34: Eine dumme Idee (Die aber funktionieren könnte)

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"Das ist doch nicht wahr, oder?"

Nady klang aufgebracht.

"Er hat es die ganze Zeit gewusst. Die ganze Zeit!"

Ich musste das Handy weit von meiner Ohr entfernt halten um keinen Hörsturz zu erleiden.

"Wow. Und das Krankeste haben wir ihr noch nicht einmal gesagt", murmelte Phil. Sie hörte ihn zum Glück nicht.

"Er hat gewusst, wie man einen Schatten wieder zu einem Menschen macht? Und dann hat er diese Psychospielchen mit uns gespielt? Er ist doch verrückt! Mia, ich möchte etwas abfackelt. Irgendwas Großes! Was Wichtiges! Sag mir, was ich abfackeln kann!"

"Äh... Gar nichts? Stattdessen kannst du dich ja selber etwas abkühlen. Ist nur so eine Idee."

"Ich komm vorbei. Ihr seid bei den Spirits, richtig? Ich komme vorbei und fackelt etwas ab. Irgendwas! Und Jake kommt mit!"

Ich konnte meinen Bruder im Hintergrund hören.

"Ich komm mit?"

"Und wie!"

"Warum entscheidest du das?"

"Weil du zu blöd bist, eigene Entscheidungen zu treffen!"

Ich hätte gerne gehört, was Jake darauf antwortet, aber Nady hatte aufgelegt. Phil und ich tauschten Blicke.

"Warum habe ich das Gefühl, dass wir es vielleicht nicht unbedingt Nady zuerst hätten sagen sollen?", brach mein Freund das Schweigen.

"Das kommt mir so vor, als hätten wir ein Streichholz in ein Pulverfass geworfen. Wir hätten mit jemand Einfacheren anfangen sollen. Alice- oder so."

Alice-oder-so kam mit einer Kanne Orangensaft ins Wohnzimmer.

"Was hätte ihr mir zuerst sagen sollen?", fragte sie. Ohne auch nur einen Kommentar hielt ich ihr die Blätter hin, die wir gefunden hatten. Ihre blauen Augen verdunkelten sich, als sie das las. Die Eiswürfel in der Kanne verdichteten sich zu einer dicken Schicht aus Eis, die es uns in den nächsten zwei Stunden unmöglich machen sollte, den Saft zu trinken.

"Oh. Wow."

Das traf es ganz gut.

Ein Blitz zerriss die dichte Wolkendecke, direkt gefolgt von einem Donner. Das Gewitter war genau über uns und die Wolkendecke drückte die Luft herunter. Ich hatte das Gefühl, ersticken zu müssen, nicht nur wegen der dicken Gewitterluft, sondern auch an der Last, der Informationen, die wir hatten.

"Das bedeutet, wir können die Schatten aufhalten?"

Alice Stimme klang heiser, nicht halb so begeistert, wie sie hätte sein können.

"Wir können unsere Eltern retten? Und die Schatten hätten keine Erinnerungen mehr daran?"

So wie sie das sagte, klang das nach etwas Gutem. Naja, sie hatten den riesigen Haken, der an diesem Köder hing ja auch noch nicht erwähnt.

"Und alles was wir dafür tun müssen ist... ist... unsere Kräfte aufgeben? Dieses Ritual durchführen und dann... keine Elemente mehr zu sein?"

Ich nickte.

"Ohne Licht kein Schatten. Ohne Elemente auch kein Schatten. Ein Dualistisches Prinzip."

"Duell was?"

Ich antworte Phil- dem verdammten Banausen- einfach nicht. Langsam, als wären sie so explosiv wie Nady legte Alice die Buchseiten auf den Tisch.

"Das ist ein Trick, oder? Eine Falle. So etwas kann nicht funktionieren. Und selbst wenn... ich meine... das würde uns töten. Unsere Elemente aufzugeven, würde uns töten."

"Wir wissen auch nur was da steht", sagte ihr Bruder.

"Und das sagt, dass es bei dem Ritual gar nicht darum geht, unsere Elemente aufzugeben. Sondern das ganze Prinzip abzuschaffen."

"Anstatt die Schatten die Stadt übernehmen zu lassen, brennen wir sie nieder", versuchte ich es mit einer schlechten Metapher.

Alice machte ein Gesicht, als hätte ihr jemand in die Magengrube geschlagen. Dann seufzte sie.

"Das können wir nicht machen. Was ist, wenn die Schatten das Ritual durchführen? Dann wären ihre Kräfte doch auch fort, oder?"

Phil lachte kurz und erschreckend freudlos auf.

"Viel Spaß dabei, sie davon zu überzeugen. Besonders Rose, die hat ja nun mal nachweislich nicht mehr alle Kastanien auf der Rolle."

"Naja... Alec hat euch doch quasi geholfen das Papier zu finden, richtig? Er hatte es die ganze Zeit und er hat es weder vernichtet noch irgendwo im Wald vergraben, sondern im wahrsten Sinne des Wortes ein Leuchtfeuer zu ihm gelegt. Vielleicht hat er das Schattendasein satt. Vielleicht würde er uns helfen."

Oh süße, naive Alice! Sie glaubte tatsächlich noch an das Gute in Alec.
Leider schien diese Naivität gentisch zu sein, denn Phil sah ernsthaft aus, als würde er darüber nachdenken. Schließlich zuckte er mit den Schultern.

"Was haben wir schon zu verlieren?"

"Mhmmm, ich weiß auch nicht", antwortet ich sarkastisch.

"Vielleicht unsere Ehre? Unsere Elemente? Unsere verdammten Leben?"

Es klingelte an der Haustüre und Alice verließ den Raum, um sie zu öffnen. Phil und ich blieben einem Moment alleine. Mein Herz rastet und in meinem Kopf schien Millionen von kleinen Zahnrädchen nach der richtigen Lösung zu suchen. Ich hatte das Gefühl dieser ganz nahe zu sein, vielleicht so nahe wie nie zuvor. Unwillkürlich musste ich an die Vision denken, die ich mit Jake geteilt hatte. Sie hatte sich noch nicht erfüllt, nicht einmal ansatzweise und das machte mir ein bisschen Angst. Vielleicht konnten wir die Schatten dazu bringen, ihre Kräfte aufzugeben, irgendwie zumindest. Aiden war kein böser Mensch. Er würde nicht wollen, dass jemandem etwas geschah. Und Alec war Nadys Bruder. Es ging auch um seine Familie. Anderseits veränderteb sich die Schatten, ich dachte nur an Wendy, die ich als nettes, freundliches Mädchen kennengelernt hatte.

Und dann war da noch Rose.

Egal, was wir tun würden. Egal, was wir ihnen erklären würden. Egal, womit wir sie bedrohen würden.

Rose würde niemals aufgeben. Denn sie hatte- um es mit Phils Worten zu sagen- nicht mehr alle Kastanien auf der Rolle.

Sie war verrückt.

Vollkommen größenwahnsinnig.

Das war unser Problem.

Aber auch ihres.

Sie ging davon aus, dass sie uns besiegen konnte. Und das ohne große Probleme. Alle, die sie dafür brauchte waren ich und die Schatten... die Schatten, die sie noch nicht alle kannte.

Mit einem Mal formte sich tatsächlich eine Idee in meinem Kopf. Eine Idee, die möglicherweise genauso verrückt war, wie Rose.

"Hey", sprach ich Phil an.

"Im Prinzip müssen wir doch nur die Schatten davon überzeugen, dass das eine gute Idee ist, oder?"

"Viel Spaß dabei."

"Aiden könnte es. Aiden könnte sie davon überzeugen. Immerhin ist er der Erdschatten. Der letzte Schatten, sozusagen."

"Ach ja? Und wo ist Aiden? Wahrscheinlich ist er längst zu Rose gelaufen und hat sich ihr angeschlossen. Sternchen, ich finde das auch nicht super. Aber über ihn haben wir keine Chance mehr."

"Ich weiß aber, wo wir ihn treffen können. Wann er sich Rose anschließen wird."

Ich war ganz aufgeregt, denn meine Gedanken nahmen mehr und mehr Form an. Das Schicksal wollte, dass ich bei Rose zu Hause auftauchen würde? Dass Schicksal wollte, dass ich sah, wie sich Aiden den Schatten anschloss? Gut. Dann würde es so passieren.

"Weißt du, Jake und ich hatten da diese Vision..."

Im Schatten der Elemente [Unbearbeitet Fassung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt