmöglich war, besonders wenn sie nicht ignoriert werden wollte.
“Hast du überhaupt mit bekommen, was hier gerade passiert ist?“
“Klar, fressen oder gefressen werden. Ich bin top informiert. Und jetzt lass mich in Ruhe. Ich muss lernen“
Wiederwillig ließ sie ihn in Ruhe, jedoch nicht ohne ihm hin und wieder ein paar missmutige Blicke zu zu werfen.

Der Bus, mit dem ich  nach der Schule nach Hause vor, war wie üblich so voll, dass ich aufpassen musste, meine Schultasche zwischen den Unmengen von Schülern nicht zu verlieren. Es roch nach Schweiß und Frustration: Ebenfalls etwas vollkommen Normales. Erst, als ich mich an unser Haltestelle nach draußen drängelte, um den schmallen Weg zum Haus det Stuarts endlang zu gehen, fiel mir etwas weniger Normales auf.
“Jake...?!“
Wo zum Teufel steckte er? Es war Mittwoch, einer der Tage, andenen wir zur gleichen Zeit Schulschluss hatten. Es war ein ungewohnter Gedanken, an einem Mittwoch alleine nach Hause zu gehen und genau dieser Gedanke schien gerade Realität zu werden. Es war ein beklemmendes und beängstigendes Gefühl, dass er nicht hinter mir ging.

Wahrscheinlich reagierte ich aber auch nur über. Er konnte auch einfach den Bus verpasst haben, vielleicht war seine letzte Schulstunde ausgefallen...

Oder er war von einer Bande tollwütiger Alienkrieger entführt wurden, die ihn zum nächsten Terminator ausbilden wollten.

Okay, so gesehen klang ich wirklich ziemlich paranoid. Ich ging weiter. Die warme Mittagssonne schien auf mich herab und ich fragte ich, wieso das Wetter nicht immer so schön sein konnte. Abgesehen davon, dass ich mit meinem Pullover und der langen Jeans viel zu warm angezogen war. Wäre ich heute morgen mit T- Shirt aus dem Haus gegangen, hätte es aber bestimmt angefangen zu regnen. So war das Wetter nun einmal: Es hatte sich gegen mich verschworen. Phil hatte mir schon einmal versucht beizubringen, kleine Winde zu erzeugen oder die Luft anders zu einer anständigen Temperatur zu bringen. Ich hatte ihn jedoch nicht wirklich zugehört, was ich jetzt ganz offiziell bereute.

Ich war so sehr in meine Gedanken versunken, dass ich wohl an Aiden vorbei gelaufen wäre, hätte er sich nicht laut geräuspert. Offen gesagt,lief selbst als er sich räusperte an ihn vorbei, jedoch tippte er mir zusätzlich auf die Schulter. Wir befanden und bereits in der Straße unseres Hauses und ich sah absolut keinen Grund, warum Aiden hier auf mich warten sollte. Andererseits: Vielleicht wartete er gar nicht auf mich.
“Wo ist Jake?“
Seine Hand war immer noch verbunden, allerdings war der Verband nicht mehr so sauber wie heute morgen oder gestern. Im Gegenteil: Er war so dreckig, als hätte Aiden damit einmal die Hauptstraßen von Tokyo geputzt. Wahrscheinlich war er einfach zu faul, um ihn zu wechseln. Der verwaschene Aufdruck auf seinem T- Shirt war wohl ursprünglich ein viel zu positiver Spruch gewesen, der jetzt glücklicherweise nicht mehr zu lesen war.
Ich zuckte mit den Schultern.
“Keine Ahnung, ich bin doch nicht seine Babysitterin. Ist er noch nicht Zuhause?“
Zugegeben: Diese Frage war nicht gerade intelligent. Wäre Jake früher nach Hause gekommen, hätte Aiden ihm nicht aufgelauert. Apropos...
“Ist etwas passiert?“
Aiden antwortete nicht, sondern presste die Lippen, zu einem schmallen Strich zusammen. Ich deutete das einfach mal als ein Ja.
“Aiden...?!“

Er schüttelte den Kopf und lächelte mich dann an.
“Alles super“
“Es hat aber nichts mit deinem... Problem zu tun, oder?“
Ich wagte es nicht die Worte Tod oder Sterben auch nur in den Mund zu nehmen, trotzdem beschleunigte sich mein Herzschlag bei den Gedanken daran, dass Aidens letze Stunden vielleicht gar nicht mehr so weit entfernt waren.
“Ich sagte doch schon, dass alles super ist. Ich muss nur etwas mit Jake besprechen. Etwas... kompliziertes. So eine Art....Jungenproblem?“
Er klang, als sei er sich da selber nicht sicher. Wahrscheinlich hoffte er, ich würde einfach nicht weiter nachfragen. Und den Gefallen tat ich ihm auch. Aber ganz sicher nicht, weil ich Jungenprobleme respektierte und auch nicht weil ich ein netter Mensch war, sondern einfach weil er aussah, wie ein geschlagendes Hundebaby.

“Okay... Dann musst du wohl warten. Jake hat anscheinend den Bus verpasst. Oder er wurde von einer Bande tollwütiger Alienkrieger entführt, die ihn zum Terminator ausbilden wollen“
Sicher konnte man das nie wissen.
Er zog die Augenbrauen hoch.
“Du bist manchmal ziemlich komisch“
“Das sagt der Richtige“

Ich wollte an ihm vorbei weiter nach Hause gehen, doch er packte mich am Arm. Ich blickte ihm genau in die blauen Augen. Obwohl er im Prinzip die gleiche Augenfarbe wie Alice hatte, konnte man seine und ihre Augen nicht vergleichen, so wie es unmöglich ist die blaugrüne Farbe eines Sees mit dem hellen Blau eines klaren Sommerhimmels zu vergleichen ist. Ich dachte er würde noch irgendwas unglaublich Tiefsinniges sagen oder sein “Jungenproblem“ erklären, doch das tat er nicht.
“Du wolltest aufpassen. Bea hat ziemlich schlechte Laune. Und sie hat die Treppen vor der Haustür frisch geputzt. Rutsch nicht aus“
“Äh... klar. Das hatte ich nicht vor“

Niemand von uns dachte zu diesem Zeitpunkt darüber nach, dass Jake möglicherweise in Schwierigkeiten sein könnte. In Schwierigkeiten die nichts mit Alienkriegern zu tun haben mussten...

Besser spät als nie ^^ Danke für eure Geduld und fürs lesen!

Im Schatten der Elemente [Unbearbeitet Fassung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt