32: Verbrannte Erde

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Jake war nicht wütend. Das war eine Erkenntnisse, die ich nicht besonders oft machte, einfach weil es nicht besonders oft vorkam. Aber als Phil quasi vorschlug zum Baumhaus zu fahren und die ewig langweilige Recherche in der Bibliothek aus Glatteis zu legen machte er kein großes Drama darum. Im Gegenteil er bot an:

“Ihr beide könnt gehen. Zu dritt kommen wir anscheind nicht besonders weit. Ich werde gucken, ob ich hier noch irgendetwas finde. Vorher gebe ich nicht auf.“

Erst als sich die Türe hinter uns schloss, fragte ich mich, warum er uns beide los schickte. Einer hätte schließlich schon gereicht. Als Phil mich an den Hüpfen packte und wir zusammen in den wolkenverhangenen Himmel aufstiegen, sprach ich meinen Freund darauf an. Er zuckte nur mit den Schultern.

“Wahrscheinlich braucht er einfach etwas Zeit für sich. Ich meine, wenn Bea Recht hat ist er dafür verantwortlich wenn Billy etwas passiert.“

“Das stimmt doch gar nicht!“, widersprach ich mit Nachdruck.

“Er hat Aiden zu seinem Schatten gemacht.“

“Um ihm das Leben zu retten. Und keinem wird etwas passieren. Weder Billy, noch deinen Eltern. Weil wir die ganze Sache vorher aufhalten.“

“Indem wir den Anweisungen eines Irren folgen. Wow, wir sind ja so gut“, sagte er sarkastisch.
Der kalte Wind wehte mit die Haare aus dem Gesicht und ich hatte das Gefühl nie eine freier Sicht gehabt zu haben. Phils weiche Hände waren das einzige, was mit noch mit der Welt verankerte, ansonsten fühlte ich mich wie im freien Raum. Und ich begriff, dass ich gar nicht allein fliegen wollte. Ich wollte, dass dieses Gefühl der Freiheit auf immer und ewig mit Phil verbunden wat, mit seinen Händen, die mich fest hielten. Ich wollte, dass dieses Gefühl etwas besonderes blieb.

Ich tauchte aus meinen Gedanken auf und bemerkte, dass er mich erwartungsvoll anstarrte.

“Was?“

“Hast du mir wiedermal nicht zugehört?“

“Ich hör dir nie zu, was bildest du dir eigentlich ein?“

Sein Lachen trug der Wind mit sich fort.

“Ich hab dich gefragt, was für eine Art von Geheimsprache du mit Alec gesprochen hast? Shakespearianisch?“

“So nennt man das in Fachkreisen, der gut erkannt, Dr. Spirit.“

Er lachte.

“Dafür bin ich bekannt, Professor Stuart. Immer den richtigen Fachterminus zur Hand.“

“Bell“

“Was?“

“Mein Name ist Bell. Nicht Stuart.“

Er zuckte mit den Schultern. Die Sonne stand bereits tief im Westen, jetzt genau hinter ihn und ließ ihn leuchten wie eine Gestalt aus reinem Licht mit einem Kranz aus goldenen Haaren.

“Für mich bist du schon lange eine Stuart. Und ich finde es süß, wenn diese Stuart über Bücher redet“, sagte er und wir küssten uns. Es war total unangebracht und kitschig, aber auf dem Weg in unser nächsten Verderben küssten wir uns.

Kurz unter den Wolken, wo wir dem siebten Himmel wortwörtlich nahe ware.

Kein Wunder, dass Jake uns los geschickt hatte. Wahrscheinlich hatte er das ganze Päarchengetue nicht ertragen. Ein Wunder, dass es Phil noch schaffte die Flugbahn zu halten. Und ein Wunder, dass uns keiner sah. Das kam mir im Große uns ganzen ziemlich spanisch vor, aber daran dachte ich nicht. Mein Gehirn war mit rosaner Himbeerwatte gefühlt.

“Und“ wisperte er, als wir uns voneinader lösten.

“Bin ich jetzt dein Romeo?“

“Um Gottes Willen! Nein!“

Verstört darüber, wie heftig ich protestiert hatte verzog er das Gesicht. Wir setzten zur Landung auf dem grünen Rasen der Spirits an.

Super.

Mein Klugscheißerrei hatte die Stimmung ruiniert.

“Das war nicht böse gemeint“, rudert ich zurück.

“Aber der Romeo in Shakespeare ist ein ziemliches Arschloch.  Julia ist einfach nur naiv- und entscheidet sich für den falschen Kerl.“

Er lachte. Obwohl wir wieder auf dem Boden waren hatte er mich nicht los gelassen, was ich einmal als gutes Zeichen wertete. Immerhin hatte ich ihn nicht ganz verschreckt. Er zog eine Schnutte.

“Da wollte ich einmal etwas intelligentes sagen...“

Ich kicherte. Mir hatte noch nie irgendjemand das Gefühl gegeben, der Klügere in der Beziehung zu sein.
“Äh... Sorry?“

“Ich glaube ich kann es dir verzeihen. Wenn du mir einen Versöhnungskuss gibst.“

“Oh, du erpresst mich?“

“Und wie!“

Ich hab ihm einen Kuss auf die Wange, dann gingen wir zu den Resten der alten Eiche.

Die rosarote Stimmung, die sich gerade in mir breit gemacht hatte wurde von dem Anblick der schwarzen Trümmern regelrecht in Stücke gerissen. Dort, wo eins ein stolzer Baum gestanden hatte und ein paar Bretter das Symbol einer Freundschaft gestanden hatte wat jetzt kaum mehr zu sehen. Es roch nur noch ein wenig nach verbrannten Holz, doch der Wind wehte weiße Aschereste weg. Die Trümmer des Baunhauses sahen aus, wie die Gerippe eines riesigen Tieres und mir lief ein eiskalter Schauer den Rücken herunter.

Auf eine gewisse Weise hatte Alec wirklich einen Mord begangen.

Ich fragte mich nur, wo der Hinweis sein sollte, den er uns geben wollte. Vielleicht war ich wirklich so naiv wie Julia gewesen, schlimmer sogar noch. Vielleicht hätte ich mir schon vorher denken können, dass Alec uns an der Nase herunfühete. Dass alles was er tat, entweder Zeit stehlen oder uns in eine Falle locken sollte.

Er hatte ein Feuer vor Phils Elternhaus gelegt.

Ihm war nicht zu trauen.

Und wenn ich gedacht hatte, ich hätte mit diesem Ausflug nichts zu verlieren, hatte ich mich getäuscht: Die Zeit lief uns davon, wie in einem Stundenglas mit wenig Sand.

Alles war ich hier sehen konnte, war jedenfalls verbrannte, tote Erde und das tat mit in der Seele weh. Wage erinnerte ich mich daran, das auf verbrannter Erde nichts mehr wachsen konnte. Alec hatte mich mit voller Wucht in ein metaphorisches, schwülstiges Denken gezogen, als er mit dem ganzen blutigen Dolch Mist bekonnen hatten. Jetzt konnte ich nicht anders, als daran zu denken, dass auch auf der verbrannten Freundschaft zwischen ihm und den anderen nichts mehr wachsen konnte.

Selber wenn er uns jetzt gerade nicht verarschte.

Es würde immer diesen einen Fleck im grünen Garten geben, auf dem nichts mehr wachsen konnte.

Ich schluckte einen Kloss im Hals herunter und machte mich zusammen mit Phil auf die Suche nach irgendetwas, was nicht nur Asche war, die unter unseren Fingern zerbröselte.

Und tatsächlich wurden wir schneller und überraschender fündig, als wir je gedacht hätten...

Im Schatten der Elemente [Unbearbeitet Fassung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt