33: Schattendasein

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Das kam mir bekannt vor.

Zu bekannt.

"Sind das Seiten? Aus dem Buch der Elemente?"

"Sieht ganz so aus."

Phil bückte sich nach den Stücken Papier auf dem Boden. Sie waren gelblich angelaufen, vom Feuer und nur noch zu einem Teil zu entziffern. Die Ränder waren verkohlt, die Blätter zerknittert.

"Jemand muss das ordentlich und mit viel Sorgfalt herausgetrennt haben.", stellte ich fest. Phil zuckte zusammen, als er die dampfenden Stücke aufhob.

"Verdammt! Das ist heiß!"

"Hat Feuer so an sich."

"Sterne auch."

"Was?"

"Was?"

Ich seufzte.

"Glaubst du Alec wollte die Seiten zerstören? Warum hat er das nicht früher gemacht? Oder sie weg geworfen?"

Ich sah ihn lange an. Irgendwo in der Ferne grollte ein Donner. Es würde bald anfangen zu regnen.

"Er wollte die Seiten nicht vernichten. Papier brennt wie Zunder. Hätte er die Seiten direkt angezündet, hätten wir nichts mehr gefunden außer Asche. Nein... aber was bringt es ihm, das Baumhaus anzuzünden?"

Phil zuckte mit den Schultern.

"Vielleicht... Aufmerksamkeit? Vielleicht wollte er, dass wir das finden. Wenn er unsere Aufmerksamkeit wollte, hat er sein Ziel in jedem Fall erreicht."

Ich runzelte die Stirn.

"Er hätte uns die Seiten einfach geben können. Oder sie gar nicht erst stehlen können. Es gibt einfachere Methoden jemanden ein Stück Papier zu geben, als ein Haus abzubrennen."

"Vielleicht sind die ja gefälscht. Vielleicht wollte er, dass wir auf eine falsche Spur kommen."

Das war logisch, glassklar. Aber es kam mir nicht richtig vor. Der Gedanke daran hinterließ einen metallischen Geschmack in meinem Mund. Ich musste daran denken, was Alec gesagt hatte. Etwas Böses kommt daher... Das war mehr, als nur eine Drohung.

Es war ein Versprechen.

Langsam tropfe der aufkommende Regen auf uns herab. Das Wasser kam mir eiskalt vor, viel zu kalt um auf diesen Ort zu tropfen, der Ort der bis vor kurzem noch gebrannt hatte.

"Wir sollten ins Haus gehen", schlug ich vor. Phil nickte, wirkte aber abwesend. Er hatte die Nase in die Buchseiten gesteckt.

"Was ist los? Was steht da. Lol, reingelegt?"

"Es ist eine Erklärung", antwortet Phil.

"Eine Erklärung. Oder besser gesagt: Eine Geschichte. Eine Geschichte darüber, wie die Schatten früher aufgehalten wurden."

"Sehr witzig."

"Sternchen, du wolltest wissen, dass mein Humor besser ist, als das. Hätte es eine Möglichkeit gegeben darüber einen Witz zu machen, ich hätte sie genutzt. Das solltest du wissen."

Er knüllte das Papier wieder zusammen.

"Es spielt so oder so keine Rolle. Selbst wenn das nicht irgendein Bockmist ist, den Alec sich ausgedacht hat: Wir können das nicht machen."

Mein Herz schlug schneller. Wenn auch nur die Möglichkeit bestand... ich riss Phil die Seiten aus der Hand und überschlug sie.

"Siehst du, was ich meine?"

Ich antwortet nicht.

"Hier steht, dass es ätzend ist ein Schatten zu sein. Dass es sich anfühlt, als hätte man sein Seele verkauft. Und dass es die Schatten verrückt macht, sie beinahe zwingt, die Elemente zu hassen. Sie dafür zu hassen, dass sie ganz sind und nicht bloss... naja, ein Schatten."

Ich bemerkte selber, dass ich mitleidig klang.

"Wow. Das ist alles, was du daraus liest?"

Natürlich nicht. Aber es war mir aufgefallen, alleine schon, weil die Worte handschriftlich auf der Rückseite standen. In ihnen schwang Schmerz mit, ein alles umfassender Weltschmerz. Ich ahnte, nein, ich wusste dass sie von Alec stammten. Mehr noch als das: Sie waren ein Hilfsschrei, von einem Jungen, der sich selber in die Scheiße geritten hatte und nicht wusste, wie er sich daraus befreihen konnte. Oder ob er das überhaupt wollte.

"Ich denke, die Seiten sind echt."

Vorsichtig faltet ich die Papiere zusammen. In der Ferne grollte es, die Donnerschläge klangen, wie Posaunen, die das Jüngste Gericht ankündigte. In Phils sturmgrauen Augen sah ich Zweifel. Die Worte hatten nicht zu ihm gesprochen, nicht so wie zu mir. Vielleicht weil er das geschriebene Wort nicht so sehr liebte wie ich. Vielleicht weil er das Schattendarsein nicht kannte, nicht wusste, wie es sich anfühlte, zu denken niemals Teil eines Ganzen zu sein. Ich wusste es. Es war das Gefühl, was ich früher im Heim empfunden hatten. Und am Anfang, ganz am Anfang, als Jake mir immer wieder gezeigt hatte, dass ich kein Teil seiner Familie war. Doch jetzt war das Anders. Ich war keine Bell mehr, die irgendwo alleine stand. Ich war eine Stuart. So wie Jake. So wie Bea. Und ja, vielleicht auch ein wenig so, wie Rose. Ich war stark, entschlossen und ich wusste, was zu tun war.

"Wir sollten wirklich rein gehen", wiederholte ich.

"Wir habe eine große Neuigkeit zu verkünden. Und wir haben die Leben eurer Eltern zu retten."

~*~*~

"Besser ein kurzes und vielleicht unlogisches Ende, als gar keins."

Ganz liegen lassen konnte ich die Geschichte doch nicht. Ich werde versuchen, sie zu Ende zu schreiben. Könnte aber länger dauern.

Im Schatten der Elemente [Unbearbeitet Fassung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt