10. Spiel mir das Lied vom Tod

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„Jacob?"

Anstatt einer Antwort tönte ein Lachen zu uns nach oben. Es war laut und klar, das ehrliche und offene Lachen eines Mädchens. Ich atmete auf Ich hatte bisher gar nicht bemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte.

„Das ist nur Wendy", stellte Alice das fest, was ich längst wusste. Die Blondine stand auf und hielt mir ihre rechte Hand entgegen. Ich nahm diese und zog mich daran hoch.

Wendy gehörte nie zu der Art von Mädchen, die sich viel schminkten. Natürlich, sie nutzten jeden Tag ein wenig Wimperntusche und manchmal ein bisschen mehr, aber sie sah nie aus, als wäre sie in einem Farbtopf gefallen. Bis zu diesem Tag. Im Nachhinein fragte ich mich, ob sie vielleicht versuchte sich selber neu zu erfinden- oder was sie etwas hinter dieser Maske zu verstecken hatte. „Hi." Sie umarmte zuerst mich und dann Alice mit der Form von Herzlichkeit, die sie immer an de Tag gelegt hatte. Mit einem Mal keimte so etwas wie ein schlechtes Gewissen in mir hoch: Wendy war eine von Alices engsten Freunden. Die beiden kannten sich schon ewig und Wendy wusste sogar über die Sache mit den Elementen Bescheid. Und trotzdem hatte ich es nie geschafft wirklich Kontakt oder gar eine Freundschaft zu Wendy aufzubauen. Sie war immer mehr eine Randfigur meines Lebens gewesen als jemand, der wirklich daran teilnahm. Doch jetzt stand sie in dem Flur meines Zuhauses, bereit mit Alice und mir den Nachmittag zu verbringen.

Jake räusperte sich. Im ersten Moment dachte ich, er täte das um Wendy darauf aufmerksam zu machen, dass sie ihn als Einzigen nicht umarmt hatte. Doch Jake war nicht der Typ, der körperliche Nähe genoss. „Soll ich dir etwas auf der Bäckerei mitbringen?", fragte er stattdessen. Wendy verneinte du lächelte Jake auf eine Weise an, die ich kannte- ihr Blick war irgendwo zwischen aufgesetzt cool und total nervös. Schon bei unserer ersten Bewegung hatte ich bemerkt, dass Wendy durch aus so etwas wie Interesse an ihm hatte. Verübeln konnte ich es ihr nicht, Jake war attraktiv, aber alleine die Vorstellung etwas mit ihm anzufangen war zum Kotzen. Und das im wahrsten Sinne des Worten: ich ekelte mich wirklich vor meinen eigenen Gedanken.

„Bleib doch lieber ein bisschen hier. Wir können doch was zu viert machen"

Großer Gott. So viel zum Thema eklig.

„Du kannst gerne mit nach oben kommen. Wir spielen Tabu", bot Alice an und versuchte wahrscheinlich nicht so zu klingen, als würde sie gerade Werbung für ein Kinderspiel machen. Wendy verzog das Gesicht.

"Sollen wir nicht etwas Lustigeres machen?"

"Das ist lustig", widersprach ich.

Sie verdrehte die braunen Augen.

"Stimmt, was könnte lustiger sein, als auf dem kalten Boden zu sitzen und zu versuchen Rasenmäher zu erklären?"

Jake versuchte anscheinend sein Lachen hinter einem möglichst würdevollen Hustenanfall zu verstecken. Ich blickte ihn böse an.

"Was willst du denn stattdessen machen?"

In Alices Stimme schwang Enttäuschung mit. Offensichtlich hatte sie das Spiel genauso genossen wie ich.

Wendy zuckte mit den Schultern.

"Keine Ahnung. Etwas wirklich Lustiges auf jeden Fall"

Ich mochte Wendy, aber irgendwie brachte sie meine ganze Tagesplanung durcheinander. Alice und ich waren Aiden immer noch nicht begegnet. Und ehrlich gesagt, hätte ich mich nach dem ganzen Trubel einfach einmal gefreut einen ruhigen Nachmittag mit meiner besten Freundin zu verbringen. Ich war mit Phil befreundet- lustige (oder zumindest lustig gemeinte) Aktionen hatte ich schon genug erlebt.

"Etwas Lustiges. Gut, ich bin für alle Vorschläge offen."

Wendy lächelte und ihre Augen funkelten vor freudiger Erwartung. Sie holte Luft, vermutlich um etwas dazu zu sagen und strich sich im selben Moment eine Strähne ihres dunkel gefärbten Haares hinter ihr Ohr.

Im Schatten der Elemente [Unbearbeitet Fassung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt